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# taz.de -- Wahlkampfstrategie der FDP: Lindners vergiftetes Angebot
> Ihr euer Klimaschutzministerium, ich die Finanzen? Die Grünen spotten
> über eine Jamaika-Offerte von FDP-Chef Christian Lindner.
Bild: FDP-Chef Christian Lindner im Wahlkampf in Binz, einem Seebad auf Rügen …
Berlin taz | Christian Lindner überbrachte sein vergiftetes Angebot in der
FAS: „Käme es zu einer Jamaika-Koalition, dann würde die FDP Wert darauf
legen, den Finanzminister zu stellen“, sagte der FDP-Chef. Und fügte hinzu:
„Ein Klima- und Umweltministerium würden dann vermutlich die Grünen
beanspruchen.“ Was für ein Zufall. Die Grünen-ChefInnen Annalena Baerbock
und Robert Habeck hatten just ein aufgewertetes [1][Klimaschutzministerium]
gefordert.
Lindners Vorstoß ist ungewöhnlich. Andere SpitzenkandidatInnen halten sich
mit Koalitionsaussagen zurück, wissend, dass die Mehrheitsverhältnisse nach
der Wahl unübersichtlich werden. Unkonventionell ist auch, sieben Wochen
vor einer Wahl Ressorts gedanklich zu verteilen – die werden erst ganz am
Ende von Koalitionsverhandlungen festgelegt. Dass Lindner gegen solch
ungeschriebene Gesetze verstößt, gehört zu seinem Plan.
Sein Ziel ist einfach: Die FDP soll unbedingt Teil der nächsten Regierung
sein. Lindner hat die Zuschreibung des Drückebergers satt. Er und seine FDP
wurden jahrelang für die überraschende Weigerung verspottet, im Jahr 2017
einem Jamaika-Bündnis mit Union und Grünen beizutreten („Es ist besser,
nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“).
Dieses Mal soll es anders laufen. Zu Lindners Strategie gehört auch, einen
Lagerwechsel zu vermeiden. Der starke Mann der FDP hat wenig Lust auf ein
Ampelbündnis mit SPD und Grünen. Intern soll er nach Medienberichten
bereits ausgeschlossen haben, eine Kanzlerin Baerbock ins Amt zu wählen.
## Ein offensives Wünsch-dir-was
Auch eine Ampel unter einem Kanzler Olaf Scholz wäre für die FDP schwer zu
argumentieren. Während die Liberalen für Steuersenkungen für Gutverdiener
kämpfen und zum Beispiel den Solidaritätszuschlag für die obersten 10
Prozent abschaffen wollen, werben SPD und Grüne für eine Vermögensteuer und
einen höheren Spitzensteuersatz – [2][Teufelszeug für die FDP]. Bleiben
Lindners Lieblingsvarianten, Optionen mit der Union, Schwarz-Gelb oder
Jamaika.
Deshalb betreibt Lindner seit Wochen Politik als selbsterfüllende
Prophezeiung. Er tut so, als sei ein Sieg der Union geradezu
unausweichlich. Vor zwei Wochen sagte er im ARD-Sommerinterview, dass die
Bundestagswahl im Grunde entschieden sei, dass nämlich CDU-Kandidat Armin
Laschet ins Kanzleramt einziehen werde. Die Frage sei nur noch, wer
wichtige Rollen einnehme und etwa Finanzminister werde. Lindner erklärte
seine Bereitschaft – und fügte sicherheitshalber hinzu, dass er für eine
Ampel keine reelle Chance sehe.
Lindner fährt mit dem Kurs des offensiven Wünsch-dir-was erfolgreich. Seine
FDP liegt in Umfragen bei 12 bis 13 Prozent. Sie dürfte von liberalen
Unions-WählerInnen profitieren, die von Laschet nicht überzeugt sind – oder
die Angst vor Schwarz-Grün haben. Auch in der Coronapandemie machte die FDP
phasenweise eine gute Figur, indem sie Bürger- und Freiheitsrechte
hochhielt, ohne in Populismus abzudriften. Es ist also Lindners ureigenes
Interesse, die Wahl zu einer Entscheidung Jamaika gegen Ampel zu
stilisieren.
Bei den Grünen kam sein Werben naturgemäß schlecht an. „Das Letzte, was
unser Land braucht, ist ein FDP-Finanzminister“, twitterte der
Europaabgeordnete Rasmus Andresen. „To be very clear: Mit gelb-schwarzer
Kaputtsparpolitik wird es keine gute Klimapolitik geben.“ Lindner bringe
sich für Posten ins Spiel, weil er inhaltlich keine Ideen für eine
klimagerechte Finanzpolitik habe.
## „Ein dolles Angebot“, lästert Jürgen Trittin
Ex-Minister Jürgen Trittin nannte Lindners Vorschlag ironisch ein „dolles
Angebot“ an die Grünen. „Lindner, der mitten in der Klimakrise und Corona
für Mindereinnahmen von gut 90 Milliarden Euro kämpft, als
Finanzminister?“, fragte Trittin. „Für ihn gilt zu Recht: ‚Lieber nicht
regieren, als schlecht regieren.‘“ Die Grünen-Spitze äußerte sich auf
taz-Anfrage nicht zu Lindners Vorstoß. Sie hält sich alles offen – und will
den FDPler nicht aufwerten.
Manche bei den Grünen hoffen auf eine grüne Ampel unter einer Kanzlerin
Baerbock. Sie spekulieren darauf, die FDP in eine unangenehme Lage zu
bringen. Wenn es nach der Wahl im September für Schwarz-Grün und für eine
Ampel reicht, steckte Lindner in der Klemme. Er könnte mit Baerbock
regieren – oder mal wieder gar nicht.
8 Aug 2021
## LINKS
[1] /Gruenen-wollen-Prioritaet-fuer-Klimaschutz/!5789377
[2] /Spenden-an-die-FDP/!5779431
## AUTOREN
Ulrich Schulte
## TAGS
Christian Lindner
FDP
Bündnis 90/Die Grünen
Jamaika-Koalition
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Ampel-Koalition
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Annalena Baerbock
SPD-Basis
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