| # taz.de -- Kolumbianischer Farc-Kommandant getötet: Das Rätsel um den toten … | |
| > Jesús Santrich verhandelte für die Farc-Guerilla Kolumbiens | |
| > Friedensabkommen. Dann griff er wieder zu den Waffen. Jetzt soll er | |
| > getötet worden sein. | |
| Bild: Soll in Venezuela getötet worden sein: der kolumbianische Guerilla-Komma… | |
| Bogotá taz | Er handelte den historischen Friedensvertrag zwischen | |
| Farc-Guerilla und kolumbianischem Staat mit aus. Später griff er enttäuscht | |
| wieder zu den Waffen. Jetzt soll der Guerilla-Kommandant Seuxis Paucias | |
| Hernández Solarte alias Jesús Sántrich in Venezuela getötet worden sein. | |
| Die Farc-Dissidenten-Gruppe, die Santrich anführte, meldete seinen Tod am | |
| Dienstag auf ihrer Webseite. Demnach soll der 53-Jährige am Montag von | |
| kolumbianischen Spezialeinheiten in Venezuela getötet worden sein. | |
| Laut [1][New York Times] und der kolumbianischen Zeitschrift [2][Revista | |
| Semana] haben hochrangige Offizielle aus Venezuela dies ihnen gegenüber | |
| getan. Offiziell hat weder die venezolanische noch die kolumbianische | |
| Regierung seinen Tod bisher bestätigt. Doch die Wahrscheinlichkeit ist | |
| hoch. | |
| Der kolumbianische Verteidigungsminister Diego Molano sagte am Dienstag auf | |
| [3][Twitter], die Information werde noch verifiziert. Seitdem hat er sich | |
| nicht mehr dazu geäußert. Auch wenn Kolumbien gerade in die vierte Woche | |
| mit nationalen Streiks gegen die Regierung geht und der | |
| Verteidigungsminister sich demnächst vor dem Parlament wegen der brutalen | |
| Polizeigewalt äußern muss, ist dies erstaunlich. | |
| ## USA forderten seine Auslieferung wegen Drogenhandel | |
| Der Mann mit der schwarzgetönten Sonnenbrille und dem karierten | |
| Palästinensertuch ist eines der prominentesten Gesichter des | |
| Friedensprozesses. Die schwarze Brille trug er, weil er vor zehn Jahren | |
| wegen einer Krankheit praktisch erblindete. | |
| Jesús Santrich war einer der härtesten Verhandler beim Friedensabkommen, | |
| das die Guerilla 2016 mit dem kolumbianischen Staat schloss. Mehr als 50 | |
| Jahre hatte der bewaffnete Konflikt gedauert und mindestens 220.000 | |
| Menschenleben gekostet. | |
| Von den Parlamentssitzen, die das Abkommen der neuen Farc-Partei sicherte, | |
| hätte einer Santrich zugestanden. Doch er konnte ihn nicht antreten. | |
| Kolumbianische und US-Behörden beschuldigten ihn, wieder in den | |
| Drogenhandel eingestiegen zu sein. Ein Jahr verbrachte er in | |
| Untersuchungshaft. Die USA forderten seine Auslieferung. Es kam es zu | |
| Skandalen um verschlampte oder nicht weitergereichte angebliche Beweise. | |
| Zuletzt hieß es, die US-Drogenbehörde DEA könnte zusammen mit der | |
| kolumbianischen Staatsanwaltschaft Beweise gefälscht haben. | |
| Das alles gefährdete den Friedensprozess. Hochrangige Ex-Farc-Kommandanten | |
| drohten, sie würden aus dem Abkommen aussteigen, sollte Santrich in die USA | |
| ausgeliefert werden. Die Sondergerichtsbarkeit für den Frieden (JEP) und | |
| die Staatsanwaltschaft stritten um die Zuständigkeit. Die JEP entschied | |
| schließlich, Santrich aus Mangel an Beweisen freizulassen – was ein | |
| [4][politisches Erdbeben] auslöste. Präsident Iván Duque kritisierte das | |
| scharf. Generalstaatsanwalt und Justizministerin traten zurück. | |
| ## Eiseskälte zwischen Kolumbien und Venezuela | |
| Kurz nach seiner Freilassung tauchte Santrich unter. Das nächste Mal sahen | |
| ihn die Kolumbianer*innen an der Seite des ebenfalls untergetauchten | |
| Friedensabkommen-Mitverhandlers Iván Márquez wieder in einem Bekennervideo, | |
| wo sie die Gründung einer [5][neuen Farc-Gruppe] namens „Segunda | |
| Marquetalia“ verkündeten. | |
| Die kolumbianische Regierung hatte Santrich schon lange in Venezuela | |
| vermutet. Beide Länder haben auf ihrem Gebiet Farc-Dissidenten, | |
| ELN-Guerilla und andere bewaffnete Gruppen – und beschuldigen einander, | |
| diese zu tolerieren. | |
| Beziehungen zwischen Kolumbien und Venezuela existieren seit 2019 offiziell | |
| nicht mehr – und sind derzeit auf einem Tiefpunkt. Auch deshalb wird wohl | |
| nie herauskommen, wer Santrich tötete. | |
| Eine kolumbianische Militäraktion auf venezolanischem Staatsgebiet wäre | |
| eine Verletzung der Souveränität. Santrichs Splittergruppe sympathisiert | |
| offen mit der Maduro-Regierung – und umgekehrt. Das spricht dagegen, dass | |
| die venezolanische Armee ihn tötete. Bleibt die [6][Hypothese], dass er bei | |
| einem Kampf zwischen illegalen Gruppen starb. | |
| Seit zwei Jahren hat sich die Situation in der Grenzregion massiv | |
| verschärft. Die über 2.000 Kilometer lange Grenze ist in großen Teilen | |
| staatlich unbewacht und stattdessen kontrolliert von Mörderbanden. Sie | |
| kämpfen um die Herrschaft über Drogen- und Menschenhandel sowie illegalen | |
| Bergbau. Im März startete die Regierung Venezuelas die größte | |
| [7][Militäraktion] seit Jahrzehnten gegen bewaffnete Gruppen im Bundesstaat | |
| Apure. Tausende Menschen sind vor den Kämpfen nach Kolumbien geflohen. | |
| Vor wenigen Tagen hatte das Oberste Gericht Kolumbiens einer Auslieferung | |
| Santrichs in die USA zugestimmt. Deshalb ist eine weitere, allerdings | |
| unwahrscheinliche Theorie, dass Santrich in Wirklichkeit noch lebt und sein | |
| Tod eine reine Inszenierung ist. | |
| 20 May 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.nytimes.com/2021/05/18/world/americas/jesus-santrich-killed-col… | |
| [2] https://www.semana.com/amp/nacion/articulo/atencion-jesus-santrich-fue-abat… | |
| [3] https://twitter.com/Diego_Molano/status/1394695284635078658?s=20 | |
| [4] https://elpais.com/internacional/2021-05-18/jesus-santrich-el-traidor-del-p… | |
| [5] /Kolumbiens-Friedensabkommen-in-Gefahr/!5621824 | |
| [6] https://www.bbc.com/mundo/noticias-america-latina-57165018 | |
| [7] https://www.nytimes.com/2021/04/02/world/americas/venezuela-colombia-milita… | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina Wojczenko | |
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