Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- So klappt's mit Corona-Impfung: Geld oder Leben!
> Die Corona-Infektionszahlen steigen, die Impfkampagne in Deutschland
> lahmt. Was kann helfen? Wir hätten da ein paar Vorschläge.
Bild: Welchen Impfstoff hätten Sie denn gerne? Angebot im Impfzentrum Dresden
FFP2, mRNA, MPK, PCR, AHA, RKI: Etliche Abkürzungen haben wir in den
eineinhalb Jahren der Coronapandemie bereits gelernt. Relativ neu, aber für
die Debatte der nächsten Wochen und Monate unerlässlich sind 3G und 2G.
Ersteres steht hier nicht für die Geschwindigkeit von mobilem Internet,
sondern für: Geimpft, Genesen, Getestet. Letzteres nur für Geimpft und
Genesen.
Beim 2G-Modell würden Ungeimpfte an weiten Teilen des sozialen Lebens nicht
mehr teilnehmen können – der Druck auf sie würde also steigen. Doch dazu
konnte sich die Politik noch nicht durchringen als am Dienstag nach langer
Zeit die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK!) [1][wieder tagte]. Eigentlich
sollte sie das erst Ende August tun, doch weil – dank der ansteckenderen
Deltavariante – die Fallzahlen seit einigen Wochen wieder stark steigen,
wurde die Runde vorgezogen.
Gleichzeitig stockt die Impfgeschwindigkeit. Während im Mai und Juni
täglich bis zu 1,5 Millionen Menschen in Deutschland geimpft wurden, sind
es derzeit nur noch rund 500.000. Gut 56 Prozent der Bevölkerung gelten
offiziell als vollständig geimpft. Kanzlerin Merkel nannte am Dienstag als
Ziel der Impfkampagne „eine Impfquote von 80 bis 85 Prozent der über
12-Jährigen“.
Neben dem Ende der kostenlosen Tests – noch ein Druckmittel für Ungeimpfte
– ab Mitte Oktober beschloss die MPK nun das 3G-Modell. Ab einer Inzidenz
von 35 sollen etliche Veranstaltungen in Innenräumen nur noch Geimpften,
Getesteten und Genesenen offen stehen.
Die Beschlüsse können als Warnschuss gesehen werden. Bayerns
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) machte kurz nach der Sitzung
[2][keinen Hehl daraus], dass er schärfere Maßnahmen begrüßt hätte. „Der
eine oder andere“ wolle vor der Bundestagswahl „nichts Abschließendes
entscheiden“. 2G werde so oder so ab einem bestimmten Zeitpunkt kommen.
Doch ist das wirklich so alternativlos? Welche Anreize fürs Impfen schaffen
andere Staaten, welche Ideen werden bereits umgesetzt?
## Nur mit Pass
In Frankreich zeigt sich aktuell, dass auch sanfter Druck mit einer
umfassenden 3G-Regel wirken kann. Präsident Emmanuel Macron hatte Mitte
Juli den „pass sanitaire“ (Gesundheitspass) angekündigt, der für fast alle
Bereiche des öffentlichen Lebens notwendig ist. In der Nacht nach Macrons
Rede hatten knapp 1 Million Französ:innen einen Impftermin vereinbart.
Ständige Tests waren für den ein oder anderen Unentschlossenen wohl zu
anstrengend. Zumal ab Mitte Oktober auch in Frankreich die Schnelltests
nicht mehr kostenlos sein werden.
Manche Berufsgruppen wie Pflegekräfte, Gastronomiemitarbeitende oder
Feuerwehrleute müssen sich generell impfen lassen, sonst droht Lohnentzug
oder Kündigung. Doch nicht nur die Impfquote ist in die Höhe geschnellt –
auch die Zahl der Menschen auf der Straße, die seit Wochen gegen die
Maßnahmen protestieren.
