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# taz.de -- Coronalage in Deutschland: Keine Panik, trotzdem Vorsicht
> Die Inzidenz steigt wieder rasant, die Zahl der
> Coronapatient:innen in den Krankenhäusern etwas langsamer. Was das
> heißt und wo wir stehen.
Bild: Eine Mitarbeiterin desinfiziert Audioguides im Pergamon-Museum in Berlin
Die Temperaturen gehen zurück, die Inzidenz steigt wieder. Allein am
Donnerstag meldete das Robert-Koch-Institut [1][binnen 24 Stunden 8.400
Coronaneuinfektionen]. Der 7-Tage-Mittelwert liegt damit um 61 Prozent
höher als noch vor einer Woche. Auch die Zahl der Coronapatient:innen in
den Krankenhäusern nimmt wieder zu.
Zugleich wird eifrig gelockert. Restaurants, Kneipen und selbst Clubs
öffnen ihre Innenräume. In Berlin sind Veranstaltungen mit bis zu 25.000
(!) Teilnehmer:innen erlaubt. Wer nicht bereits genesen oder
vollständig geimpft ist, muss offiziell zwar einen Test vorlegen. Doch
vielerorts wird nicht einmal das geprüft – zudem schließen immer mehr
Testzentren. Selbst so simple Maßnahmen wie Abstandhalten und Masketragen
werden oft nicht mehr eingehalten.
Und die Politik? Abgesehen von Plädoyers, alle noch Ungeimpften mögen sich
doch endlich die zwei Pikser geben lassen – dazu gibt es auch kostenlos
eine Bratwurst –, scheint ihr Motto zu lauten: Bloß schnell Alltag
einkehren lassen. Dem mag auch keiner widersprechen.
Denn nach nichts sehnt sich die Mehrheit mehr als nach dem Leben wie in
Vor-Corona-Zeiten. Und wer ist schon freiwillig der Spielverderber?
Kanzlerkandidat Laschet, derzeit noch Ministerpräsident von
Nordrhein-Westfalen, erklärte bereits, Inzidenzwerte seien für ihn nicht
mehr maßgeblich. Doch auch wer die Coronagefahr ernst nimmt, fragt sich: Wo
stehen wir eigentlich? Wie verhalte ich mich angemessen? Was droht im
Herbst?
## Trügerische Hoffnung
Die gute Nachricht: Impfen wirkt. Trotz Meldungen über Impfdurchbrüche –
also über doppelt Geimpfte, die sich dennoch anstecken und auch erkranken –
ist die Wirksamkeit der hierzulande verwendeten Impfstoffe selbst bei der
sehr viel ansteckenderen Deltavariante hoch. Krankenhauseinweisungen von
Menschen mit Durchbruchinfektionen machen nach bisherigem Kenntnisstand
weniger als 1 Prozent der Immunisierten aus. Das ist extrem wenig. Wer also
geimpft ist, kann entspannt im Biergarten sitzen und muss keine schwere
Covid-19-Erkrankung befürchten.
Auch Auffrischungsimpfungen werden nach bisherigem Wissensstand für die
Mehrheit nicht nötig sein. Zwar weiß man inzwischen, dass nach einem halben
Jahr das Antikörperlevel sinkt. Charité-Virologe Christian Drosten
empfiehlt eine Auffrischung im Herbst aber erst mal nur für alte Menschen
sowie bestimmte Risikogruppen. Alle anderen brauchen eine solche
Auffrischung zunächst nicht.
Was die Situation auf jeden Fall auch anders macht als noch im Frühjahr:
Mehr als 58 Prozent der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger sind inzwischen
vollständig geimpft, weitere 5 Prozent stehen kurz davor. Seit der
[2][Stiko-Empfehlung] der vergangenen Woche, mRNA-Impfstoffe auch an
Jugendliche zu verimpfen, hat auch in dieser Altersgruppe die
Impfbereitschaft deutlich zugenommen. Das heißt: Eine Inzidenz von 50 ist
damit nicht mehr ganz so dramatisch wie noch zu Beginn des Jahres, als kaum
einer geimpft war und für jeden fünften Hochbetagten eine Infektion tödlich
verlief.
Und trotzdem: Die Annahme, dass die bereits begonnene nächste Welle das
Gesundheitssystem nicht bald schon wieder an Belastungsgrenzen bringen
werde, könnte sich als trügerisch erweisen. Rund 40 Prozent der Bevölkerung
sind hierzulande noch nicht vollständig geimpft, das sind fast 30
Millionen. Und angesichts der ansteckenderen Deltavariante und der
Tatsache, dass Geimpfte zwar sehr viel weniger schwer erkranken, aber sehr
wohl unentdeckt das Virus weitertragen können, wären die Krankenbetten
dann doch rasch wieder alle belegt. Jeder, der dann – egal ob wegen Covid
oder wegen etwas anderem – eine Krankenhausbehandlung benötigt, wäre von
der Überlastung der Krankenhäuser unmittelbar betroffen.
## Eine Pandemie lässt sich nur weltweit bekämpfen
Und warum es letztendlich auch weiterhin wichtig bleibt, die
Infektionszahlen niedrig zu halten: Die wahrscheinlich größte Gefahr droht
uns mit neuen Mutationen, die die Immunabwahr durch den bestehenden
Impfschutz möglicherweise doch komplett umgehen könnten. Und je höher die
Fallzahlen sind, desto größer ist auch die Gefahr, das genau das passiert.
Das Virus könnte dann auch für die Geimpften wieder lebensgefährlich
werden.
Umso wichtiger ist es daher, die hierzulande nicht verwendeten Impfdosen
auf keinen Fall zu horten, womöglich gar wegzuschmeißen, sondern rasch an
die Länder weiterzureichen, wo [3][Impfstoffknappheit] herrscht. Und das
ist in den meisten Ländern der Welt der Fall. Eine Pandemie lässt sich eben
nur weltweit bekämpfen. Oder, wie es der WHO-Nothilfekoordinator Mike Ryan
formuliert: Menschen eine Auffrischimpfung anzubieten ist so, als würde man
Menschen mit Rettungswesten noch eine weitere Weste dazugeben – während
viele Millionen sich ohne jegliches Hilfsmittel über Wasser halten müssen.
Was der Herbst und der Winter aufgrund dieser unsicheren Entwicklungen
bringen wird, kann niemand seriös beantworten. Es bleibt zu wiederholen:
Impfen hilft. Nicht zuletzt angesichts der ökonomischen und sozialen
Verwerfungen, die ein weiterer Lockdown mit sich bringen würde, sollte die
Einführung einer Impflicht kein Tabu mehr sein.
19 Aug 2021
## LINKS
[1] /Aktuelle-Nachrichten-in-der-Coronakrise/!5794617
[2] /Impfempfehlung-der-Stiko/!5789625
[3] /Covid-Vakzin-in-Afrika/!5794531
## AUTOREN
Felix Lee
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