| # taz.de -- Freier Zugang zu Berliner Gewässern: Nie mehr nah am Wasser bauen | |
| > Ein parlamentarischer Beschluss von Rot-Rot-Grün soll sicherstellen, dass | |
| > alle Berliner Ufer zugänglich bleiben – oder werden. | |
| Bild: Freier Zugang zum Ufer ist keine Einbahnstraße | |
| „Sozialismus!“, schallte es in der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses am | |
| Donnerstag von rechts den RednerInnen der Koalitionsfraktionen entgegen. | |
| Die wollten nun offenbar alles enteignen, was ihnen unter die Finger komme. | |
| Dabei ging es im Kern eigentlich nur um diesen Satz: „Der Senat wird | |
| aufgefordert, sicherzustellen, dass alle Ufer der Berliner Gewässer | |
| grundsätzlich öffentlich zugänglich sind und so naturnah wie möglich | |
| gestaltet werden.“ | |
| Es hatte lange gedauert, bis sich Rot-Rot-Grün auf die Wortwahl für den | |
| [1][Antrag] einigte, in dem dieser Satz steht. Jetzt könnte das Parlament | |
| noch vor der Sommerpause den „Freie-Ufer-Beschluss“ fassen, wie ihn die | |
| ehemalige Bundesfamilienministerin vermutlich genannt hätte. Das Wort | |
| „Enteignung“ taucht in dem Dokument nun gar nicht auf, allerdings heißt es, | |
| die Landesregierung solle „alle Instrumente des Baugesetzbuchs prüfen und | |
| bei Bedarf konsequent anwenden“. | |
| Zu diesen Instrumente gehört selbstverständlich auch die Enteignung | |
| privater Flächen zu Zwecken des Gemeinwohls. Für manche ist das die | |
| Verlängerung einer Stadtautobahn, für andere eben der ungehinderte Zugang | |
| zu den vielen fließenden und stehenden Berliner Gewässern. Die | |
| Attraktivität von Lagen am Wasser – das ist der Hintergrund des politischen | |
| Vorstoßes – ist auch Investoren bekannt, die etwa für Eigentumswohnungen am | |
| Fluss- oder Seeufer weitaus höhere Preise abrufen können. | |
| Tatsächlich gibt es ja schon viele Grundstücke, die einen Keil in das | |
| kontemplative Spazierengehen am Wasser treiben bzw. freies | |
| Beinebaumelnlassen verunmöglichen. Dass nach dem Parlamentsbeschluss die | |
| Bagger ausrücken, ist aber nicht zu erwarten: Erst einmal soll der Senat | |
| öffentliche und private Uferabschnitte kartieren, um dann zusammen mit den | |
| Bezirken ein „Berliner Uferwegekonzept“ vorzulegen, das ökologische | |
| Gesichtspunkte in den Mittelpunkt stellt. | |
| Anschließend sollen die Uferflächen durch Bebauungspläne gesichert und eine | |
| Bauverbotszone ausgewiesen werden – „in einer Tiefe von ungefähr 10 Metern | |
| vor Berliner Gewässern“. Außerdem, so der Antrag, seien Orte für | |
| öffentliche Einstiegs- und Anlegestellen für die „nicht-motorisierte | |
| Wassernutzung“ zu definieren. | |
| ## Ein langer Kampf | |
| Gegenüber der taz freute sich der stadtentwicklungspolitische Sprecher der | |
| SPD-Fraktion, Daniel Buchholz, über diesen Erfolg kurz vor Ende der | |
| Legislaturperiode. „Ich habe mich schon Anfang der 90er als | |
| Bürgerdeputierter in der BVV Spandau gegen die Bebauung der Wasserkante | |
| ausgesprochen, was damals als modern galt. Aber es bietet eben nur wenigen | |
| einen Vorteil und schließt die meisten aus.“ | |
| Seine Kollegin der Grünen, Daniela Billig, wies die Sozialismus-Vorwürfe | |
| von sich: „Es geht nicht darum, nach dem Gießkannenprinzip vorzugehen. Wir | |
| müssen uns alles immer im Details ansehen.“ Enteignungen könnten etwa dort | |
| sinnvoll und geboten sein, wo einzelne private Flächen längere Uferwege | |
| auseinanderreißen. Das treffe auch auf viele Industrieflächen zu: „Die | |
| wurden in der Vergangenheit oft am Wasser gebaut weil sie diesen Zugang | |
| benötigten. Das hat sich in vielen Fällen geändert.“ | |
| 21 May 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/DruckSachen/d18… | |
| ## AUTOREN | |
| Claudius Prößer | |
| ## TAGS | |
| Spreeufer | |
| Gewässer | |
| Enteignung | |
| Berlin-Charlottenburg | |
| Holzmarkt | |
| Monika Grütters | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Ausbau des Spreewegs: Zu zügig durch den Grünzug | |
| Der Dialog zum Ausbau des „Spreewegs“ in Charlottenburg geht einigen | |
| Beteiligten zu schnell. Sie fürchten um den naturnahen Charakter der | |
| Strecke. | |
| Spreeufer für alle: „Die Baubürokratie ist entsetzlich“ | |
| Die Lage im Holzmarkt ist verfahren. Dabei sei das Hippie-Dorf auch wegen | |
| der Lebendigkeit des Projekts sehr wichtig, sagt Michael Sontheimer. | |
| CDU-Politikerin über East Side Gallery: „Am besten gar keine Bebauung“ | |
| Am besten wäre gar keine Bebauung des Mauerstreifens, sagt Monika Grütters, | |
| Vorsitzende des Bundestagskulturausschusses. |