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# taz.de -- Gerichtsstreit um Verhütungspille: Klage gegen Bayer abgewiesen
> Felicitas Rohrer nahm die Verhütungspille Yasminelle und erlitt eine
> Lungenembolie. Ein Gericht sieht die Kausalität nicht bewiesen.
Bild: Wollte einen Präzedenzfall für Deutschland schaffen: Klägerin Felicita…
Freiburg taz | Felicitas Rohrer bekommt keinen Schadensersatz vom
Bayer-Konzern. Es sei nicht bewiesen und könne auch nicht vermutet werden,
dass die [1][Einnahme der Verhütungspille Yasminelle] zu einer
lebensgefährlichen Lungenembolie führte.
Die angehende Tierärztin Felicitas Rohrer nahm seit Oktober 2008 die
Mikropille Yasminelle, die von einer Bayer-Tochter vertrieben wird und
heute noch auf dem Markt ist. Yasminelle war damals bei jungen Frauen sehr
beliebt, weil mit Nebeneffekten wie guter Haut und vollem Haar geworben
wurde.
Doch im Juli 2009 brach die damals 25-jährige Rohrer in der Freiburger
Universität zusammen. Die Ärzte stellten eine Lungenembolie fest, die durch
Thrombosen verursacht wurde, verbunden mit einem Herzstillstand. [2][Rohrer
wäre fast gestorben]. Noch heute ist sie beeinträchtigt. Sie muss
Medikamente nehmen und leidet an Angstsattacken. Als Tierärztin kann sie
nicht arbeiten.
Rohrer macht die Verhütungspille Yasminelle dafür verantwortlich. Warum
sonst sollte sie so schwer kollabieren? „Ich war jung, gesund, sportlich.
Ich rauchte nicht und hatte kein Übergewicht“, argumentierte sie. Rohrer
ist mit ihrer 2011 eingereichten Klage kein Einzelfall. In über 9.000
Verfahren schloss Bayer in den USA vergleiche aufgrund ähnlicher Vorwürfe
und zahlte 1,9 Milliarden Dollar. Rohrer wollte einen Präzedenfall für
Deutschland schaffen.
## Fall laut Gericht „eindeutig“
Doch nun ist sie gescheitert. Wie schon das Landgericht Waldshut-Tiengen im
Jahr 2018 lehnte jetzt auch das Oberlandesgericht Karlsruhe ihren Anspruch
auf 200.000 Euro Schadensersatz ab. „Für Sie persönlich tut es mir leid,
dass wir nicht anders entscheiden konnten“, sagte Eva Voßkuhle, die
Vorsitzende Richterin, „aber letztlich war es eindeutig“.
Das OLG Karlsruhe, das in Freiburg verhandelte, hatte drei Wege zur Annahme
von Kausalität geprüft und alle verneint. Ein normaler Beweis, dass die
Yasminelle-Einnahme für die Lungenembolie ursächlich ist, sei nicht
möglich. „Schließlich treten 40 Prozent aller Thrombosen ohne erkennbare
medizinische Ursache auf“, so Voßkuhle. Auch ein so genannter
Anscheinsbeweis schied für das Gericht aus. „Von 10.000 Frauen, die
Yasminelle nehmen, erleiden nur 9 bis 12 Thrombosen“.
Im Mittelpunkt des Verfahrens stand daher die Frage, ob die Kausalität
vermutet werden kann. Wegen der typischen Beweisprobleme hatte der
Bundestag 2002 eine Kausalitätsvermutung ins Arzneimittelgesetz eingebaut
(Paragraf 84 Absatz 2). Danach ist Kausalität anzunehmen, wenn ein
Medikament „geeignet“ ist, den Schaden zu verursachen. Allerdings entfällt
die Vermutung laut Gesetz, wenn es im Einzelfall auch eine andere geeignete
Ursache für den Schaden gab.
Im Fall von Felicitas Rohrer lehnte das OLG die Vermutung ab. Zwar hatte
selbst Bayer eingeräumt, dass Yasminelle Thrombosen verursachen kann.
Allerdings stellte ein medizinischer Sachverständiger fest, dass es bei
Rohrer eine mögliche Alternativursache gab. Sie war im März 2008 nämlich
nach Thailand geflogen, und auch solche Flugreisen seien geeignet,
Thrombosen auszulösen. Zunehmende Beschwerden bis zum Zusammenbruch im Juli
passten ins Bild einer derartigen Reise-Thrombose.
## Keine Revision
Weil das Gericht schon keine Kausalität belegt sah, mussten die anderen
Voraussetzungen für den Schadensersatz gar nicht mehr geprüft werden. Es
blieb also offen, ob Bayers Beipackzettel damals ausreichend auf Risiken
hinwies. Und es blieb ungeklärt, ob der Nutzen von Yasminelle die Risiken
der Pille ausreichend überwiegt.
Das OLG ließ keine Revision zum Bundesgerichtshof zu, weil nur die
Beweiswürdigung umstritten war, während es in der Revision lediglich um
Rechtsfragen gehen könne. Rohrer will sich nun mit ihrem Anwalt beraten, ob
sie eine Nicht-Zulassungsbeschwerde einreicht.
Damit sind Klagen gegen Yasminelle nicht generell aussichtslos. Schließlich
sind nicht alle Frauen, die die Pille für schwere Schäden verantwortlich
machen, vorher in andere Kontinente geflogen.
Tatsächlich sind Arzneimittelhaftungsklagen aber meist wenig
erfolgversprechend, weil selbst die Kausalitätsvermutung in der Praxis
weitgehend leerläuft, kritisiert der Fachanwalt für Medizinrecht Jörg F.
Heynemann. Häufig könne der Arzneimittel-Hersteller doch auf irgendeine
mögliche Alternativursache verweisen.
25 Jun 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
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Verhütung
Pharma
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Sterilisation
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