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# taz.de -- Klettern als olympische Disziplin: In die Zukunft gekraxelt
> Klettern darf sich zum ersten Mal als olympische Sportart präsentieren.
> Besonders auffallend: die Kollegialität unter den Konkurrenten.
Bild: Cool am Kunstfels: Der 18-jährige Alberto Ginés López klettert allen d…
Tokio taz | Was war denn da los? Lautstarker Jubel war nach dem letzten
Kletterer im Aomi Urbans Sports Park zu vernehmen. Die Kletterer haben bei
ihrer Olympiapremiere in Tokio viele neue exklusive Freunde gewonnen. Mit
etwa 500 Zuschauern, die sich aus dem erlesenen Funktionärskreis der
„olympic family“, Teammitgliedern und Volunteers zusammensetzen, gehörte
dieses Finale zu den bestbesuchten dieser Pandemiespiele.
Entzückt war das Publikum zum Abschluss vom Österreicher Jakob Schubert,
der vom 7. Platz nach zwei Disziplinen bei seinem letzten Auftritt noch auf
einen Bronzerang hochgekletter war. Dass Klassements auf diese Weise
durcheinandergewirbelt werden können, gehört auch zum Faszinosum dieses
neuen olympischen Sports. Der erst 18-jährige Spanier Alberto Ginés López
beeindruckte vor allem mit Nervenstärke und holte sich von Platz vier aus
noch die Goldmedaille. Silber ging an den US-Amerikaner Nathaniel Coleman.
Angefangen hatte im Finale um die Medaillen des Combined-Wettbewerbs alles
mit irrwitzigem Tempo im Speed-Klettern. Schnelligkeit geht an der
senkrechten 15 Meter hohen Wand eindeutig vor Kunstfertigkeit. Für Künstler
unter den Kletterern wie den fünffachen tschechischen Weltmeister Adam
Ondra ist diese ungeliebte Pflichtübung eigentlich etwas zu affig. Es ist
eben ein Kompromiss, den man eingehen musste, damit das Klettern erstmals
olympisch werden konnte, weil nur ein Wettbewerb zugelassen werden sollte.
So einigte man sich auf die Combined-Version aus Speed, [1][Bouldern] und
Lead.
„Es fühlt sich ein wenig so an, wie wenn die anderen 100 Meter früher
starten dürften, weil für dieses [2][Speed Climbing] bin ich wirklich nicht
talentiert“, hat Ondra in Tokio geklagt. Der Glücklichste unter den sieben
Finalisten nach dem Speed-Wettbewerb war aber eindeutig der 28-jährige
Routinier Ondra. Ausgerechnet im olympischen Finale stellte Ondra eine
Bestmarke nach der anderen auf und belegte einen für ihn sensationellen 4.
Platz. Die Sprintkletterstrecke bewältigt er schon im ersten Versuch in
persönlicher Rekordzeit. Und einmal Selbstvertrauen an der Wand gefasst,
toppte er beim Wettklettern gegen seine Finalkonkurrenten die Bestmarke
gleich zweimal (7,03 und 6,86 Sekunden) und belegte einen für ihn
hervorragenden 4. Platz.
## Fordernde Kombination
Auf seine Boulderkünste kann er sich an diesem Abend allerdings nicht
verlassen. Denn in seiner viel stärkeren Disziplin gelingt ihm an diesem
Abend wenig. In der Gesamtwertung fällt er auf den siebten Platz zurück,
was ihm jegliche Medaillenchancen kostete. Diese völlig untypischen
Ergebnisse beschreiben das Dilemma dieses neuen olympischen Sports. Es ist
extrem schwierig, diese so unterschiedlich fordernden Disziplinen unter
einen Hut zu bekommen.
Zwei der drei sogenannten Probleme, die man beim Bouldern in jeweils vier
Minuten bewältigen muss, sind für Ondra unlösbar. An den künstlich
nachgebildeten Felsvorsprüngen sorgt der US-Amerikaner Nathaniel Coleman
beim Schwierigkeitsklettern in Absprunghöhe für das größte Spektakel. Im
Sprung hängt er sich mit beiden Armen an einen Vorsprung und kann mit fixer
Beinarbeit eine stabile Position erreichen. Ein Problem, an dem seine
Konkurrenten allesamt scheitern. „Come on“, fordert der Mann am Mikrofon
das Publikum immer wieder zur Unterstützung der Athleten an der Wand auf.
Eine neue Qualität, die dieser Sport in den olympischen Kosmos
hineinbringt, ist die Kollegialität unter den Konkurrenten. Bei der
Besichtigung der Herausforderungen der möglichen Boulder- und Leadrouten
tauschen sich die sieben Finalisten auch im Kampf um olympische Medaillen
aus, welcher Weg der vielversprechendste sein könnte. Problemanalysen
werden gemeinsam vorgenommen, an der Wand ist eh jeder allein auf sich
gestellt.
Beim abschließenden Lead-Wettbewerb, das dem Felsklettern am meisten ähnelt
und eine 15 Meter hohe Wand in sechs Minuten bezwungen werden muss, blieb
Alberto Ginés López, der bereits den Speed-Wettbewerb gegen den japanischen
Weltmeister Tomoa Narasaki gewonnen hatte, trotz der erschwerten
Bedingungen bei der schweißtreibenden hohen Luftfeuchtigkeit cool. Es sei
unmöglich vor einem Wettbewerb nicht nervös zu sein, egal wie alt man ist,
hatte er im Vorfeld des Finales gesagt. Es komme darauf an, wie man mit der
Nervosität umgehe. Das ist ihm an diesem Abend jedenfalls vortrefflich
gelungen.
Auch nach der Begeisterung im Aomi Urbans Sports Park zu schätzen, bringt
dieser Sport alles mit, um sich über seine Zukunft bei den Olympischen
Spielen keine Sorgen machen zu müssen.
6 Aug 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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