## Es gibt was umsonst!
Schon vor der Coronapandemie gab es in den USA für den Besuch der
Grippeimpfung Gutscheine. Gegen Covid-19 gibt es je nach Bundesstaat oder
Stadt andere Anreize: Tickets für den Super Bowl, Lizenzen zum Fischen oder
Jagdgewehre. Die Donut-Kette Krispy Kreme verspricht Geimpften einen
kostenlosen Donut – jeden Tag, bis zum Ende des Jahres. Die
Diabetesbehandlung kann man sich dann von der nicht vorhandenen
Krankenkasse bezahlen lassen.
Auch andere Länder werben mit Geschenken um Impfwillige. Eier in China,
Eintopf in Israel, 1.000 Rubel für über 60-Jährige in Russland, ein Besuch
im Folterkeller der Draculaburg in Rumänien, eine Ziege auf der
indonesischen Insel Java oder zwei zusätzliche Urlaubstage für
Staatsbedienstete in Tschechien.
Und Deutschland? In Thüringen wurden neulich vor einem Impfzentrum umsonst
Bratwürste verteilt. Tatsächlich kamen mehr Menschen. Solche Aktionen sind
aber die Ausnahme.
## Ein Sechser im Impflotto
Ein anderer Ansatz ist die Impflotterie. In Polen wurden 31 Millionen Euro
in die Hand genommen, der Hauptgewinn sind knapp 220.000 Euro und ein
Hybridauto; in Ohio gab es bis Juni wöchentlich 1 Million Dollar oder für
Minderjährige die Aussicht auf ein Collegestipendium.
Was verlockend klingt, war aber nicht unbedingt von Erfolg gekrönt: Laut
einer Studie der Boston University konnte ein Effekt der Lotterie nicht
festgestellt werden. Überhaupt sind die Ergebnisse gemischt. Eine Studie
der HU Berlin hat untersucht, ob finanzielle Angebote die Impfbereitschaft
erhöhen: Ab etwa 50 Euro steigert sich der Impfwille von Unentschlossenen
um 5 Prozent. Eine Studie der Uni Erfurt ergab hingegen, dass ein monetärer
Anreiz keinen Unterschied macht.
## Das Private ist politisch
Was die deutsche Politik mit Blick auf die Bundestagswahl noch nicht
beschließen will, setzt in einigen Bereichen jetzt die Privatwirtschaft um.
So hat etwa der 1. FC Köln angekündigt, ab dem zweiten Heimspiel der Saison
auf 2G zu setzen. Nur negativ getestet kommt keiner mehr ins Stadion.
Geschäftsführer Alexander Wehrle sagte: „Ein Impfzwang ist nicht das Ziel�…
aber auch: „Natürlich wollen wir dabei helfen, die Impfquote weiter zu
erhöhen.“
Welche der Kölner Karnevalisten sich ab dem 11. 11. vergnügen dürfen, ist
noch nicht klar. In Düsseldorf ist man weiter: „Wir werden zu unseren
Veranstaltungen keinen Eintritt gewähren, wenn lediglich ein negativer
Coronatest vorliegt“, sagte der Geschäftsführer des Comitees Düsseldorfer
Carneval, Hans-Jürgen Tüllmann, der Rheinischen Post. Man wolle so auch
dazu aufrufen, sich impfen zu lassen.
## Die Pflicht zum Piks
Von der Bundesregierung kamen bislang wenig Ideen. Die Impfkampagne in
Deutschland besteht vor allem aus Werbeplakaten mit Uschi Glas und Günther
Jauch. Der Rest wird Ländern und Kommunen überlassen.
Mit gut 56 Prozent Vollgeimpften steht Deutschland nicht schlecht da, doch
Länder wie Dänemark, Portugal und Spanien sind mit über 63 Prozent
deutlich weiter. Wobei an den offiziellen Zahlen des RKI Zweifel aufkamen.
