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# taz.de -- Initiative für Radwege in Thüringen: Kampf für Vernetzung auf de…
> Dagmar Thume und ihre Mitstreiter:innen kämpfen im Raum Gotha für ein
> Modellprojekt. Sie wollen mehrere Orte für Fahrradfahrende verbinden.
Bild: Noch endet der Feldweg im Nichts: junger Radfahrer bei Gotha
Maximal drei Kilometer entfernt voneinander liegen die Dörfer im Thüringer
Dreieck zwischen Erfurt, Gotha und Bad Langensalza. Es sind keine
eingeschlafenen Orte: Eine Schule, Kindergärten, Kirchen, Gaststätten,
Sportplätze, Werkstätten, Einkaufsmöglichkeiten und viele Vereine gibt es
hier. Doch die Straßen im welligen Gelände zwischen ihnen sind meist so
schmal, dass es keine Mittellinie gibt. Dabei müssten die Entfernungen und
die dörfliche Infrastruktur eigentlich zu einer Nutzung des Fahrrads
einladen.
„Auf diesen Straßen ist Radfahren für Kinder viel zu gefährlich“, ärgert
sich Dagmar Thume aus Eschenbergen. Die Kommunikationsdesignerin hat
zunächst an Kinder und Jugendliche gedacht, die zur Schule, zum Sport, zu
Freunden oder in die 12 Kilometer entfernte Stadt Gotha wollen.
Inzwischen denken sie und die 2019 gegründete Initiative „geRADeWEGs“
weiter. Warum muss man in ländlichen Räumen nur auf die selten fahrenden
Busse [1][oder das Auto] angewiesen sein? Warum denken wir stets
zentralistisch von der strahlenförmigen Erreichbarkeit von Zentren her und
nicht in dörflich vernetzten Strukturen? Warum wird die stadtplanerische
Vision der „15-Minuten-Stadt“ nicht auch auf das Land übertragen?
Auch bei dem Gedanken an einen vollen, mit hoher Geschwindigkeit und
stehenden Kindern fahrenden Schulbus ist Dagmar Thume nicht wohl. Der
Initiative schwebt ein alternatives „15 Minuten ProvinzNETZ“ vor. In einer
Viertelstunde sollen die vorhandenen Dinge und Orte des täglichen Bedarfs
erreichbar sein – zu Fuß, per Rad und sogar per Rollstuhl. Das bedeutet den
Bau separater Radwege in der Region, zumindest den Ausbau bestehender
Feldwege.
## Modellprojekt auf den Weg bringen
„geRADeWEGs“ versucht nun, ein Modellprojekt auf den Weg zu bringen, das
mit einer Kooperation der Kommunen sechs Dörfer, dazu Burgtonna und die
Stadt Gotha mit Radwegen vernetzt. Das Beispiel könnte Schule machen und
soll wissenschaftlich begleitet werden. Mit dem Verkehrswissenschaftler
Prof. Matthias Gather an der FH Erfurt hat Dagmar Thume bereits Kontakt
aufgenommen. Er bestätigte, dass es für solch einen regionalen
Entwicklungsimpuls bisher an Erkenntnissen zu dessen Wirkungspotenzial
fehle.
Die viel beschworene Gleichwertigkeit der [2][Lebensverhältnisse in Stadt]
und Land ist zwar ein gewichtiges Argument für das Projekt; auch der
Hinweis auf den anzulockenden Landarzt, der ein Minimum an Infrastruktur
erwartet. Aber vor den Erfolg haben die Zweiradgötter die Förderkriterien
gesetzt.
Thume und ihre Handvoll Mitstreiter stießen bei den Gemeinden zwar auf
guten Willen. Aber diese könnten nicht einmal ihren zehnprozentigen
Eigenanteil für eine Förderung aufbringen. Viel Zeit hat die
Radnetzenthusiastin damit verbracht, durch den Förderdschungel zu stapfen.
Beim Förderaufruf „Innovative Projekte im Radverkehr“ des
Bundesverkehrsministeriums wurde das Projekt 2019 mit dem Hinweis
abgelehnt, es wäre zu wenig innovativ und es ginge dabei eher um die
Daseinsvorsorge.
Vom Freistaat Thüringen erhofft man sich nun eine Übernahme des kommunalen
Eigenanteils in Höhe von etwa 600.000 Euro, damit Gelder aus dem
Bundes-Sonderprogramm „Stadt und Land“ in diese Modellregion fließen
können. In Thüringen gibt es dazu eine Richtlinie für Investitionen in die
Verkehrsinfrastruktur, die aber beispielsweise keine Planungskosten
übernimmt.
Bei der Umsetzung dieses Förderprogramms in Thüringen sind nur Wegbreiten
von 2,50 Meter vorgesehen. Um auf die gewünschten 3 Meter gemäß dem
ländlichen Wegebau zu kommen, müssten die Dörfer weitere Förderanträge für
andere Programme stellen, damit auch ein Traktor fahren kann. „Leider
passen die Förderprogramme oft nicht zu den Erfordernissen in dörflichen
Gegenden“, resümiert Thume.
## „Außerordentlich anerkennenswert“
Dem tritt das Thüringer Ministerium für Landwirtschaft und Infrastruktur
entgegen. Auf Basis der Anmeldungen von Kommunen – auch aus dem Raum Gotha
– würde noch im Juli der Förderrahmen für 2022 abgesteckt. Das Programm
richte sich grundsätzlich an städtische und ländliche Räume, betont
Referent Pascal Mauf.
„Es ist außerordentlich anerkennenswert, dass es der Initiative gelungen
ist, die Anmeldungen der Kommunen zu initiieren und zu koordinieren“, lobt
er. Darüber hinaus verweist er auf die Landesunterstützung für die
Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen und auf den erst kürzlich
gegründeten Thüringer Arbeitskreis Radverkehr.
Dagmar Thume bleibt skeptischer. Selbst der ADFC sei gedanklich eher an den
Städten orientiert. Das Pionierprojekt der Dörfervernetzung für eine
bessere Lebensqualität solle aber nicht darauf angewiesen sein,
ausschließlich von Bürgerinitiativen angestoßen zu werden. Denn der Aufwand
allein schon für die Antragstellungen ist enorm, wie Papierstapel
illustrieren. „Da steckt wirklich Potenzial drin, die viel diskutierten
Probleme strukturschwacher ländlicher Räume zu minimieren“, ist die
couragierte Frau aus der Thüringer Fahrraddiaspora überzeugt.
30 Jun 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Michael Bartsch
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