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# taz.de -- Möglicher Regierungschef Naftali Bennett: Siedeln als Programm
> Vom Millionär zum Regierungschef? Der nationalreligiöse Naftali Bennett
> will Siedlungen im Westjordanland legalisieren. Ein Porträt.
Bild: Naftali Bennett fährt mit seiner Partei „Jamina“ eine radikale Pro-S…
Der modern-orthodoxe Jude Naftali Bennett lebt mit seiner säkularen Frau
und vier Kindern in Israels Kernland und nicht in einer Siedlung in den
besetzten Gebieten. Doch die Verbindungen, die [1][Bennett in die
Siedlerbewegung] hat, sind kaum zu unterschätzen: 2010 wurde er für zwei
Jahre Vorsitzender des Jescha-Rates, der Dachorganisation der jüdischen
Siedlungen im Westjordanland.
Seine politische Karriere begann er 2006 als Stabschef von [2][Benjamin
Netanjahu], der damals in der Opposition war. 2012 trat er aus dem Likud
aus, wohl auch wegen persönlicher Animositäten zwischen ihm und den
Netanjahus, trat der nationalreligiösen Partei „Jüdisches Heim“ bei und
wurde kurz darauf zu deren Vorsitzendem gewählt.
In einer Regierungskoalition unter Netanjahu hatte er diverse
Ministerposten inne, unter anderem das Amt für Jerusalem-Angelegenheiten
und das für Wirtschaft. 2019 wurde er unter Netanjahu
Verteidigungsminister, sein Herzensamt, das er allerdings nur für sechs
Monate innehatte.
Im Versuch, seine politische Anhängerschaft über das religiös-zionistische
Lager hinaus zu erweitern und ein breiteres rechtes Publikum anzusprechen,
gründete er mit Ayelet Shaked 2018 „Die neue Rechte“. Der Partei gelang bei
den Wahlen 2019 nicht der Einzug ins Parlament, doch mit der Neuauflage
„Jamina“ schaffte sie es bei den letzten Wahlen im März 2021 auf sieben
Sitze.
## Legalize it?
Gayil Talshir, Politikprofessorin an der Hebräischen Universität Jerusalem,
hält Bennett für einen der radikalsten Köpfe in Sachen Siedlungsbau. Er
trieb etwa das sogenannte Gesetz Junge Siedlungen voran, in dem es um die
sogenannten Außenposten ging. Laut Völkerrecht sind alle israelischen
Siedlungen in den besetzten Gebieten illegal, laut israelischem Recht nur
die Außenposten, die oft nachträglich legalisiert werden.
Das Gesetz „Junge Siedlungen“ sollte 66 Außenposten innerhalb von zwei
Jahren legalisieren. Das Oberste Gericht kippte das Gesetz jedoch 2020 –
eine Entscheidung, die Bennetts und Shakeds Zorn auf sich zog und Shaked zu
einer noch heftigeren Kritikerin des Obersten Gerichts machte.
Mit der radikalen Pro-Siedlungs-Linie stünde Bennett in der [3][avisierten
Koalition] nicht alleine da. Rückendeckung hätte er nicht nur von den
anderen Abgeordneten der Jamina-Partei, sondern auch von Zeev Elkin von der
ebenfalls rechten Partei „Neue Hoffnung“, selbst prominenter Siedler, der
sich ebenfalls die Legalisierung von Außenposten auf die Fahne geschrieben
hat.
## Frage um Außenposten noch nicht vollends geklärt
Die Außenposten dürften, so Talshir, eine der größten Zerreißproben für
eine mögliche Einheitsregierung werden. Im Allgemeinen wird davon
ausgegangen, dass die Taktik der Regierung die Beibehaltung des Status quo
wäre. Doch wie die Regierung mit den Außenposten umgehen wird, werde sich
zeigen müssen. „Auch ist die Frage, was am Ende in der Praxis geschehen
wird und ob möglicherweise Siedlungen weitergebaut werden, ohne dass dies
verkündet wird“, ergänzt Talshir.
Die meisten Analyst*innen sind sich außerdem darin einig, dass der Likud
und die ultrarechte Partei Religiöser Zionismus aus der Opposition heftigen
Druck ausüben und rechte politische Themen wie Siedlungsbau zu einem
umstrittenen Thema machen würden, um die vermeintliche Unfähigkeit der
Regierung zu demonstrieren.
In seiner letzten Wahlkampagne hat das Jamina-Duo den Fokus vom Thema
Siedlungen hin zu wirtschaftlichen Themen gelenkt. Es wird sich zeigen, ob
Bennett als Staatsmann in internationaler Arena noch weiter von seiner
Rolle des Siedlerführers abrückt.
1 Jun 2021
## LINKS
[1] /Der-neue-Politstar-in-Israel/!5075830
[2] /Regierungsbildung-in-Israel/!5771585
[3] /Regierungsbildung-in-Israel/!5771585
## AUTOREN
Judith Poppe
## TAGS
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Israel
Jüdische Siedler
Naftali Bennett
Westjordanland
Benjamin Netanjahu
Israel
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