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# taz.de -- Streit über Umweltgesetze in der Schweiz: Gift und Galle
> In der Schweiz wird am Wochenende über drei Vorlagen abgestimmt, die
> Auswirkungen auf Natur und Umwelt haben. Der Kampf ist schmutzig.
Bild: Auf dem Land hängen an fast jedem Hof Transparente, auf denen das Motto …
Genf taz | Christian ist eigentlich ein ausgeglichener Mensch. Sonnige
Junimorgen verbringt er in seinem Weinberg nahe der Rhône. Doch wenn die
Sprache auf das Pestizidverbot kommt, über das die Schweizerinnen und
Schweizer an diesem Wochenende abstimmen, ist es mit der inneren Ruhe
vorbei. “Wenn das durchkommt, dann können viele von uns dicht machen“, sagt
der Winzer. Von den 20.000 Tonnen Pflanzenschutzmitteln, die jährlich in
der Schweiz verbraucht werden, [1][verbrauchen Weintrauben den größten
Anteil.]
Für dieses Wochenende hat Christian zur cave ouverte, zum Tag des offenen
Weinkellers eingeladen. Coronabedingt müssen sich Besucherinnen und
Besucher anmelden, vielleicht ist das ganz gut so. Denn Winzerinnen und
Winzer werden seit Wochen bepöbelt und beschimpft, als Giftbauern oder gar
als Mörder. “Die Stimmung ist aufgeheizt“, bestätigt Christian. Neben der
Pestizidinitiative, die ein Verbot von synthetischen Pflanzenschutzmitteln
fordert, wird an diesem Sonntag auch über die Trinkwasser-Initiative
abgestimmt.
Diese sieht vor, die Agrarsubventionen von jährlich 3,5 Milliarden Franken
an eine gewässerfreundliche Bewirtschaftung zu koppeln. Anders, so die
Befürworterinnen und Befürworter, würden die seit Jahrzehnten geltenden
Umweltziele in der Landwirtschaft nie erreicht. So argumentiert auch die
Grüne Céline Vara, die den Kanton Neuchâtel in der zweiten
Parlamentskammer, dem Ständerat, vertritt. Die Morddrohungen, die sie nach
einer Fernsehdiskussion erhielt, waren derart ernst zu nehmen, dass Vara
Polizeischutz erhielt. Ähnlich erging es der Initiatorin der
Trinkwasserinitiative, Franziska Herren.
Der Berner Biobauer Kilian Baumann, Abgeordneter der Grünen im nationalen
Parlament, sagte Ende Mai alle Diskussionen über die Agrarinitiativen ab.
Die Drohungen gegen ihn und seine Familie hätten ein solches Ausmaß
angenommen, dass er Angst habe, seinen Hof und seine Familie alleine zu
lassen. Der Berner Bauernverband sah sich genötigt, auch die von ihm
unterstützten Gegner der Initiative dazu aufzurufen, auf „Beleidigungen,
respektloses Verhalten und jegliche Gewaltakte zu verzichten“.
## Kluft zwischen Stadt und Land
In der Schweiz, wo der politische Diskurs im Regelfall höflich und gesittet
geführt wird, muss darauf normalerweise nicht hingewiesen werden. Dass das
diesmal anders ist, hat auch mit der Kluft zwischen Stadt und Land zu tun:
Jenseits der Ballungsräume hängen an beinahe jedem Hof Transparente, auf
denen das Motto „2x Nein zu den extremen Agrar-Initiativen“ prangt. In den
Städten gibt es dagegen Sympathie für einen ökologischen Umbau der
Landwirtschaft, über die bisher vor allem in Hinterzimmern und unter
massivem Einfluss der konservativen Bauernverbände diskutiert wurde.
Deren Exponenten schlugen im Abstimmungskampf schrille Töne an, schürten
Existenzängste. Dass erste Umfragen eine knappe Mehrheit für die
Agrarinitiativen voraussagten, verhärtete die Fronten weiter. Letzte
Umfragen sagen eine knappe Mehrheit für das „Nein“-Lager voraus. Die
Agrarinitiativen drohen zudem die dritte umweltrelevante Abstimmung mit
sich zu reißen, die über das CO2-Gesetz. [2][Sein Maßnahmenpaket sieht eine
Steigerung der CO2-Abgabe auf Öl und Gas] von heute 96 auf bis zu 210
Franken pro Tonne vor, außerdem eine Flugverkehrsabgabe von bis zu 120
Franken pro Ticket.
Die Einnahmen sollen in einen Klimafonds fließen, der unter anderem
Gebäudesanierungen finanzieren soll. Die Allianz dafür ist breit, selbst
die Parteiführung der FDP ist dabei. Doch die Gegner, die vor steigenden
Kosten an der Zapfsäule und im Reisebüro warnen, den Ausgleich über den
Klimafonds aber verschweigen, finden in der aufgeheizten Atmosphäre mehr
Gehör. Das Bundesamt für Umwelt warnt bereits, dass die Schweiz ihre
Klimaziele bei einem „Nein“ weit verfehlen werde.
13 Jun 2021
## LINKS
[1] /Streit-um-Pestizidrueckstaende-im-Bordeaux/!5754121
[2] /UN-Zwischenbericht-zum-Paris-Abkommen/!5752250
## AUTOREN
Marc Engelhardt
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Schwerpunkt Klimawandel
Schweiz
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