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# taz.de -- Die Wahrheit: Mitglied in der Dackelgruppe
> Gemeinschaftsgefühl wird den Kleinen schon früh beigebracht. Zum Beispiel
> in der Whatsapp-Gruppe. Finden wir gut.
Wir bilden eine Ossi-Protest-Gruppe!“, hatte meine Kollegin über den Flur
gekräht, als wir zum wiederholten Male darauf zu sprechen kamen, dass wir
als ehemalige Ostberlinerinnen seit dreißig Jahren im öffentlichen Dienst
nicht in der uns nach Qualifikation zustehenden Gehaltsstufe eingruppiert
sind. „Oh bitte nicht!“, flehte ich, „das klingt so nach Nazi, weil zu ku…
gekommen.“
Mir ist das wirklich peinlich. Dabei hab ich gar nichts gegen
Interessenvereinigungen. Für faule Menschen wie mich sind zum Beispiel
whatsappartige Gruppen ideal.
Zur Überwachung unserer greisen Mutter hatten wir eine sogenannte
Oma-Gruppe gegründet. Praktisch, um das sich räumlich am nächsten
befindende Familienmitglied in die Spur zu schicken, falls in der
mecklenburgischen Provinz mal wieder etwas umgefallen war. Schlimmstenfalls
Oma selbst.
Was aber als angstgetriebene Emergency-Idee entstand, erlebt, seit sie
putzmunter ein Berliner Pflegeheim bewohnt, eine Wandlung zur Wandzeitung
für Urenkelfotos und Heimspeisepläne.
## Wer hat wann mit Omi Eis gegessen?
Ihre erwachsenen Enkel weisen regelmäßig auf die datenschützerische
Fragwürdigkeit der ganzen Angelegenheit hin, weshalb die lebenswichtige
Info, wer wann mit Omi Eis gegessen hat, nun auf einer sichereren App
kommuniziert wird. Aber ich verliere ohnehin den Überblick über meine
Gruppenmitgliedschaften. Neulich löschte ich eine „Inga-Geburtstagsgruppe“,
denn ich kenne keine Inga. Immerhin fühlte ich mich etwas herzlos. Wer
immer mich hinzugefügt hat – ich hoffe, ihr hattet eine tolle Party!
Interessant sind die neuen Formen des Zusammen- und Auseinanderkommens aber
schon. Der stille Hinweis im Smartphone: „Karlheinz hat die Gruppe
verlassen“, ist das neue Türenknallen, leises Entfreunden auf Facebook
ersetzt den guten alten Krach.
Mir ist die Snooze-Funktion, mit der ich Leute, die ein bisschen nerven, in
einen vierwöchigen Mittagsschlaf schicken kann, lieb und teuer. Wie
friedlich wäre die Welt, wie haltbar die Liebe, wenn man das im richtigen
Leben auch hin und wieder tun könnte.
## Fickt die Falkengruppe!
Gruppenmitgliedschaften erlernen schon die Jüngsten. Meine Enkelin wurde
einst in die Erdmännchengruppe eingeschult und war die ganze Zeit neidisch
auf die Kids der Falkengruppe. Die blickten qua natura auf die Erdmännchen
herab und gemeinsam mobbte man die Dackelgruppe. Meiner Argumentation,
Dackel wären Jagdhunde und könnten durchaus ein Erdmännchen erlegen, wurde
nicht gefolgt. Und alle wollten Falken sein. Seit der dritten Klasse
besuchen die Kleinen nun wie zu alten Zeiten die 3a, b oder c, und der
soziale Frieden ist gesichert.
Gleichheit wäre auch eine schöne Idee, was die Bezahlung von Angestellten
betrifft. Für Mann und Frau, Ost und West. Ich will nicht in die
Ossi-Gruppe. Das ist wie in der Dackelgruppe zu sein. Ich will nur mehr
Geld verdienen.
18 Sep 2020
## AUTOREN
Ulrike Stöhring
## TAGS
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Milieuschutz
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