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# taz.de -- Krypto-Experten über Verschlüsselung: „Auch Bitcoin wird angrei…
> Das Zeitalter der Rechner, die heutige Verschlüsselung knacken können,
> rückt näher. Ein Gespräch mit zwei Krypto-Experten über neue Standards.
Bild: Der Quantencomputer „Quantum System One“ von IBM, mit dem noch gefors…
taz: Herr Petri, Herr Kreutzer, im Onlinebanking, in der Messenger-App fürs
Smartphone, im vernetzten Fahren – Verschlüsselung steckt heute in
praktisch allen Digitalanwendungen. Werden wir eines Tages feststellen,
dass das alles knackbar ist [1][durch leistungsfähige Quantencomputer]?
Richard Petri: Wir gehen davon aus, dass es Quantencomputer, je nach
Schätzung, in etwa 10 bis 30 Jahren geben wird. Die werden dann tatsächlich
die gängigen Verschlüsselungsverfahren, die derzeit genutzt werden, knacken
können.
Michael Kreutzer: Es ist aber nicht so, dass wir untätig auf diesen Tag
warten und dann von der Entwicklung überrascht werden. Dass
Verschlüsselungsverfahren altern, das war schon immer so. Was vor zehn
Jahren noch Standard war, ist es heute nicht mehr. Einfach deshalb, weil
leistungsfähigere Rechner die alten Verfahren knacken können oder
Mathematiker:innen Schwächen entdecken. Cryptoforscher:innen
arbeiten daher laufend an neuen Verfahren.
Aber haben wir dann mit Quantencomputern eine Situation, in der sehr
plötzlich sehr viele Verfahren unbrauchbar werden?
Petri: Ja, wenn Quantencomputer kommen, wird das recht plötzlich sein. Alle
asymmetrischen Verfahren, die zum Beispiel beim Onlinebanking oder bei
Messenger-Diensten eingesetzt werden, werden dann knackbar sein. Bei den
symmetrischen, die etwa zur Festplattenverschlüsselung verwendet werden,
sieht es etwas besser aus. Die werden zwar auch geschwächt, sind aber nicht
alle direkt knackbar. Außerdem muss man davon ausgehen, dass die Ersten,
die sich solch ein Gerät leisten können, große staatliche Akteure sind. Es
ist also nicht so, dass der Nachbar sich sofort in das eigene Gerät hacken
kann.
Aber auch ein Staat sollte ja nicht unbedingt von Onlinebanking bis zu
privaten Nachrichten mitlesen können. Wie ist der Stand, was quantensichere
Verschlüsselung angeht?
Petri: Beim National Institute of Standards and Technology in den USA läuft
gerade ein entsprechendes Verfahren. Dabei werden neue Standards entwickelt
und ausgewählt, die robust gegen Angriffe mit Quantencomputer sein sollen –
und natürlich auch sicher für aktuelle Computer. Die dritte Runde des
Verfahrens ist gerade vorbei und es sieht ganz gut aus, dass es am Ende
mehrere taugliche Verfahren geben wird.
Aber woher weiß man, ob die wirklich quantensicher sind? Das lässt sich
schließlich nicht testen, solange noch keine derart leistungsfähigen
Computer existieren.
Kreutzer: Auch wenn wir noch keine leistungsfähigen Quantencomputer haben –
wir wissen ziemlich genau, was sie können werden. Wir haben schon Zugang zu
kleinen Quantencomputern und können auch deren Berechnungen simulieren.
Damit lässt sich sehr sicher abschätzen, ob unsere mathematischen Theorien
dazu stimmen.
Wann werden wir die ersten neuen Verschlüsselungsverfahren in Geräten oder
Software sehen, die wir tagtäglich nutzen?
Petri: So wie es aussieht, wird es noch in diesem Jahr erste Empfehlungen
geben, welche Verfahren sich eignen. Und ich denke, dass wir in den
nächsten zwei Jahren Postquantenstandards haben werden. Dann werden wir sie
auch sehr bald in Anwendungen sehen. Der Chromebrowser hatte sogar schon
mal probeweise ein Postquantenverfahren eingebaut. Das hat allerdings den
Standardisierungsprozess nicht überstanden.
Wie sollen Verbraucher denn dann erkennen können, ob ihr Auto oder ihr
Messenger schon zukunftsfähig verschlüsselt?
Petri: Das ist momentan noch Zukunftsmusik, aber ich kann mir vorstellen,
dass es da noch eine Art Siegel oder eine Empfehlung vom Bundesamt für
Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) geben wird. Auf alle Fälle wird
aber die Industrie damit werben, nach dem Motto: Unser Browser benutzt eine
quantensichere Verschlüsselung.
