# taz.de -- Linke kürt Spitzenkandidat:innen: Vorwärts und nur noch kämpfen | |
> Janine Wissler und Dietmar Bartsch führen die Linke in den Wahlkampf. | |
> Ziel ist nicht das Kanzleramt. Schön wäre schon der Klassenerhalt im | |
> Bundestag. | |
Bild: Spitzenduo der Linkspartei: Janine Wissler und Dietmar Bartsch am Montag … | |
BERLIN taz | Für die Linke geht es jetzt ums Ganze. Nach außen, wie nach | |
innen. Angriffslustig und optimistisch gaben sich [1][Janine Wissler] und | |
[2][Dietmar Bartsch] am Montag in ihren Antrittsreden als frisch gekürte | |
Spitzenkandidat:innen. Man wolle die Prämissen der Politik verändern und | |
nicht zurück zum kapitalistischen Normalzustand von vor Corona, sagte | |
Wissler. Und Bartsch betonte, dass man nicht nur an Stellschrauben drehen | |
werde, sondern die Gesellschaft grundsätzlich verändern wolle. | |
Der eigentlich 44-köpfige Vorstand der Linkspartei hatte das Spitzenduo am | |
Morgen offiziell gekürt: Mit 32 Stimmen dafür und 4 Gegenstimmen, fiel die | |
Krönungsmesse der Linken vom Ergebnis aber auch vom Anspruch bescheidener | |
aus als bei Grünen und SPD. Das Kanzleramt ist nicht das Ziel. Schön wäre | |
schon der Bundestag. | |
Ums Ganze geht es nämlich auch für Partei. Trotz der durch die Coronakrise | |
schärfer zutage tretenden sozialen Unterschiede in der Gesellschaft, trotz | |
der Schwäche der Union und einer stagnierenden SPD kann die Linke nicht | |
zulegen. Im Gegenteil. Umfragen sagen ihr derzeit sechs Prozent für die | |
Bundestagswahl im September voraus. Die Fünf-Prozent-Hürde rückt in | |
bedrohliche Nähe. | |
Intern ist der Ernst der Lage allen bewusst. Auch deshalb haben Partei- und | |
Fraktionsspitze das Spitzenduo nach dem Krach von vor vier Jahren diesmal | |
im Flüstermodus nominiert. Schon Mitte April einigten sich die beiden | |
Parteivorsitzenden Susanne-Hennig Wellsow und Janine Wissler gemeinsam mit | |
dem Bundesgeschäftsführer darauf, dass Wissler die Partei in den Wahlkampf | |
führen solle. Hennig-Wellsow hätte als Parteivorsitzende gemeinsam mit | |
Wissler antreten können, trat aber zugunsten von Bartsch zurück. | |
## Zwei Generationen, zwei Pole der Linkspartei | |
Zum einen weil sie nach zwei missglückten Talkshowauftritten in der | |
Außenwahrnehmung angezählt ist, vor allem aber um den innerparteilichen | |
Frieden zu wahren. Denn Bartsch hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er | |
mit dem medienwirksamen Posten des Spitzenkandidaten liebäugelt. Schon 2017 | |
hatte er die Linke zusammen mit Sahra Wagenknecht in den Wahlkampf geführt. | |
Wissler, die zurzeit noch die hessische Linksfraktion im Wiesbadener | |
Landtag anführt, war zunächst zögerlicher. Doch zwei Tage nachdem die | |
Entscheidung im kleinen Kreis gefallen war, [3][gab sie öffentlich | |
bekannt], ihre Ämter in Wiesbaden zum Herbst aufzugeben und für den | |
Bundestag zu kandidieren. | |
Die 39-jährige Wissler und der 63-jährige Bartsch stehen für zwei | |
Generationen und für zwei Pole der Linkspartei. Der in der DDR | |
aufgewachsene Bartsch war schon Mitglied der SED, die 1990 zur PDS wurde. | |
Er ist fest im ostdeutschen Reformerlager verankert, wo man pragmatisch und | |
machtpolitisch denkt und nie Scheu davor hatte, mit der politischen | |
Konkurrenz Regierungsbündnisse einzugehen. | |
Wissler hat sich schon als Schülerin in Protestbewegungen engagiert und als | |
Studentin den hessischen Zweig der Wahlalternative Arbeit und Soziale | |
Gerechtigkeit mit gegründet, der sich 2007 mit der PDS zur Linken | |
vereinigte. Sie steht den Bewegungslinken nahe, einer noch jungen, aber | |
einflussreichen Strömung innerhalb der Partei, die machttaktische | |
Zweckbündnisse inner- und außerhalb der Linken äußerst kritisch sieht. | |
## Bloß keine Identitätsdebatten | |
Die Differenzen zwischen ihnen übergingen Bartsch und Wissler am Montag | |
bewusst. Regierungsverantwortung ja oder nein? „Fragen Sie das im Wahlkampf | |
nicht mehr“, wiegelte Bartsch ab. | |
Beide betonten hingegen die Inhalte, für die die Linke steht: Ein | |
Mindestlohn von 13 Euro, ein Sozialsystem, das vor Armut schützt, einen | |
Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft mit dem Ziel, dass Deutschland bis | |
2035 klimaneutral wirtschaftet. Das ist noch ambitionierter formuliert als | |
bei den Grünen. In deren Wahlprogramm ist vermerkt, dass Deutschland 70 | |
Prozent weniger CO2 bis 2030 produzieren soll. | |
Der Auftritt der beiden war auch ein Versprechen an die in inneren Debatten | |
zerriebene Partei: Man wolle die Dinge zusammen denken, anstatt sie | |
gegeneinander zu stellen, betonten beide. Das gilt vor allem für die | |
parteiübergreifend beliebte Diskussion um Identitäts- versus | |
Klassenpolitik. Diese Debatte nütze niemandem, sagte Bartsch und Wissler | |
bekräftigte: „Wir stehen an der Seite von Gewerkschaften und Beschäftigten, | |
sind aber auch Ansprechpartner für Protestbewegungen.“ | |
Klar ist: Die Spitzenkandidat:innen wollen innerparteiliche | |
Rangeleien in den Hintergrund verbannen. Zumindest bis nach der | |
Bundestagswahl. | |
10 May 2021 | |
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## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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