Während die Erstimpfungen unter den 18- bis 59-Jährigen hier aktuell bei 59
Prozent liegen, ergab eine Umfrage eine Quote von 79 Prozent. Die Wahrheit
liegt wohl irgendwo dazwischen, da die Befragten eine überdurchschnittliche
Impfbereitschaft zeigten.
Aufgrund der Deltavariante haben Experten die Hoffnung auf eine
Herdenimmunität aufgegeben. Jetzt gilt es, dass sich so viele wie möglich
impfen lassen, um schwere Verläufe, Todesfälle und eine Überlastung des
Gesundheitswesens zu verhindern. Hilft also zum Schluss doch nur eine
Impfpflicht? Bislang gibt es die nur in Ländern wie Tadschikistan,
Turkmenistan und dem Vatikan; in Frankreich, Italien und Griechenland für
bestimmte Berufsgruppen.
In Deutschland wäre eine Impfpflicht nichts Neues: In der DDR galt sie bei
zig Erkrankungen, zum Teil auch in der Bundesrepublik – etwa bei der
Pockenimpfung zwischen 1949 und 1975. Seit letztem Jahr ist die
Masernimpfung Pflicht für Gruppen wie Kindergartenkinder, Beschäftigte im
Gesundheitswesen oder Geflüchtete, die in Gemeinschaftsunterkünften wohnen.
Der Aufschrei blieb vergleichsweise leise.
Für die Corona-Impfung hat sich die Bundesregierung diesen Weg verbaut. Sie
erklärt seit Monaten, dass es keine Impfpflicht geben wird. Ob ein solcher
Zwang rechtlich überhaupt Bestand hätte, ist nicht geklärt. Die
Masern-Impfpflicht liegt aktuell beim Bundesverfassungsgericht. Die Devise
lautet also weiterhin: Das Leben soll ohne die Impfung einfach unangenehmer
werden.
14 Aug 2021
## LINKS
[1] /Bund-Laender-Runde-zur-Pandemie/!5792998
[2] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/soeder-2g-101.html
## AUTOREN
Julia Weinzierler
Paul Wrusch
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Covid-19
GNS
Impfung
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Boris Johnson
Schwerpunkt Coronavirus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die These: Die Impfpflicht muss endlich her
Unser Autor war lange gegen eine Impfpflicht. Doch angesichts der immer
noch viel zu schlechten Impfquote geht ihm so langsam die Geduld aus.
NRW vor Schulstart über Bundesschnitt: Coronazahlen steigen weiter
Deutschlandweit steigen die Coronazahlen. Trotzdem verabschieden sich immer
mehr Bundesländer von der Inzidenz als zentralem Richtwert.
Impfungen gegen Corona: Hochrisikogebiet Deutschland
Israel und andere Länder als Hochrisikogebiete zu brandmarken führt in die
Irre. Die Lage in Deutschland ist nicht sicherer als andernorts.
China kämpft wieder gegen Coronavirus: Ausnahmezustand im Megahafen
Die chinesische Regierung schließt ein Terminal im umschlagstärksten Hafen
der Welt. Der Grund: Ein einziger Arbeiter ist mit Corona infiziert.
Aktuelle Nachrichten in der Coronakrise: Lob und Kritik für Test-Beschluss
Schnelltests werden für Ungeimpfte ab Herbst kostenpflichtig – nicht alle
finden das gut. Das RKI meldet so viele neue Coronafälle wie schon lange
nicht mehr.
Zwischen Pandemie und Endemie: Das Virus wird bleiben
Das Spahn-Ministerium sagt, dass wir uns im Übergang von einer Pandemie zu
einer Endemie befinden – und bald die Normalität zurückkehrt. Doch stimmt
das?
Aktuelle Nachrichten in der Coronakrise: Einreise in USA nur mit Impfung?
Die US-Regierung plant wohl, nur noch Geimpfte ins Land zu lassen. Die SPD
ist gegen Extraregeln für Ungeimpfte. Japan verschärft Einschränkungen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.