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# taz.de -- Schwangerschaftsabbruch in Bremen: Abtreibung nach alter Schule
> Bei Schwangerschaftsabbrüchen wird in Bremen vor allem auf Absaugungen
> gesetzt. Den medikamentösen Abbruch gibt es hier unterdurchschnittlich
> selten.
Bild: Abtreibungen werden oft unter Narkose durchgeführt. Beim medikamentösen…
Bremen taz | Keine OP, keine Narkose: Der Schwangerschaftsabbruch über
Medikamente gilt vielen als schonendere Variante einer Abtreibung. In
Bremen ist sie aber kaum verbreitet: Nur knapp 17 Prozent der Abtreibungen
werden im kleinsten Bundesland durch Medikamente eingeleitet; das steht in
einer aktuellen Antwort des Senats auf eine Anfrage der SPD.
Der [1][Trend geht dabei in Richtung Medikament], auch in Bremen. Noch 2015
hatten hier [2][nur sechs Prozent der Schwangerschaftsabbrüche]
medikamentös stattgefunden, der Anteil hat sich also fast verdreifacht.
Aber noch immer hinkt Bremen hinterher: Deutschlandweit ist die Quote von
22 Prozent im Jahr 2015 auf jetzt 32 Prozent gestiegen.
Der medikamentöse Abbruch wird in den meisten Fällen mit dem Wirkstoff
Mifepriston vorgenommen. Das künstliche Hormon wirkt dabei dem
Schwangerschaftshormon Progesteron entgegen und sorgt dafür, dass der
Embryo aus der Gebärmutterschleimhaut herausgelöst wird.
In einem zweiten Schritt müssen die Schwangeren dann ein bis zwei Tage
später ein weiteres Medikament einnehmen: Prostaglandin weicht den
Muttermund auf und löst Wehen aus; meist innerhalb von drei Stunden wird
der Embryo dann unter Blutungen ausgestoßen. Fast immer reicht das aus. Nur
in zwei bis fünf Prozent der Fälle muss im Anschluss die Prozedur noch
einmal wiederholt oder noch eine Ausschabung oder Absaugung vorgenommen
werden.
## Ärzt*innen fehlt teils das Wissen
Warum in Bremen so wenige Abbrüche über Medikamente eingeleitet werden, ist
unklar. „Die Zahlen sind auch aus Sicht der SGFV (Senatorin für Gesundheit,
Frauen und Verbraucherschutz) auffällig“, heißt es [3][in der Antwort auf
die große Anfrage der SPD.] Das Ressort würde den Anteil gern steigern und
hat schon 2020 einen Austausch mit Pro Familia begonnen, „mit dem Ziel, den
medikamentösen Abbruch bekannter zu machen und Ärzt:innen gezielt zu
diesem Thema zu informieren“.
Dass mangelndes Wissen verantwortlich sein kann für die geringe Quote, hält
auch die Vorsitzende des Berufsverbands der Frauenärzte in Bremen, Kerstin
Schwarzer, durchaus für möglich. „Das Vorgehen bei einem
Schwangerschaftsabbruch wird nicht automatisch im Rahmen der
Facharztausbildung gelehrt“, schreibt sie. Der operative Eingriff gleiche
aber anderen Eingriffen, die Ärzt*innen in der Ausbildung lernen. „Das
Vorgehen beim medikamentösen Abbruch muss sich dagegen jede/r selber
komplett neu erarbeiten.“
## In Berlin ist der Abbruch mit Medikamenten verbreitet
Wie es anders gehen könnte, zeigt ein Blick nach Berlin. Der Stadtstaat ist
Spitzenreiter bei medikamentösen Abbrüchen: Knapp 48 Prozent laufen dort
auf diese Art ab. Gründe dafür gibt es mehrere. Neben der besseren
Aufklärung nennt eine Beraterin des [4][Familienplanungszentrums Balance in
Berlin] einen weiteren wichtigen Punkt: In Berlin sind die Ärzt*innen
dazu übergegangen, ihren Patient*innen [5][einen Teil der Verantwortung
zu Hause] zuzutrauen.
Als Nachteil der „Abtreibungspille“ Mifepriston gilt etwa der Techniker
Krankenkasse noch, dass sie insgesamt vier Arztbesuche erfordert. In Berlin
aber wird der zweite Wirkstoff, das Prostaglandin, den Schwangeren nach der
Voruntersuchung direkt mitgegeben. Sie nehmen den Wirkstoff selbstständig
nach 36 bis 48 Stunden ein. Vorgeschrieben ist dann nur noch ein zweiter
Arzttermin zur Nachuntersuchung.
Möglich wäre das eventuell auch in Bremen. Bisher aber, so Schwarzer,
zögerten viele Ärzt*innen noch – immerhin hätten die deutschen und die
internationalen Fachgesellschaften unterschiedliche Empfehlungen zur
Anwendung der Medikamente zu Hause abgegeben.
„Es ist nicht automatisch gesagt, dass in allen Fällen ein medikamentöser
Abbruch besser für die Frau ist“, betont Schwarzer. Dass mehr Ärzt*innen
in der Lage sind, Schwangeren das Angebot zu machen, das will aber auch
sie. Fortbildungen des Berufsverbands sollen dabei helfen. Bis alle
ausgebildet sind, kann es noch etwas dauern: Die letzte Fortbildung gab es
im Mai 2020, im November soll ein weiterer Workshop stattfinden.
22 Aug 2021
## LINKS
[1] /Zahl-der-Schwangerschaftsabbrueche-2018/!5576928
[2] https://www.gbe-bund.de/gbe/pkg_olap_tables.prc_set_hierlevel?p_uid=gast&am…
[3] https://www.bremische-buergerschaft.de/dokumente/wp20/land/drucksache/D20L1…
[4] https://www.fpz-berlin.de/
[5] /Britische-Aerztin-ueber-Abtreibungen/!5760130
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
## TAGS
Bremen
Schwerpunkt Abtreibung
Schwangerschaft
Gynäkologie
Frauenkörper
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