# taz.de -- Aufklärung über Bamf-Ermittlungen: Sex, Lügen und Massenflucht | |
> Was vom Bamf-Skandal übrig blieb, wollte die Linke vom Bremer Senat | |
> wissen. Die Antwort bleibt oft vage: Noch wird ja gegen die Ermittler | |
> ermittelt. | |
Bild: Massengrab im Irak: Die Flucht der Jeziden hatte Gründe. Der Bamf-Skanda… | |
BREMEN taz | Die Pressearbeit der Bremer Staatsanwaltschaft muss sich | |
ändern. Diese Lehre will Bremen aus dem vermeintlichen Skandal um seine | |
Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ziehen. Das | |
geht aus der Antwort des Senats auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor. | |
„Was bleibt vom sogenannten Bamf-Skandal?“ hatte die sich [1][erkundigt]. | |
Die Antwort ist lang, bleibt aber bezüglich der Qualität der investigativen | |
Arbeit der Anklagebehörde im Vagen. Den laufenden Ermittlungen gegen vier | |
Staatsanwält*innen, darunter den Leiter der Behörde, soll nicht | |
vorgegriffen werden. | |
Das Thema hatte 2018 bundesweit Schlagzeilen gemacht. Damals sahen sich | |
Ulrike B., die damalige Leiterin des Bamf Bremen, und mehrere Rechtsanwälte | |
mit dem Vorwurf konfrontiert, ein Asylbetrugsnetzwerk aufgebaut und von | |
2014 bis 2016 betrieben zu haben. | |
Auflagenstark kolportiert wurde, Bremen sei nicht ein, sondern für illegale | |
Einwanderer „das Schlupfloch“, so Der Spiegel. Innenminister Horst Seehofer | |
(CSU) und sein parlamentarischer Staatssekretär [2][Stephan Mayer] | |
verurteilten Ulrike B. vor – während die Verwaltungsgerichte die | |
Entscheidungen ihrer Außenstelle bestätigten. | |
Mit Einstellung des strafrechtlichen Verfahrens gegen sie und Freisprüchen | |
für den jesidischen Asylrechtsanwalt Irfan Ç. aus Hildesheim von sämtlichen | |
ausländerrechtlichen Tatvorwürfen – das Urteil ist rechtskräftig – hat a… | |
das Landgericht Bremen klar gemacht: Die Kriminalisierung ist zu Unrecht | |
erfolgt. | |
Als Skandal hatten sich neben der enthemmten Berichterstattung und dem | |
Verhalten des Innenministeriums besonders die Rolle erwiesen, die Bremens | |
Staatsanwaltschaft im Kesseltreiben übernahm. | |
So hatten sich im März 2019 deren Leiter, Janhenning Kuhn, dessen | |
Pressesprecher Frank P., die Abteilungsleiterin „Organisierte Kriminalität“ | |
und der für die Bamf-Anklage direkt zuständige Dezernent Johannes F. mit | |
einem Journalisten von „Zeit online“ getroffen. | |
Sie tischten ihm eine Geschichte über eine Liebesbeziehung zwischen Ulrike | |
B. und Irfan Ç. auf. Damit wollten sie das Motiv erklären für diejenigen | |
Taten, die zu beweisen sie nicht fertiggebracht hatten: Um ihm zu gefallen, | |
habe Ulrike B. massenhaft unrechtmäßig Asylbescheide ausstellen lassen, so | |
die Unterstellung, mit der sie namentlich nicht zitiert werden wollten. | |
Nachdem „Zeit online“ die Story gebracht hatte, übernahmen sie die | |
Agenturen und nahezu alle anderen Medien. Befeuert wurde das noch durch den | |
Sprecher der Staatsanwaltschaft, der vor den Radio Bremen-Kameras die | |
Romanze noch einmal ausbreitete. Das von Ulrike B.s Anwalt Johannes | |
Eisenberg eingeschaltete Bremer Verwaltungsgericht erklärte die Äußerungen | |
der Staatsanwaltschaft schließlich für illegal. | |
Das immerhin soll sich nach dem Willen des Senats nicht wiederholen: Auch | |
die Staatsanwaltschaft habe sich ja [3][ans Pressegesetz zu halten] sowie | |
an eine Verfügung über die Justizpressestellen im Lande Bremen. Danach | |
müssen, so führt es die Antwort auf, Persönlichkeitsrechte der Beteiligten | |
gewahrt bleiben. | |
Es gelte die Unschuldsvermutung, die Verpflichtung zur sachgemäßen und | |
fairen Durchführung eines Verfahrens sowie das allgemeine Interesse an der | |
Sicherung einer unabhängigen und objektiven Rechtspflege. | |
„Nach diesen Vorgaben“, so heißt es in dem Schreiben der Landesregierung, | |
hätten „die Aussagen der Staatsanwaltschaft Bremen nicht veröffentlicht | |
