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# taz.de -- Regierungsbildung in Israel: Stimmung wie vor dem Rabin-Mord
> Anhänger von Israels Noch-Premier Netanjahu hetzen offen gegen die neue
> Regierung von Naftali Bennett. In Jerusalem kommt es zu Festnahmen.
Bild: Die TV-Reporterin Givara Budeiri wird am Samstag in Jerusalem von der Pol…
Jerusalem dpa/afp | Angesichts neuer Drohungen, die sich gegen die
Vereidigung einer neuen Regierung in Israel richten, hat der Chef des
Inlandsgeheimdienstes vor Blutvergießen gewarnt. Anhänger des bisherigen
Regierungschefs Benjamin Netanjahu üben großen Druck aus, um [1][die
Vereidigung der Regierung] zu verhindern. Demonstranten beschimpften den
designierten Ministerpräsidenten Naftali Bennett auf Kundgebungen als
„Verräter“ und verbrannten das Porträt des 49-Jährigen.
Deshalb erhält Bennett seit Donnerstag Schutz vom Inlandsgeheimdienst Schin
Bet. „In letzter Zeit identifizieren wir eine Verstärkung und schlimme
Radikalisierung aggressiver und hetzerischer Debatten, vor allem in
sozialen Netzwerken“, sagte Schin-Bet-Chef Nadav Argaman am Samstagabend.
Dies könne als Legitimierung von Gewalt und Blutvergießen ausgelegt werden.
Zudem nährt ein für Donnerstag geplanter [2][Flaggenmarsch
nationalistischer Israelis in Jerusalems Altstadt], der auch durch das
muslimische Viertel führt, die Sorge vor einer neuen Eskalation der Gewalt.
Der palästinensische Vize-Gouverneur Jerusalems, Abduallah Siam, warnte vor
einer „Explosion“ in der Stadt.
Der scheidende Ministerpräsident Netanjahu hatte Bennett zuvor scharf
angegriffen. Als „Betrug des Jahrhunderts“ bezeichnete er die geplante
Koalition von Bennetts ultrarechter Jamina-Partei mit sieben weiteren
Parteien aus allen politischen Lagern. Netanjahu wiederholte seine Angriffe
am Sonntag bei einer Sitzung seiner Fraktion. Er verurteile jede Hetze und
Gewalt, „auch wenn die andere Seite hetzt“. Der 71-Jährige sprach von einem
„Versuch, der Rechten das Maul zu stopfen“.
## „Echte Bedrohung der geordneten Machtübergabe“
Die israelische Nachrichtenseite ynet schrieb, die gegenwärtige Hetze
erinnere stark an jene vor dem Mord an dem Regierungschef Jitzchak Rabin
durch einen rechtsextremen jüdischen Fanatiker im November 1995. Der
bekannte Kommentator Barak Ravid von der Nachrichtenseite Walla verglich
die Lage mit der Erstürmung des US-Kapitols durch Anhänger Donald Trumps im
Januar. „Es besteht eine echte Bedrohung der geordneten Machtübergabe in
Israel“, sagte er am Sonntag.
Für weitere Spannungen sorgte der für Donnerstag geplante Flaggenmarsch.
Der letzte Marsch anlässlich des Jerusalem-Tags war am 10. Mai wegen
Raketenangriffen der im Gazastreifen herrschenden Hamas auf die Stadt
abgebrochen worden. Verteidigungsminister Benny Gantz vom Mitte-Bündnis
Blau-Weiß forderte eine Absage des Marsches aus Sicherheitsgründen. Einer
der Veranstalter, Bezalel Smotrich von der religiös-zionistischen Partei,
warf Gantz vor, er gebe Hamas-Drohungen nach. Der Abgeordnete Ram Ben Barak
von der Zukunftspartei sagte, Ziel der Veranstaltung sei es, die
Vereidigung der neuen Regierung zu vereiteln.
Die islamistische Hamas nannte den Angriff eine „Botschaft“ und Reaktion
auf Israels Vorgehen auf dem Tempelberg und in dem Viertel Scheich
Dscharrah. Die Hamas hat im Fall neuer „Verstöße“ Israels in Jerusalem mit
neuen Angriffen gedroht.
Die israelische Polizei hat am Sonntag eine bekannte palästinensische
Aktivistin vorübergehend festgenommen. Die 23-jährige Mona al-Kurd sei von
der Polizei abgeführt und zu einer Polizeiwache gebracht worden, sagte ihr
Vater. Für ihren Zwillingsbruder Mohammed hätten die Beamten eine Vorladung
hinterlassen.
## Aktivistin macht auf Instagram mobil
Die Familie al-Kurd gehört zu den 30 [3][von Zwangsräumung bedrohten
palästinensischen Familien in dem Viertel Scheich Dscharrah in
Ostjerusalem]. Die Zwillinge hatten im Internet gegen das Vorgehen der
israelischen Behörden mobil gemacht, ihnen folgen auf Instagram und Twitter
inzwischen insgesamt mehr als eine halbe Million Menschen.
Die israelische Grenzpolizei nahm am Samstag auch die Reporterin Giwara
Budeiri des katarischen Fernsehsenders Al-Dschasira während der
Berichterstattung aus dem Jerusalemer Viertel Scheich Dscharrah gewaltsam
fest. Sie wurde am Abend freigelassen, musste jedoch mit einem gebrochenen
Arm am Sonntag zur Beobachtung im Hadassah-Krankenhaus bleiben.
6 Jun 2021
## LINKS
[1] /Moeglicher-Regierungschef-Naftali-Bennett/!5771584
[2] /Ausschreitungen-in-Israel/Palaestina/!5770722
[3] /Auseinandersetzungen-in-Israel/!5766297
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