# taz.de -- helpDavid-App: Kantorin setzt auf Community | |
> Kantorin stellt App vor, mit der bei rassistischen und antisemitischen | |
> Angriffen Hilfe gerufen werden kann. Innensenator setzt weiterhin auf | |
> 110. | |
Bild: Kantorin Avitall Gerstetter bei einem ökumenischen Gottesdienst im Berli… | |
BERLIN taz | Es muss was passieren – nach der Demonstration am 15. Mai sei | |
ihr das klar gewesen, erzählt Avitall Gerstetter. Noch in der Nacht habe | |
sie ihr Team beauftragt, eine App zu entwickeln, die bei antisemitischen | |
und rassistischen Angriffen für die Bedrohten schnelle Hilfe herbeiführen | |
kann. Am Donnerstag präsentierten Gerstetter und ihre Mitarbeiter das | |
Ergebnis: eine Hilfe-App namens „helpDavid“. | |
Die Pressekonferenz fand in der Bar Brass in Charlottenburg statt. Einmal | |
im Monat veranstaltet Gerstetter dort einen Schabbatsalon. Die zierliche | |
Frau mit den roten Locken war 2001 die erste jüdische Kantorin in | |
Deutschland. Von Medien wird die gebürtige Berlinerin als Mensch | |
beschrieben, der sich für ein liberales Judentum und einen interreligösen | |
Austausch einsetzt. | |
Auslöser, die Hilfe-App auf den Weg zu bringen, war für Gerstetter die | |
[1][propalästinensische Demonstration] am 15. Mai in Neukölln. Rund 6.000 | |
Menschen waren da gegen die israelischen Angriffe auf den Gazastreifen auf | |
die Straße gegangenen, darunter zahlreiche Palästinenser. Es kam zu | |
heftigen Ausschreitungen mit der Polizei, israelische Fahnen wurden | |
verbrannt, antiisraelische und antisemitische Parolen skandiert. „Mitten am | |
Tage hat ein wütender Mob wieder einmal stundenlang wüsteste antisemitische | |
Parolen verbreiten können bis zum Aufruf zum Mord an allen Juden“, schrieb | |
Gerstetter in ihrer Einladung zur Vorstellung der Hilfe-App. Sie vertraue | |
nicht mehr auf die wohlfeil-betroffenen Worte der Politiker nach solchen | |
Eskalationen. | |
Hilfe zur Selbsthilfe durch den Schutz der Community, das sei ihr Ansatz | |
mit „helpDavid“, so die Kantorin am Donnerstag. Deutschlandweit soll die | |
App an den Start gehen, sobald sie von Apple und Google in den | |
entsprechenden App Stores freigeschaltet ist. Für 2,29 Euro, so der Plan, | |
sollen sie möglichst viele Menschen kaufen und auf ihrem Handy | |
installieren. Je größer der Verbreitungsgrad, umso größer die Chance, einer | |
bedrängten Person in der Nähe beistehen zu können. | |
Wie die App funktioniert, erklärte deren Entwickler, Robin Huse, mit zwei | |
Handys: Auf dem einen Gerät erscheint eine Grafik des eigenen Standortes. | |
Der Notruf wird durch Druck auf den SOS-Knopf ausgelöst. Der Alarm geht auf | |
dem anderen Handy ein. Die dortige Grafik zeigt, wo sich die bedrängte | |
Person befindet. Man könne einstellen, wie weit weg von einer Notlage man | |
noch informiert werden möchte, so Huse. | |
Unter dem SOS-Knopf befindet sich ein Link zur 110-Notrufnummer der | |
Polizei. Gern hätte man den SOS-Ruf und die Standortanzeige direkt mit der | |
Polizei verbunden, erzählt Gerstetters Assistent, Samuel Urbanik. | |
Innensenator Andreas Geisel (SPD) habe auf die zweimalige Anfrage aber | |
nicht mal geantwortet. | |
Geisels Pressestelle teilte auf Nachfrage der taz lapidar mit, „wir | |
empfehlen allen Menschen, die in einer Gefahrenlage sind, die 110 | |
anzurufen.“ Dies sei der schnellste Weg. | |
Im Übrigen unterstütze die Senatsverwaltung den Ausbau der Hotline | |
Antisemitische Gewalt. In der Konsultation des Antisemitismusbeauftragten | |
der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und der Beratungsstelle bei | |
antisemitischer Diskriminierung und Gewalt (OFEK) sei der Wunsch geäußert | |
worden, die bestehende Hotline der OFEK zu verstärken und keine | |
Parallelstrukturen aufzubauen. Diesem Wunsch sei man gefolgt. | |
17 Jun 2021 | |
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## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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