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# taz.de -- Justizvollzug Berlin: In der Zelle allein gelassen
> Vor einem Jahr starb ein Algerier bei einem Brand in Untersuchungshaft.
> Linke Gruppen rufen am Freitag zu einem Gedenkmarsch auf.
Bild: Vor einer Zelle In der Justizvollzugsanstalt Moabit
Berlin taz | Es ist genau ein Jahr her: Am 23. Juli 2021 verbrannte der
algerische Flüchtling Ferhat M. in einer Gefängniszelle in der Haftanstalt
Moabit. Der 38-Jährige saß wegen [1][Diebstahlverdachts in
Untersuchungshaft]. Linke Gruppen rufen anlässlich seines Todestages am
Freitag um 20 Uhr zu einer Gedenkkundgebung vor dem U-Bahnhof Turmstraße
auf. Anschließend ist eine Demonstration zur JVA-Moabit geplant.
Initiiert wird die Gedenk- und Protestaktion von der anarchistischen Gruppe
Criminals for Freedom (CfF). Sie setzt sich für eine Gesellschaft ohne
Gefängnisse ein. Aufgerufen wird zu einer lautstarken Demonstration – vor
allem vor der JVA Moabit. Den dort Einsitzenden wolle man vermitteln, dass
es draußen Menschen gebe, die sie nicht vergessen haben, sagt eine Frau aus
dem Vorbereitungskreis der Demonstration in einem Interview mit dem Freien
Radio T aus Chemnitz (https://www.freie-radios.net/104495). Die Aktivistin
sieht einen rassistischen Hintergrund schon bei der Inhaftierung. Ferhat M.
wäre nicht wegen Diebstahlverdacht in Untersuchungshaft gekommen, wenn er
deutscher Staatsbürger gewesen wäre, sagte sie in dem Radio-Interview.
Der Tod von Ferhat M. hatte seinerzeit auch in der algerischen Community
für Aufregung gesorgt. Der deutsch-algerische Kulturverein hatte sich
eingeschaltet, nachdem auch durch Recherchen der taz bekannt geworden war,
dass M. drei Tage vor seinen Tod bei einem Haftprüfungstermin um die
Einweisung in ein Haftkrankenhaus gebeten habe. Er klagte über schwere
Depressionen und zeigte Schnittwunden, die er sich selber zugefügt hatte.
Obwohl die verantwortliche Richterin die Bitte des Gefangenen ins Protokoll
und das sogenannte Haftblatt des Gefangenen schrieb, wurde M. in seine
Zelle zurückgebracht. Die Gruppe Criminals For Freedom hatte seinerzeit
Auszüge aus Ohrenzeugenprotokollen von Gefangenen veröffentlicht.
## Tür verbarrikadiert
Die Senatsverwaltung für Justiz erklärte seinerzeit, der Gefangene habe das
Feuer in Suizidabsichten gelegt. Der Türbereich sei von innen
verbarrikadiert gewesen. Das lasse vermuten, dass der Mann nicht gerettet
werden wollte.
„Sie haben ihn in seiner Zelle alleingelassen, obwohl bekannt war, dass es
ihm nicht gut ging“, sagte Ferhats Bruder Dahmane M. dagegen zur taz. Der
Bruder hatte in Erfahrung gebracht, dass sich an Ferhats Zellentür
zeitweise ein roter Punkt befunden hatte. Roter Punkt steht für Beobachtung
– etwa wegen Entzugsproblemen oder Suizidalität.
Die Antirassistische Initiative Berlin (ARI) hat den Todesfall in ihrer
kürzlich erschienenen, jährlich aktualisierten Dokumentation
„Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen“ ausführlich
dokumentiert. Die aktuelle Dokumentation dreht sich um versuchte und
vollendete Suizide und Selbstverletzungen von Geflüchteten. „Es ist oft die
Verzweiflung über eine zerstörte Lebensperspektive, die die Menschen als
letzten Ausweg zur Selbsttötung treibt“, sagt Elke Schmitt vom
ARI-Dokumentationsteam.
22 Jul 2021
## LINKS
[1] /Berliner-Strafvollzug/!5700086
## AUTOREN
Peter Nowak
## TAGS
Strafvollzug
Dirk Behrendt
Suizid
Gefängnis
Dirk Behrendt
Strafvollzug
Knast
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