Kreutzer: Das wird sich auch sehr stark unterscheiden, je nachdem über
welche Anwendung wir sprechen. Nehmen wir beispielsweise einen Onlineshop.
Da ist es vergleichsweise einfach, das darunterliegende
Verschlüsselungsverfahren auszutauschen. Viel spannender wird es etwa in
der Automobilindustrie, da gibt es Produktzyklen von 20 oder sogar 30
Jahren. Die Autos sind auf der Straße, da kann nicht so einfach ein
Verfahren ersetzt werden. Die Frage ist also: Müssen die Fahrzeuge dann in
die Werkstatt für ein Update? Die kleinsten Steuergeräte können eventuell
die neuen Verfahren nicht unterstützen, das heißt, mit einem Softwareupdate
ist es nicht getan.
Wer sich also heute ein Auto der aktuellen Generation kauft, die ja schon
ziemlich vernetzt sind, hat womöglich in 10 oder 20 Jahren ein Problem?
Petri: Ja. Ein Angreifer mit Zugang zu einem Quantencomputer könnte
beispielsweise die digitalen Signaturen, mit denen Software-Updates vor
Veränderungen geschützt werden, fälschen und so Schaden anrichten. Und bei
vernetzten Fahrzeugen könnte das dann aus der Ferne und auch potenziell bei
der breiten Masse passieren. Entsprechende Quantencomputer dürften aber
anfangs nur wenigen zur Verfügung stehen. Viele Unternehmen haben das Thema
mittlerweile auf dem Schirm und holen sich Unterstützung, um sich auf das
Risiko vorzubereiten.
Ist dann auch damit zu rechnen, dass Geräte mit vielen
Steuerungsinstrumenten, wie eben Autos, teurer werden?
Petri: Wahrscheinlich. Die Verfahren, die bei Postquantenkryptografie
eingesetzt werden, sind in der Regel ressourcenintensiver. Manche haben
einen höheren Speicherbedarf, andere brauchen mehr Ressourcen für die
Berechnung. Andererseits bekommt man bei Chiptechnik für dasselbe Geld
immer mehr Leistung. Dennoch sind vermutlich schnellere Chips oder solche
mit mehr Speicher nötig, das erhöht dann die Kosten.
Kreutzer: Es könnte sein, dass die Unternehmen, die sich heute schon um das
Thema kümmern, später einen Vorteil haben. Denn gerade bei so komplexen
Systemen wie einem Auto oder auch einer Fabrik braucht das Zeit. Man muss
sich erst mal anschauen: Wo sind in dem Auto eigentlich kryptografische
Systeme drin? Wo muss man da ran?
Wobei die Autoindustrie ja bislang nicht gerade mit vorbildlicher
IT-Sicherheit aufgefallen ist.
Petri: Es hat eine Weile gedauert, bis das Thema auch im Automobilsektor
angekommen ist. Aber da tut sich etwas. Aktuell sehen wir eine große
Nachfrage nach Verschlüsselungslösungen für diese Systeme.
Wie werden wir eigentlich mitbekommen, wenn der erste Quantencomputer, der
aktuelle Verschlüsselung knacken kann, am Netz ist?
Petri: Das hängt natürlich ganz davon ab, wer den betreibt.
Kreutzer: Es sind ja nicht nur Staaten, die da in Frage kommen, sondern
auch die Industrie. Google, IBM, alle großen Namen arbeiten daran. In dem
Bereich sehe ich auch aktuell die großen Fortschritte. Und wenn ein Player
aus der Industrie der Erste ist, der würde das natürlich publik machen.
Wenn die neuen Verfahren absehbar mehr Ressourcen benötigen – heißt das
auch, dass der Energieverbrauch steigen wird?
Kreutzer: Die Verfahren, die derzeit im Rennen sind, unterscheiden sich
alle sehr stark. Manche benötigen mehr Rechenleistung auf dem Gerät, bei
anderen müssen mehr Daten übers Netz geschickt werden, weil die Schlüssel
so groß sind. Aber [2][die Ökobilanz der einzelnen Verfahren] mal
auszurechnen, das ist eine interessante Forschungsfrage. Nehmen wir mit.
Und apropos Stromverbrauch: Wenn Quantencomputer kommen, wird auch Bitcoin
angreifbar.
Wieso?
Kreutzer: Nicht die Blockchain an sich. Aber sämtliche digitalen
Identitäten, die zur Nutzung der Währung gebraucht werden, basieren auf
einem gängigen asymmetrischen Signaturverfahren. Und dieses Problem wird
die allermeisten Kryptowährungen betreffen.
2 Sep 2021
## LINKS
[1] /Quanten-im-Forschungslabor/!5660042
[2] /Digitale-Waehrungen-und-Regulierung/!5781619
## AUTOREN
Svenja Bergt
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Kryptowährung
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Computer
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