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# taz.de -- Streit um Spitzenkandidat Hubert Ulrich: Saar-Grüne fechten eigene…
> Ulrich ließ sich zum Spitzenkandidaten küren, obwohl der Platz für Frauen
> reserviert ist. Kritiker wollen das juristisch stoppen.
Bild: Spitzenkandidat der Grünen Hubert Ulrich beim Parteitag in Saarbrücken …
Frankfurt a. M. taz | Der Zoff um die Kandidatenliste der Saar-Grünen zur
Bundestagswahl geht in eine neue, entscheidende Runde. In einer
Streitschrift an das Landeschiedsgericht, die der taz vorliegt, haben
Vertreter von zwei Kreis- und zehn Ortsverbänden die Liste angefochten,
[1][auf deren ersten Platz der umstrittene ehemalige landesvorsitzende
Hubert Ulrich steht.] Eigentlich ist dieser Platz für eine Frau vorgesehen.
Die parteiinterne Opposition gegen Ulrich beantragt deshalb beim
Schiedsgericht außerdem eine einstweilige Anordnung, mit der dem
amtierenden Landesvorstand untersagt wird, die Liste bei der
Landeswahlleiterin einzureichen. Hilfsweise regen die Antragsteller an, den
auf Platz eins gewählten Ulrich zu streichen und nur die restlichen
KandidatInnenvorschläge einzureichen.
Die Kritiker des ehemalige Partei- und Landtagsfraktionsvorsitzende Ulrich
werfen dem 63-Jährigen vor, in einem „rücksichtslosen Egotrip“ seine Wahl
zum Spitzenkandidaten durchgesetzt und damit eklatant gegen das
Frauenstatut der Partei verstoßen zu haben. Platz eins einer grünen
KandidatInnenliste ist danach grundsätzlich für eine Frau reserviert. Nur
wenn sich keine Kandidatin findet, kann der Platz für Männer geöffnet
werden. Wie lange versucht werden muss, eine Frau für Platz eins zu finden,
ist strittig.
Beim entscheidenden Parteitag in Saarbrücken hatten die Delegierten in drei
Wahlgängen die amtierende Landesvorsitzende Tina Schöpfer durchfallen
lassen. Danach wurde die Wahl per Abstimmung für Männer geöffnet. Ulrich
setzte sich durch. Der Versammlungsleiter habe nicht nach der Kandidatur
einer neuen Kandidatin gefragt, sondern bereits für den vierten Wahlgang
Ulrich zugelassen, beklagte sich eine mögliche Bewerberin bei der taz. Mit
der Sprecherin der Grünen Jugend, Jeanne Dillschneider, stand auch eine
Frau als Alternative zur Wahl, doch die Delegierten wählten Ulrich.
## „Einblick in Stimmzettel genommen“
Die Grünen hinter der Streitschrift sehen in Ulrichs Verhalten dann auch
einen klaren Verstoß gegen die Satzung. Bei der Wahl des Spitzenkandidaten
„und bei den Wahlen zu den weiteren Listenplätzen“ sei es „zu mehreren
erheblichen Verstößen gegen Satzungs- und Wahlrecht“ gekommen, heißt es zur
Begründung.
Vertreter der Grünen Jugend und der Grünen Senioren hätten laut
Streitschrift Stimmzettel erhalten, obwohl sie gar nicht stimmberechtigt
gewesen seien. Andere Delegierte seien rechtswidrig nicht zugelassen
worden.
Auch die Grundsätze einer freien und geheimen Wahl seien verletzt worden.
Ein Ersatzdelegierter habe „gehört und auf Video festgehalten, dass der
Kandidat Hubert Ulrich Delegierte während des laufenden Wahlgangs
beeinflusst hat, indem er Anweisungen gegeben hat, welche Person in welcher
Art und Weise zu wählen ist“. Dabei habe Ulrich „auch Einblick in
Stimmzettel genommen“.
Auch die Bundespartei hat das Verfahren kritisiert. Kanzlerkandidatin
Annalena Baerbock ließ wissen, sie habe sich „das anders gewünscht“.
Bundesgeschäftsführer Michael Kellner hatte bereits im Vorfeld den
Landesvorstand auf das Frauenstatut hingewiesen.
Auch die Wahl für Listenplatz 2 fiel kurios aus. Mit knapper Mehrheit wurde
die Saarbrücker Kommunalpolitikerin Irina Gaydukova gewählt, die in ihrer
Kandidatenbefragung auf mehrere inhaltliche Fragen keine Antwort wusste.
Ein zweiminütiger Videospot aus ihrer peinlichen Vorstellung, der im
Internet die Runde machte, [2][löste einen Shitstorm aus.] Gaydukova gab
schließlich den aussichtsreichen Listenplatz zwei auf und trat sogar aus
der Partei aus.
Für die Grünen ist die skurrile Episode alles andere als lustig. Die neue
einstweilige Verfügung gegen die Einreichung der Liste könnte die Affäre
noch einmal unbequemer machen. Bis zum 19. Juli müssen die Landesparteien
ihre KandidatInnenlisten bei der Landeswahlleitung eingereicht haben. Nur
dann können die Parteivorschläge auf den Stimmzetteln erscheinen. Schaffen
es die Saar-Grünen nicht, bis dahin eine rechtlich einwandfreie Liste
einzureichen, fallen im Saarland alle Wahlstimmen für die Grünen unter den
Tisch.
Das wäre ein herber Rückschlag für die Partei, die erstmals mit einer
Kanzlerkandidatin antritt. Mit Stephan Körner, der in der
„Saarmaika“-Koalition von Grünen, FDP und CDU von 2009 bis 20012
Kultusstaatssekretär war, haben Ulrichs GegnerInnen jedenfalls einen
erfahrenen Richter als Berater und Ansprechpartner in den juristischen
Showdown geschickt.
28 Jun 2021
## LINKS
[1] /Gespaltene-Gruene-im-Saarland/!5777678
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## AUTOREN
Christoph Schmidt-Lunau
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