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# taz.de -- Corona in Vietnam: Der Soldat bringt das Mittagessen
> In Vietnam steigen die Infektionszahlen, Stadtbewohner dürfen ihre
> Wohnungen nicht mehr verlassen. Soldaten versorgen sie mit Lebensmitteln.
Bild: Ein Soldat bringt Essen im strikten Lockdown in Ho Chi Minh-Stadt
Berlin taz | Als [1][einstiges Musterland der Pandemiebekämpfung] droht
Vietnam gerade die Kontrolle über Covid-19 zu verlieren. Das
südostasiatische Land meldete für Mittwoch 10.800 neue Coronafälle und 348
Tote. Tendenz steigend. Zum Vergleich: Bis August 2020 gab es landesweit
überhaupt nur insgesamt eintausend Infektionen und 30 Coronatote. Der Grund
war die strikte Isolierung von Infizierten und Kontaktpersonen bis zum
vierten Grad sowie geschlossene Grenzen. Als Europa 2020 unter Lockdown
stand, wurde in Vietnam gearbeitet und gefeiert.
Doch die strikten Maßnahmen scheitern, seit die besonders ansteckende
[2][Deltavariante Vietnam erreicht hat]. Dabei trifft Corona das Land nicht
gleichmäßig. Viele Orte sind noch coronafrei. 80 Prozent der Infektionen
betreffen die südliche Neunmillionenmetropole Ho-Chi-Minh-Stadt und ihren
Industriegürtel. Bürgermeister Nguyen Thanh Phong und sein
Gesundheitsdezernent wurden bereits abgesetzt.
In der Stadt gilt seit dieser Woche eine strikte Ausgangssperre. 90 Prozent
der Betriebe mussten die Produktion einstellen. Wo noch gearbeitet wird,
müssen die Mitarbeiter im oder am Werk übernachten. Das führt in
Lebensmittelbetrieben zu Konflikten mit der Hygiene.
Stadtbewohner dürfen ihre Wohnungen nicht einmal mehr zum Einkauf
verlassen. Stattdessen arbeiten geimpfte und regelmäßig getestete Soldaten
Einkaufslisten ab. Sie kontrollieren zugleich die Einhaltung der
Ausgangssperre. Die Regierung gab die militärische Losung aus: „Die
Epidemie zu bekämpfen, bedeutet den Feind zu bekämpfen.“
## Produkte werden teuer
Die Nachfrage nach militärischer Einkaufshilfe ist verhalten. Zum einen,
weil das Einkaufsverbot mit Ansage erfolgte, man sich also rechtzeitig mit
Vorräten eindecken konnte. Zum anderen sind die Waren teuer. Das liegt
daran, dass Bauern und Fischer aus den umliegenden Dörfern nicht mehr in
die Stadt kommen, um ihre Produkte zu verkaufen und stattdessen teure
Importware angeboten wird. Viele Menschen, die keine Arbeit mehr haben,
können sich das nicht leisten. Sozialhilfe gibt es in Vietnam nicht. Die
Regierung hat aber begonnen, Bedürftigen kostenlose Essenspakete zu geben.
Doch die erreichen nicht alle. Youtube-Videos, die von der Zensur nach
kurzer Zeit gelöscht werden, zeigen Menschen mit Schildern und der
Aufforderung, ihnen Essenspakete zu bringen.
Brisant ist auch die Lage der Wanderarbeiter. Seit sie ihre Arbeit verloren
haben, können sie sich die teuren Mieten in Ho-Chi-Minh-Stadt nicht mehr
leisten. Ende Juli kam es deshalb zur Massenflucht von Wanderarbeiter in
ihre Heimatdörfer. Das hat die Regierung dann gestoppt, damit das Virus
nicht in anderen Provinzen gebracht wird. Seitdem gibt es obdachlose
Wanderarbeiter in der Stadt.
## Wohnen auf engstem Raum wird zum Problem
Experten machen die Wohnverhältnisse und das schlechte Gesundheitssystem
dafür verantwortlich, dass sich das Virus trotz aller Kontaktbeschränkungen
verbreiten kann. Die Menschen wohnen meist beengt, oft teilen sich zwei bis
vier Personen ein Zimmer. Hochhäuser verfügen über zentrale Lüftungs- und
Klimaanlagen. Die blasen die Luft von einer Wohnung in die andere. Örtliche
Verwaltungen empfehlen, bei Covidfällen in Wohnblöcken die Klimaanlagen
abzuschalten. Bei Temperaturen um 39 Grad ein wenig praktikabler Vorschlag.
Hoffnung macht, dass die Impfkampagne endlich Fahrt aufnimmt. In Vietnam
sind etwa 15 Prozent der Bevölkerung einmal geimpft, in Ho-Chi-Minh-Stadt
fast 80 Prozent. Das Land hatte 2020 keine Impfstoffe bestellt und auch
lange keine Haushaltsmittel für den Einkauf eingestellt, sondern auf eine
Eigenentwicklung gesetzt. Die ist aber noch in der Testphase.
Internationale Investoren, deren Firmen wegen des Lockdowns derzeit nicht
produzieren können, drängen jetzt westliche Regierungen, Impfstoff zu
liefern. US-Vizepräsidentin Kamala Harris, die gerade zu Besuch in Hanoi
ist, sagte die schnelle Lieferung von einer Million Impfdosen zu.
26 Aug 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Marina Mai
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
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