# taz.de -- Stark steigende Emissionszahlen: Klima-Erfolg nur wegen Corona | |
> 2020 hat Deutschland sein Klimaziel erreicht. 2021 werden die | |
> CO2-Emissionen so stark steigen wie noch nie seit der Erfassung. | |
Bild: So viel Wind war in diesem Jahr nur selten – auch darum steigen die Emi… | |
BERLIN taz | Die CO2-Emissionen werden in Deutschland in diesem Jahr | |
voraussichtlich um 47 Millionen Tonnen steigen – und damit so stark wie | |
noch nie seit ihrer systematischen Erfassung im Jahr 1990. Davor warnte der | |
Thinktank Agora Energiewende am Montag nach einer [1][Auswertung der | |
Zahlen] des ersten Halbjahrs 2021. | |
Ganz so dramatisch, wie diese Nachricht klingt, ist sie aber nicht – denn | |
der Anstieg ist vor allem deswegen so stark, weil die Emissionen im | |
vergangenen Jahr besonders stark gefallen waren. Das lag zum einen am | |
coronabedingten Rückgang im Industrie- und Verkehrssektor, zum anderen an | |
überdurchschnittlich starkem Wind und niedrigen Gaspreisen, die die | |
Wettbewerbsfähigkeit von Kohlekraftwerken verringerten. Weil der Rückgang | |
im Jahr 2020 mit 70 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten noch deutlich stärker | |
ausfiel als der für dieses Jahr erwartete Anstieg, ergibt sich im Vergleich | |
zu 2019 weiterhin ein Rückgang. | |
Dieser reicht aber nicht annähernd aus, um das deutsche Klimaziel zu | |
erreichen. Das sah für 2020 einen Rückgang der Emissionen um 40 Prozent im | |
Vergleich zum Bezugsjahr 1990 vor, was aufgrund von Corona und starkem Wind | |
[2][überraschend erreicht worden] war. Doch durch den starken Anstieg in | |
diesem Jahr, der neben dem Wieder-Erstarken der Wirtschaft nach der | |
Coronakrise auch am windarmen und kalten Frühjahr sowie an höheren | |
Gaspreisen lang, werden 2021 nur rund 37 Prozent Rückgang im Vergleich zu | |
1990 erreicht. | |
„Das zeigt: Der vermeintliche Erfolg im letzten Jahr war kein wirksamer | |
Klimaschutz, sondern eine Eintagsfliege“, kommentierte Agora-Direktor | |
Patrick Graichen. „Daher braucht es jetzt das größte | |
Klimaschutz-Sofortprogramm, das es in der Bundesrepublik je gegeben hat.“ | |
Verfehlt werden die Ziele der Agora-Prognose zufolge voraussichtlich in den | |
Sektoren Gebäude, Verkehr und Industrie; im Energiesektor und in der | |
Landwirtschaft werden die – vergleichsweise wenig ambitionierten – Ziele | |
dagegen erreicht. | |
Auch andere Umwelt- und Branchenverbände fordern als Konsequenz aus den | |
steigenden Emissionen schnelles Handeln. Simone Peter, Präsidentin des | |
Bundesverbands Erneuerbare Energien, dringt auf ein Beschleunigungspaket, | |
„das Hürden und Hemmnisse in Gesetzen sowie bei Flächen und | |
Genehmigungsbereitstellung beseitigt“, um den Ausbau deutlich zu | |
beschleunigen. Kai Niebert vom Umwelt-Dachverband DNR verlangt: „Fünf | |
Wochen vor der Bundestagswahl muss die Bundesregierung nun aus dem | |
Sommerloch an den Verhandlungstisch zurückkehren und die Sphäre des | |
Ungefähren und Unkonkreten hinter sich lassen.“ | |
Doch damit ist nicht zu rechnen. Zwar sieht das neue Klimaschutzgesetz vor, | |
dass die zuständigen Ministerien ein Sofortprogramm vorlegen müssen, wenn | |
in Sektoren in ihrem Zuständigkeitsbereich die Klimaziele verfehlt werden. | |
Aber für die aktuellen Überschreitungen gilt das erst im nächsten Frühjahr, | |
wenn die Werte für das ganze Jahr 2021 vorliegen und ausgewertet wurden. | |
## „Sofortprogramm“ nur für Gebäude | |
Aktuell gibt es ein solches „Sofortprogramm“ nur für den Gebäudesektor. | |
Denn dort war das Klimaziel auch schon 2020 verfehlt worden, sodass das | |
Klimaschutzgesetz nun zum Handeln zwingt. Die zuständigen Minister Horst | |
Seehofer (Inneres, CSU) und Peter Altmaier (Wirtschaft, CDU), wollen darum | |
mehr Geld für effiziente Gebäude zur Verfügung stellen: Das dafür | |
aufgelegte Bundesprogramm, aus dem im ersten Halbjahr laut | |
Bundeswirtschaftsministerium bereits 6,1 Milliarden Euro für | |
klimafreundliche Heizungen und Gebäudedämmung bewilligt wurden, soll um | |
weitere 5,8 Milliarden Euro aufgestockt werden. | |
Einigkeit besteht darüber aber noch nicht, denn das SPD-geführte | |
Umweltministerium hält das für nicht ausreichend. Auch bei Umsetzung des | |
Sofortprogramms würden die Emissionen in den kommenden Jahren über den | |
zulässigen Mengen liegen, warnt Staatssekretär Jochen Flasbarth in einem | |
Schreiben an die zuständigen Ministerien. | |
Darin verweist er auf weitergehende Vorschläge des Umweltministeriums, die | |
[3][von der Union abgelehnt] worden waren. Dazu gehörten unter anderem eine | |
Solarpflicht für Neubauten und eine Beteiligung der Vermieter am CO2-Preis | |
fürs Heizen. Im Expertenrat, der die Sofortprogramme für die | |
Bundesregierung bewerten soll, gibt des dem Vernehmen nach ebenfalls | |
Vorbehalte gegen die Pläne von Innen- und Wirtschaftsministerium. | |
Kritik kommt auch von den Grünen. „Mehr Geld für Gebäudesanierung allein | |
macht noch keinen Klimaschutz“, erklärte die energiepolitische Sprecherin | |
Julia Verlinden. Entscheidend sei, wo genau die Fördermittel eingesetzt | |
werden. Statt sich auf die Sanierung von Bestandsgebäuden zu konzentrieren, | |
gebe die Regierung auch viel Geld für Neubauten aus, bei denen die | |
Klimaschutzstandards auch ohne Förderung festgelegt werden könnten. | |
16 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.agora-energiewende.de/presse/neuigkeiten-archiv/deutschland-ste… | |
[2] /Auswirkungen-der-Coronakrise/!5759316 | |
[3] /Streit-um-Solardachpflicht/!5777452 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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