werden dürfen“. Um „eine Wiederholung zu vermeiden“ werde die | |
Justizpresseverfügung überarbeitet. Außerdem sieht der Senat | |
Besserungsbedarf, wenn es darum geht, wie die Staatsanwaltschaft ihre | |
Dienstherrin, die Justizbehörde, unterrichtet. | |
## Ergebnislose Ermittlungen | |
Auch dieser Punkt wird sanft moniert: Die Staatsanwaltschaft hätte sehr | |
viel früher und von sich aus darüber Bericht erstatten müssen, dass sie im | |
vergangenen Jahr gegen sich selbst ermitteln musste – wegen des | |
Zurückhaltens entlastender Beweise zum Nachteil der Angeklagten. | |
Die Ermittlungen stellte sie ein, weil nicht zu klären sei, wer nun an | |
diesem anonymen Hintergrundgespräch teilnahm: Das wirkt wenig überzeugend, | |
wenn man weiß, dass der Pressesprecher seine Taten sogar im | |
[4][Regionalfernsehen] begangen hat und dass der Behördenleiter eine solche | |
Einstellung jederzeit verfügen darf – und er bei den Ermittlungen selbst | |
hätte als Beschuldigter firmieren müssen. | |
Die Namen derjenigen, die bei dem Gespräch mit dem Zeit-Journalisten dabei | |
waren, rückte die Staatsanwaltschaft erst heraus, nachdem im April dieses | |
Jahres die Generalstaatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren an sich | |
gezogen hatte. | |
Da hatte Ulrike B. bereits in einen teuren Einstellungsbeschluss | |
eingewilligt: [5][Eine Crowdfunding-Kampagne versucht, ihr wenigstens diese | |
Kosten abzunehmen –] nachdem ihre bürgerliche Existenz durchs Verfahren | |
zerstört wurde. Generalstaatsanwältin Kirsten Graalmann-Scherers | |
Überbehörde ermittelt laut Senatsantwort derzeit wegen der Verletzung von | |
Privatgeheimnissen durch die Staatsanwält*innen. | |
Gesondert geprüft wird der Verdacht auf Urkundenunterdrückung. Ein*e | |
Insider*in der laut Senat insgesamt 67-köpfigen „Ermittlungsgruppe | |
Antrag“ – so hieß die für den Skandal zuständige Sondereinheit – hatte… | |
einem anonymen Schreiben ans Landgericht über deren Erfolgsdruck und die | |
Einseitigkeit ihrer Arbeit berichtet. „Im Rahmen der Ermittlungen bin ich | |
auf viel entlastendes Material gestoßen, welches aber unberücksichtigt | |
bleiben sollte“, heißt es darin. | |
So habe B. in einer E-Mail an einen Anwalt mit scharfen Worten auf die | |
Rechtsstaatlichkeit ihres Handelns gepocht. „Auf meinen Hinweis an meinen | |
Vorgesetzten, diese Email ebenfalls zu den Akten zu nehmen wurde die Email | |
einfach gelöscht“, heißt es im Whistleblower-Schreiben weiter. | |
Ein krasser Vorwurf, allerdings schwer beweisbar. Schwung könnte in die | |
Ermittlungen kommen, wenn sich die Person outen würde, die diesen Tipp | |
gegeben hatte. Vielleicht gibt es ja die Möglichkeit, sie in ein | |
Zeugenschutzprogramm zu integrieren, damit ihr der involvierte Vorgesetzte | |
nicht schaden kann. | |
Die Linke werde nun die Ergebnisse der Untersuchung der | |
Generalstaatsanwältin abwarten, teilte die Fraktionschefin Sofia Leonidakis | |
mit. „Die Antworten des Senats zeigen jedoch, dass in der | |
Staatsanwaltschaft schwerwiegende Fehler gemacht wurden.“ | |
Sie verweist auf diejenigen, die ungeschoren davon kommen und den Skandal | |
inszeniert haben: Bundesinnenminister Horst Seehofer und dessen | |
Staatssekretär. Diese hätten „mit justiziellen und politischen Mitteln eine | |
Kampagne geführt, um das Grundrecht auf Asyl anzugreifen. Uns erscheint es, | |
als sei die Bremer Staatsanwaltschaft dagegen nicht in Gänze immun | |
gewesen.“ | |
24 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.linksfraktion-bremen.de/nc/fraktion/abgeordnete-und-deputierte/… | |
[2] https://www.mayer-stephan.de/ | |
[3] https://www.transparenz.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen2014_tp.c.69… | |
[4] https://www.butenunbinnen.de/ | |
[5] https://www.betterplace.me/solidaritaet-mit-ulrike-b?utm_campaign=user_shar… | |
## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
Benno Schirrmeister | |
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