# taz.de -- Außenseitererfolge bei EM: Die großen Kleinen | |
> Bei der EM freuen sich viele über die Siege der Underdogs. Doch die | |
> Erfolge der Schweiz, Tschechiens und der Ukraine sind von besonderer | |
> Bauart. | |
Bild: Schweizer Sensation? Elfmeterheld Yann Sommer lässt sich von seinen Team… | |
Wann hat es das schon mal gegeben? Ein Spiel, in dem nur die Gewinner | |
weiterkommen und die dann auch noch einen Schweizer Pass besitzen? Über ein | |
halbes Jahrhundert ist das her, bei der WM im eigenen Lande 1954 hat sich | |
so etwas Wunderliches zuletzt zugetragen. Und wann Österreich das letzte | |
Mal in ein EM-Achtelfinale eingezogen ist? Oder die Ukraine in ein | |
EM-Viertelfinale? So etwas Außergewöhnliches ist auf diesem Kontinent | |
überhaupt noch nie vorgekommen. | |
Einmalig, was für Geschichten dieses Turnier schreibt. Oder wie es die Uefa | |
auf ihrer Homepage vorausschauend wendet: Kann die Schweiz jetzt am Freitag | |
gegen Spanien weiter Geschichte schreiben? Drängt sich gar nicht noch eine | |
weitergehende historische Frage auf: Kann wieder einmal ein absoluter | |
Außenseiter Europameister werden, wie damals vor fast dreißig Jahren | |
Dänemark oder 2004 Griechenland? | |
Das Außenseitergedöns gehört sowieso zur Turnierfolklore. Durch die stete | |
Aufstockung der Teilnehmer bei den Großturnieren ist zudem in den letzten | |
Jahren die Zahl der Außenseiter und zwangsläufig die Zahl der besonderen | |
Geschichten gewachsen. Besonders intensiv hat man die Exoten bei der | |
Europameisterschaft 2016 in Frankreich bejubelt, als erstmals 24 | |
Mannschaften mitmachen durften. [1][Dass Island ins Viertelfinale] und | |
Wales ins Halbfinale kam, war so besonders, dass ihnen kaum einer ihre auf | |
Destruktion ausgerichtete Strategie übelnehmen wollte. | |
Die Außenseitererfolge dieser EM sind ganz anderer Bauart. Im Unterschied | |
zu den Isländern etwa beweisen sich die Stammkräfte des Schweizer | |
Nationalteams seit Jahren Woche für Woche in der Premier League, der Serie | |
A oder der Bundesliga. Das österreichische Team, das Italien etliche | |
Probleme bereitete, kann man auch als eine gehobene Bundesligaauswahl | |
bezeichnen. Umgekehrt sind die großen Italiener eben nicht eine Ansammlung | |
von Champions-League-Spielern. Stammkraft Domenico Berardi steht etwa bei | |
Sassuolo Calcio unter Vertrag. | |
## Trainer macht den Unterschied | |
Die taktische und physische Ausbildung der Spieler Tschechiens | |
unterscheidet sich beispielsweise wenig von den Grundlagen, welche die | |
Niederländer mitbringen. [2][Georginio Wijnaldum musste nach der | |
0:2-Niederlage] gegen das tschechische Team feststellen, dass man auf deren | |
besondere Art des Pressings keine Antworten gefunden und zu wenige Ideen | |
entwickelt hätte. Die unkonventionelle Manndeckung, die sich Tschechiens | |
Trainer Jaroslav Šilhavý hatte einfallen lassen, machte letztlich den | |
Unterschied aus. Die größere individuelle Klasse der Niederländer spielte | |
dagegen keine Rolle. | |
Und auch der Erfolg des ukrainischen Teams kann nicht überraschen. Selbst | |
eine mäßige Gruppenphase genügte dem Team, um im Turnier zu bleiben. Aber | |
wer die Osteuropäer beim Freundschaftsspiel vergangenen November durch die | |
deutschen Abwehrreihen durchkombinieren sah, dürfte im Achtelfinale auch | |
nicht auf die Schweden gesetzt haben. | |
Der Schweiz, der mit dem Sieg gegen Weltmeister Frankreich das größte | |
Husarenstück gelang, ist der Respekt von Spanien vor dem Duell in St. | |
Petersburg sowieso gewiss. Diesen Respekt mussten sie sich | |
interessanterweise im eigenen Lande erst erarbeiten. Mit unverhohlener | |
Genugtuung erklärte Granit Xhaka, der wegen einer Gelbsperre gegen Spanien | |
aussetzen muss: „Es wurde so viel geschrieben und gesagt über diese | |
Mannschaft. Die Mannschaft ist arrogant, Friseure, Tattoos, Autos.“ Nun | |
habe man sehr vielen „das Maul gestopft“. | |
Das ist nämlich ein weiterer Unterschied zu früheren Außenseitern á la | |
Island und Griechenland. Im eigenen Land weiß man um die Qualitäten seiner | |
Spieler, und an dieses Wissen sind auch gewisse Erwartungen geknüpft. Eine | |
Niederlage gegen Spanien würde bei den Eidgenossen gewiss niemand zur | |
Verzweiflung treiben, aber man wird genau hinschauen, wie das Team | |
auftritt. | |
Vor allem aber gilt: Der Erfolg der Schweiz gegen Frankreich ist nicht so | |
wundersam, wie viele glauben. Man kann ihn, wie der Schweizer Trainer | |
Vladimir Petković, auch nüchtern einordnen: „So ein Sieg bringt uns mental | |
weiter und auch in der Anerkennung.“ | |
2 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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