# taz.de -- Weltmeister Frankreich ausgeschieden: Vom schönen Scheitern | |
> Frankreichs hochbegabtes Team scheitert gegen die Schweiz im | |
> Elfmeterschießen. Hätten sie einfach nur spielen sollen? Eine Analyse. | |
Bild: Geschlagen: Frankreichs Nationalspieler verlassen enttäuscht den Platz | |
Man springt halt doch immer nur so hoch, wie man muss. Das sieht gerade | |
dann besonders doof aus, wenn man hinterher feststellt: hat ja gar nicht | |
gereicht. Für die französische Nationalmannschaft hat es nicht gereicht. Am | |
Ende war Yann Sommer, der kleinste Torhüter des Turniers, ein paar | |
Zentimeter zu groß. Gründe dafür gab es einige. | |
Erstens: Die [1][französische Mannschaft] machte nicht den Eindruck, als | |
habe sie übertrieben Spaß an diesem Turnier. Das mag daran gelegen haben, | |
dass sie nicht besonders viel Spaß an sich selbst hatte. Es kam von Anfang | |
an zu kleinen Misstönen, eitlen Nickligkeiten; als Olivier Giroud sich | |
beschwerte, er bekäme vornedrin nicht genug Bälle, war Kylian Mbappé | |
offenbar nur mit Mühe davon abzuhalten, deswegen eine eigene | |
Pressekonferenz abzuhalten. Da war schon klar: Es brodelt innerhalb der | |
Mannschaft, und nicht auf die gute Art. | |
Zweitens: Sobald sich Frankreich nicht mehr auf die individuellen Stärken | |
der Spieler verlassen konnte, bekamen sie Probleme. Halbfeldflanken | |
segelten ungehindert durch den Sechzehner und blieb der Ball am Boden, | |
konnte man sich darauf verlassen, dass die ungestüme Kopflosigkeit eines | |
Verteidigers den Job für den Gegner erledigt: Drei Elfmeter hat Frankreich | |
in vier Spielen gegen sich gepfiffen bekommen. Das Problem freilich fing | |
ganz vorne an, weder Karim Benzema noch Kylian Mbappé beteiligten sich | |
nennenswert. | |
## Es bleibt: Pogba | |
Die dadurch entstehenden Lücken konnte auch der überfleißige N'golo Kanté | |
nicht mehr schließen, der wahrscheinlich ganz allein die Hälfte der hundert | |
Kilometer abriss, die die Mannschaft im Schnitt pro Partie lief. Aber der | |
Ball war bisweilen schneller, vor allem, wenn er dann auf die Flügel kam; | |
wenn diese Mannschaft individuelle Schwächen offenbarte, dann auf den | |
Außenverteidigerpositionen. Gegen die Schweiz hat die Umstellung auf | |
Dreierkette gar nichts bewirkt, außer noch mehr Unsicherheit, und nach dem | |
3:1 kam das Pressing komplett zum Erliegen. | |
Drittens: Didier Deschamps hat eine defensive, passive Ausrichtung gewählt; | |
der Plan war, dem Gegner den Ball zu lassen, und wenn man ihn selber hat, | |
dann schnell zum Ziel zu kommen. Hätte funktionieren können, mit Karim | |
Benzema, Antoine Griezman, Kingsley Coman und Kylian Mbappé hatte man ja | |
die lauf- und gedankenschnellste Offensive aller Mannschaften. | |
Aber mit dieser Mannschaft hätte eigentlich jeder Plan funktionieren | |
können, kein einziger Konkurrent war auch nur ansatzweise so gut besetzt | |
wie die Équipe Tricolore. Deschamps hatte so viele Möglichkeiten und hielt | |
die Spieler schlicht an der Leine. Möglich, dass er mit dieser [2][simplen | |
Strategie] gehofft hatte, eine Balance zwischen den Talenten und Egos | |
seiner Spieler zu finden. Am Ende wirkte es etwas kleingeistig, es war die | |
falsche Art von Verschwendung. | |
Es bleibt dennoch sehr viel mehr Gutes als Schlechtes. Es ist erstaunlich | |
zu sehen, wie sehr Paul Pogba gereift ist und welche Präsenz, welche | |
Autorität er auf dem Platz hat. Die Ballmitnahme Karim Benzemas vor dem | |
Ausgleich gehört in die gleiche Kategorie wie Dennis Bergkamps berühmter | |
Move, die Kombination vor der zwischenzeitlichen 2:1-Führung ließ ahnen, | |
was diese Mannschaft hätte alles anstellen können, wenn man sie einfach | |
hätte machen lassen. | |
Vielleicht war am Ende doch zu viel Talent auf dem Platz. Dass sie | |
ausgerechnet gegen eine gut organisierte, von sich selbst überzeugte | |
Schweizer Mannschaft rausgeflogen sind, ist freilich eine ganz eigene | |
Pointe: Die Schweizer sind (zusammen mit den Belgiern) für die Franzosen, | |
was den Deutschen die Ostfriesen sind, Thema unzähliger Witze über die | |
langsamen, behäbigen, umständlichen, sich ein wenig dumm anstellenden | |
Nachbarn. Ausgerechnet diese Hürde war ihnen jetzt zu hoch; es ist eine | |
Desillusionierung. Allerdings eine, wie sie mitreißender nicht hätte sein | |
können, es war schlicht eines der überraschendsten, spannendsten und | |
großartigsten Spiele im internationalen Fußball der letzten Jahre. | |
Das können französische Mannschaften nach wie vor am besten: In wilder | |
Schönheit scheitern. | |
29 Jun 2021 | |
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## AUTOREN | |
Frédéric Valin | |
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