Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Petition der Woche: Kinderlos ist ungleich kinderlos
> Für Ivonne Urban ist es ein Unterschied, ob man gewollt oder ungewollt
> kinderlos ist. Und der soll auch im Sozialgesetzbuch stehen.
Bild: Ivonne Urban will die Interessen von ungewollt Kinderlosen in der Öffent…
Kein Minister sorgt zur Zeit für so viel Diskussion wie Gesundheitsminister
Jens Spahn. So auch beim Thema Pflegeversicherung und der [1][geplanten
Mehrbelastung für Kinderlose]. Um 0,1 Prozentpunkte soll der Beitrag für
Kinderlose steigen, in vielen Medien wie auch auf Social Media wurde das
kommentiert. Besonders im Fokus: Ungewollt Kinderlose.
Auch Ivonne Urban ist ungewollt kinderlos und wünscht sich, dass seelische
Belastungen der Betroffenen gesellschaftlich wahrgenommen werden: „Wenn nur
von Kinderlosen gesprochen wird, wächst der Druck auf diejenigen, die
eigentlich Kinder kriegen wollen.“ Deshalb hat die 41-jährige Leipzigerin
Anfang dieser Woche eine Petition gestartet: „Pflegebeitrag für Kinderlose
– Differenzierung ‚ungewollt kinderlos‘ und ‚kinderlos‘ im
Sozialgesetzbuch“.
Seit Tagen steht sie früher auf und setzt sich auch nach der Arbeit als
Bauingenieurin an den PC, um auf Instagram für ihre Petition zu werben und
mit Nutzer:innen zu diskutieren. Bis Freitag haben [2][140 Menschen die
Petition unterschrieben].
Die Unterscheidung zwischen „kinderlos“ und „ungewollt kinderlos“ ist f…
Ivonne Urban ein Unterschied, den sie schriftlich haben möchte: „Es ist
okay, wenn man keine Kinder will. Aber ungewollt Kinderlose wollen aktiv
schwanger werden. Das sollte angesprochen werden.“ Weil das oft nicht der
Fall ist, fühlen sich Urban und andere ungewollt Kinderlose stigmatisiert:
„Man fühlt sich nur von den Betroffenen, die die gleichen Schicksale erlebt
haben, verstanden.“
## „Wir gehen mit dem Thema Tod und Trauer nicht richtig um“
Urban selbst versucht seit ihrem 22. Lebensjahr Kinder zu bekommen. Mit 38
wurde sie mit Zwillingen schwanger. Sie starben im vierten Monat: „Das war
ein großer Wendepunkt in meinem Leben“, sagt Urban. Sie versteht sich als
Sternenmutter, die Kinder als Sternenkinder – Kinder, die vor, während oder
früh nach der Geburt starben.
Ivonne Urban erzählt, dass sie oft Stummheit begegnete, wenn sie davon
erzählte: „Oft wussten meine Gesprächspartner nicht, was sie sagen sollten.
Das hat mich wütend gemacht. Bis ich verstanden habe, dass da eine
Hilflosigkeit ist. Wir gehen mit dem Thema Tod und Trauer nicht so richtig
um in der Gesellschaft.“
Deshalb spricht sie jetzt offensiver darüber: „Wenn mich jemand fragt, ob
ich Kinder habe, antworte ich, dass ich Sternenmama bin. Dass das okay ist
und ich mich gerne mit dem Thema Tod und Trauer beschäftige, weil es
wichtig ist, dass wir das in unser Leben integrieren.“ Urban machte damit
gute Erfahrungen und erhofft sich von der Petition, dass sie die
Anerkennung von ungewollt Kinderlosen erhöht. Was sie explizit nicht
möchte, ist eine Änderung des Pflegebeitrags.
Auf ihre Petition reagierten viele verletzend, sagt Ivonne Urban: „Eine
Person aus dem näheren Umfeld ist der Meinung, dass ich das nicht medial
diskutieren sollte, sondern in internen Gruppen.“ Dabei engagiert sich
Urban bereits in zwei Selbsthilfegruppen, hört zu, tröstet und spricht Mut
zu. „Dass diese Person so reagiert, bedeutet für mich: Die Betroffenen
sollen unter sich bleiben und die Öffentlichkeit damit nicht belasten.“
Immer wieder höre sie auch von anderen Kinderlosen, dass sie verletzende
Kommentare erreichen: „Selbst wenn das Gesetz nicht geändert wird, habe ich
vielleicht trotzdem die Öffentlichkeit erreicht“, sagt Urban.
13 Jun 2021
## LINKS
[1] /Kabinett-einigt-sich-auf-Pflegereform/!5775719
[2] https://www.openpetition.de/petition/online/pflegebeitrag-fuer-kinderlose-d…
## AUTOREN
Nicole Opitz
## TAGS
Petition der Woche
Pflege
Demografischer Wandel
Kinderwunsch
Jens Spahn
Kolumne Hot und hysterisch
Petition der Woche
Eizellspende
Geht's noch?
Alten- und Pflegeheime
## ARTIKEL ZUM THEMA
Hürden bei der Familienplanung: Kinder passieren nicht einfach so
Kinderwünsche gelten manchen als spießig. Dabei ist es manchmal sehr
wichtig, genau zu wissen, ob man das will – oder es überhaupt möglich ist.
Petition der Woche: Luxusgut Holz
Die Preise für Holz steigen, der Nachschub wird knapp, Bauen und Handwerken
werden deshalb teurer. Tausende fordern nun einen Exportstopp.
Ungewollt Kinderlose in Deutschland: Das Gesetz aus einer anderen Zeit
Viele sind ungewollt kinderlos. Das liegt auch daran, dass in Deutschland
neben der Schweiz das restriktivste Reproduktionsrecht in Europa gilt.
Kritik an Pflegereform: Staat, raus aus dem Uterus!
Die Löhne in der Altenpflege sollen steigen. Bezahlen sollen das unter
anderem Kinderlose. Damit fördert der Bund eine Jahrhunderte alte Politik.
Kabinett einigt sich auf Pflegereform: Kritik an Spahns Pflegeplänen
Die Bundesregierung will, dass alle Pflegekräfte nach Tarif bezahlt werden.
Privaten Pflegeanbietern gehen die Pläne zu weit, Linken und Grünen nicht
weit genug.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.