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# taz.de -- Petition der Woche: Rettet den Gockel!
> Wann ist ein Dorf noch ein Dorf? Eine Petition fordert, den Sound des
> Landlebens als kulturelles Erbe zu schützen. Auslöser ist der Fall „Hahn
> Flecko“.
Bild: Ein Wetterhahn gehört genauso ins Dorf wie ein echter Hahn – inklusive…
Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich schon mal die Stimmung in der
Nachbarschaft. So war es zumindest bei Silvia Stengel im Stadtteil Marxheim
im hessischen Hofheim am Taunus. Sie hat vor drei Jahren einen anonymen
Brief bekommen: „Wir wollen Ruhe! Die Nachbarschaft“. Der Brief stammte von
einem benachbarten Ehepaar, denen das Krähen von Stengels Hahn Flecko zu
laut war.
Stengel reagierte, doch weder ein neuer Stall mit Schalldämmung noch ein
elektrisches Tor, das den Hahn erst morgens um neun Uhr nach draußen ließ,
konnten die Nachbarn besänftigen. Sie zogen gegen Stengel und ihren Mann
vor Gericht.
## Dreijähriger Streit
Es folgte ein dreijähriger Streit, an dessen Ende die Klage zurückgezogen
wurde – von den Nachbarn selbst. Sie hatten gemessen und festgestellt, dass
die Lautstärke des Hahns nicht ausreicht, um den Fall für sie zu
entscheiden.
Der Fall „Hahn Flecko“ war damit abgeschlossen, doch wenig später ging in
Marxheim eine neue Beschwerde wegen Lärmbelästigung ein, diesmal beim
Ortsbeirat. Die neuen Eigentümer einer Penthousewohnung beklagten sich,
dass das Läuten der Kirchenglocken zu laut sei. Der Fall landete nicht vor
Gericht, doch er ließ die Frage aufkommen, wie der dörfliche Charakter von
Marxheim mit allen dazugehörigen „Emissionen“ auch ohne Gerichtsverfahren
erhalten werden kann.
Stengel, selbst Mitglied des Beirats und stellvertretende Ortsvorsteherin,
initiierte privat eine Petition: [1][Ortsübliche Emissionen des Landlebens
als kulturelles Erbe schützen.] 50.000 Unterschriften werden benötigt,
damit die Forderung bei den Kultusministerien der Länder und beim Ausschuss
für Kultur und Medien des deutschen Bundestages vorgelegt werden kann.
Innerhalb kürzester Zeit entstand ein Team von rund zehn Personen, die die
Petition bis heute betreuen.
Ziel der Petition ist es, einem französischen Beispiel zu folgen. Dort ist
im Januar ein Gesetz verabschiedet worden, das das sinnliche Erbe der
Landschaft unter Schutz stellt. Ein [2][ähnliches Gesetz] gibt es auch in
Deutschland, es sieht vor, dass ortsübliche und unwesentliche Emissionen zu
erdulden sind. Die Entscheidung, was ortsüblich ist, muss allerdings vor
Gericht getroffen werden. Präzedenzfälle gibt es nicht, jede Klage ist eine
Einzelfallentscheidung.
## Bestandschutz für den Dorfcharakter
Für Stengel ist das nicht ausreichend. Durch die Urbanisierung verändern
sich ländliche Gebiete, umliegende Dörfer verstädtern. Diesen Trend gibt es
auch in Marxheim. Stengel plädiert dafür zu thematisieren, wie es früher in
einem Dorf war. Ein Bestandsschutz für den Dorfcharakter müsse gesetzlich
verankert werden.
Das Quorum von 50.000 Unterschriften wurde vergangene Woche erreicht. Am
Ziel sei man damit aber nicht, sagt Stengel. „Die Petition zeigt das
Problem auf, doch für die Umsetzung braucht es die Politik“. Darauf hofft
das Team um Stengel. Spätestens im Herbst, wenn es eine neue
Bundesregierung gibt, wollen sie die Petition einreichen, bis dahin kämpfen
sie weiter für Stimmen.
Am Ende des Petitionstextes steht die Frage: Wo sollen denn Hähne krähen,
Glocken läuten und Misthaufen qualmen dürfen? Eine zumindest vorläufige
Antwort ist: in Marxheim. Da darf Hahn Flecko wieder krähen, so wie die
anderen sechs Hähne in der Nachbarschaft.
8 Aug 2021
## LINKS
[1] https://www.openpetition.de/petition/online/ortsuebliche-emissionen-des-lan…
[2] https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__906.html
## AUTOREN
Maike Schulte
## TAGS
Petition der Woche
Dorfleben
Urbanisierung
Landwirtschaft
Emissionen
Wirtschaftsweisen
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Plastik
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