# taz.de -- Kampagne für besseres Schulsystem: Berlin muss dazulernen | |
> Berlin muss mehr Lehrkräfte ausbilden, fordert die neue Kampagne „Schule | |
> muss anders“. Demnächst ist eine Demo auf dem Hermannplatz geplant. | |
Bild: Auftaktdemo der Kampagne im Frühjahr vor der Senatsbildungsverwaltung | |
BERLIN taz | Berlin muss dringend mehr Lehrkräfte einstellen und dafür auch | |
die Ausbildungskapazitäten an den Berliner Universitäten in den kommenden | |
Jahren erhöhen. Das ist eine der zentralen Forderungen, mit der die | |
Kampagne „Schule muss anders“ vor den Abgeordnetenhauswahlen im Herbst | |
Gehör zu finden versucht. „Wir haben an den Schulen einen Bedarf von 3.000 | |
Lehrkräften pro Jahr, doch Berlin bildet nur 900 jährlich aus“, sagt | |
Philipp Dehne von der BürgerInneninitiative „Schule in Not“, einer der | |
Akteure hinter der neuen Kampagne. | |
Konkret will man erreichen, dass die Forderung nach einer besseren | |
Personalausstattung in den Schulen sowohl Eingang in den Koalitionsvertrag | |
des nächsten Senats findet als auch in die Hochschulverträge über | |
Ausbildungskapazitäten. Die werden turnusmäßig im kommenden Jahr neu | |
zwischen dem Land und den Universitäten verhandelt. „Da gibt es jetzt ein | |
Möglichkeitsfenster“, glaubt Dehne. | |
Die Senatsbildungsverwaltung schätzt den Bedarf an neuen Lehrkräften | |
deutlich geringer ein. In einer Antwort auf eine Anfrage des | |
Landesschulbeirats geht man von jährlich 2.000 benötigten Neueinstellungen | |
aus. 900 beendeten 2019 ihren Lehramtsmaster an den Berliner Unis. Das | |
Referendariat, den abschließenden Vorbereitungsdienst, absolvierten demnach | |
im vergangenen Jahr 1.576 angehende Lehrkräfte. Wie viele danach den | |
Berliner Schulen tatsächlich zur Verfügung stehen, weiß die | |
Bildungsverwaltung nicht, weil Daten über Zu- und Abwanderung fehlten. | |
Hinzu kommen noch QuereinsteigerInnen, die vor allem an Grundschulen | |
unterrichten. | |
Das Initiativenbündnis will den niedrigeren Bedarf nicht gelten lassen. | |
Damit seien keine qualitativen Verbesserungen des Schulsystems möglich, | |
sagt Dehne, der selbst einige Jahre als Lehrer gearbeitet hat. „Die Frage | |
ist doch, verwalte ich einen Mangel, oder kann ich guten Unterricht | |
gestalten?“ | |
## 25.000 LehrerInnen fehlen | |
Der Landesschulbeirat hatte in der Anfrage an die Bildungsverwaltung | |
erfragt, wie der zusätzliche Bedarf an Lehrkräften und ErzieherInnen | |
aussähe, wenn zum Beispiel Klassengrößen abgesenkt würden, weil dort viele | |
SchülerInnen Förderbedarf haben; wenn es eine Vertretungsreserve gäbe oder | |
zusätzliche Stunden für Teambesprechungen und Schulkonzeptarbeit. „Da sieht | |
man, dass für alle diese Dinge in den kommenden acht Jahren rund 25.000 | |
Lehrkräfte fehlen würden“, sagt Dehne. | |
Eine weitere Forderung der Initiative ist die Schaffung einer unabhängigen | |
Antidiskriminierungsstelle für die Schulen. „Ich habe für meinen mehrfach | |
behinderten Sohn nach zwei Jahren Schulplatzsuche keine inklusive Schule | |
finden können, die ihn haben wollte“, sagte Jane Morgenthal vom Berliner | |
Bündnis für schulische Inklusion. Am Ende habe sie ihr Kind in ein | |
Förderzentrum gegeben. „Es fehlt eine gute, unabhängige Beratungs- und | |
Beschwerdestelle“, sagt Morgenthal. | |
Die Forderung ist so alt wie unerfüllt: In der laufenden Legislatur haben | |
sich auch die Grünen immer wieder dafür stark gemacht, allerdings ohne | |
Erfolg. Inzwischen gibt es über das 2020 verabschiedete | |
Landesantidiskriminierungsgesetz eine unabhängige Ombudsstelle, allerdings | |
nicht speziell für den Bereich Schule. | |
Noch immer unbesetzt ist die Stelle eines Antidiskriminierungsbeauftragten | |
in der Bildungsverwaltung. Der letzte Amtsinhaber hatte im Herbst nach nur | |
einem Jahr das Handtuch geschmissen. Dessen [1][Vorgängerin war ebenfalls | |
frustriert gegangen] – zu wenig Handlungsspielraum, zu wenig Befugnisse. | |
Beratungsangebote wie die ADAS in Neukölln kritisierten auch immer wieder | |
die [2][fehlende Unabhängigkeit]. Allzu lange sollte die Nachbesetzung aber | |
nicht mehr dauern: Aus Kreisen der Bildungsverwaltung heißt es, man habe | |
bereits eine Person ausgewählt; es hake noch an juristischen Belangen. | |
Neben der Initiative „Schule in Not“ ist auch die Gewerkschaft GEW, das | |
Berliner Bündnis für schulische Inklusion und die Berliner | |
Bürgerplattformen Teil der Kampagne. Als nächstes ist am 5. Juni ist eine | |
Demo auf dem Hermannplatz in Neukölln geplant. | |
27 May 2021 | |
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## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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