# taz.de -- Impfen in Flüchtlingsheimen: Es geht weiter | |
> Endlich können sich auch die zahlreichen Mitarbeiter der Flüchtlingsheime | |
> impfen lassen. Das Impfchaos ist aber längst noch nicht vorbei. | |
Bild: Nicht so spritzig: Der Start des Impfens in Geflüchtetenheimen in Berlin | |
BERLIN taz | Nach Protesten von Flüchtlingsinitiativen und Berichten der | |
taz hat der Senat eingelenkt: Seit letztem Freitag impfen die mobilen | |
Impfteams, die die Bewohner der Flüchtlingsunterkünfte mit dem rettenden | |
Pieks versorgen, auch die dort Beschäftigten und ehrenamtlichen Helfer mit. | |
Das teilten die Senatsverwaltung für Gesundheit und die für Soziales der | |
taz übereinstimmend mit. Jedenfalls gilt das für diejenigen 80 | |
Asylwohnheime, für die das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten | |
zuständig ist. Dort wohnen 18 000 Flüchtlinge, die von 3 500 Mitarbeitern | |
unterstützt werden: Sozialarbeiter etwa, Wachschützer, Verwaltungskräfte | |
und Hausmeister. | |
Unklar ist, wer für die absurde Entscheidung verantwortlich ist, | |
ausgerechnet die Mitarbeiter nicht mitzuimpfen. Genau wie die Bewohner von | |
Gemeinschaftsunterkünften [1][gehören sie zur Priorisierungsgruppe 2,] | |
hätten also geimpft werden müssen, bevor Berlin Anfang Mai Angehörige der | |
Priorisierungsgruppe 3 zu impfen begann und sogar diese Woche die | |
Priorisierung ganz aufhob. Unter der riesigen Flut der jetzt | |
Impfberechtigten können diese besonders gefährdeten Menschen bei der | |
Vergabe von Impfterminen in Impfzentren und bei Hausärzten nicht | |
durchsetzen. Während im Durchschnitt etwa 4 Prozent aller Berliner bisher | |
eine Covid19-Erkrankung hatten, waren es unter Bewohnern von | |
Flüchtlingsunterkünften gut 8 Prozent, unter Mitarbeitern sogar fast 11 | |
Prozent. | |
Der Flüchtlingsrat weiß von einem Telefonat von Gesundheitsstaatssekretär | |
Martin Matz (SPD) mit einer Flüchtlingshelferin in der letzten Woche. Dort | |
soll Matz gesagt haben, er hätte nicht gewusst, dass die Mitarbeiter von | |
Flüchtlingsheimen keine Impfcodes erhalten hätten. Die Impfcodes seien | |
„längst“ an die Senatsverwaltung für Soziales gegangen „und hätten Anf… | |
April verteilt werden sollen“, soll Matz gesagt haben. Die | |
Gesundheitsverwaltung äußert sich dazu auf taz-Anfrage nicht. Eine | |
Sprecherin von Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) weist das hingegen | |
scharf zurück. Ihre Verwaltung hätte zwar 20 000 Impfcodes für Beschäftigte | |
in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung erhalten, jedoch nicht die 4 | |
000 für Beschäftigte in Flüchtlingsunterkünften und der Wohnungslosenhilfe, | |
die im April bestellt worden waren. | |
„In der Senatsverwaltung für Gesundheit scheint Chaos zu herrschen“, sagt | |
Georg Classen vom Flüchtlingsrat dazu. Davon zeugt auch die Antwort dieser | |
Verwaltung auf eine parlamentarische Anfrage der FDP: Dort schreibt | |
Staatssekretär Martin Matz Anfang April, den Bewohnern von Obdachlosen- und | |
Asylunterkünften [2][seien bereits Impfangebote gemacht worden] und die | |
Einladung der Betroffenen zum Impfen „weitgehend abgeschlossen“. Zu diesem | |
Zeitpunkt war aber noch keine einzige Einladung erfolgt. | |
Die Zahl der Bewohner und Mitarbeiter von Obdachlosen- und Asylunterkünften | |
gibt Matz mit lediglich 16 000 an. In Wirklichkeit liegt sie bei mindestens | |
58 000. Classen bezeichnet es als „unverantwortlich, rechtswidrig und | |
diskriminierend“, dass die Bewohner und Mitarbeiter von Asylunterkünften | |
noch nicht geimpft wurden. | |
## Riesige Herausforderung | |
Unklar ist, wie die 33 000 Flüchtlinge und Obdachlosen sowie eine | |
unbekannte Zahl von Mitarbeitern geimpft werden, die in über 100 von den | |
Bezirken betriebenen Heimen wohnen und arbeiten. Bisher wurden nach | |
Behördenangaben erst zu den wenigen dieser Heime Impfteams geschickt, in | |
denen Pflegefälle wohnen. Für die anderen bezirklichen Heime, so die | |
Breitenbach-Sprecherin, „haben wir bei der Senatsverwaltung für Gesundheit | |
Impfteams angefordert. Hierzu gibt es noch keinen Rücklauf.“ Der Einsatz | |
mobiler Impfteams dort wird organisatorisch eine riesige Herausforderung, | |
denn dort sind fast nie Sozialarbeiter tätig. Die wären aber nötig, die | |
Bewohner und Mitarbeiter über den Termin zu informieren, ihnen Fragen zu | |
den Impfstoffen zu beantworten, einen Raum bereitzustellen und ähnliches. | |
Während sich fast alle Mitarbeiter von Asylunterkünften nach Kenntnis der | |
taz impfen lassen wollen, ist die Impfbereitschaft der Bewohner gering. Das | |
Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten spricht von zehn bis 60 Prozent | |
Impfwilligen. Sozialarbeiter, mit denen die taz sprach, sprechen von 20 | |
Prozent in ihren Heimen. Dazu tragen Verschwörungen in vielen Sprachen der | |
Flüchtlinge bei, wonach die Covid-Impfung unfruchtbar mache. Aber auch die | |
schlechte Organisation der Impfaktion spielt eine Rolle. Laut Georg Classen | |
würden einzelne Heime erst mit einem Tag Vorlauf erfahren, dass ein mobiles | |
Impfteam kommt. Bewohner, die Arbeit haben, können sich nicht so schnell | |
einen freien Tag organisieren. | |
16 May 2021 | |
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## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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