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# taz.de -- Justiz in Polen: Keine Festnahme
> Im Fall von Igor Tuleya fällt ein sensationelles Urteil. Dem Richter,
> Kritiker der rechten PiS-Regierung, wird Geheimnisverrat vorgeworfen.
Bild: Eine Unterstützerin von Igor Tuleya hat sich vor den Gerichtshof gelegt
Warschau taz | Das sensationelle Urteil an der [1][(illegalen)
Disziplinarkammer] am Obersten Gericht in Warschau fiel mitten in der
Nacht. Richter Igor Tuleya, dem die Staatsanwaltschaft Geheimnisverrat
vorwirft, darf nicht festgenommen und von der Polizei zum Verhör bei der
Staatsanwaltschaft zwangsvorgeführt werden, verkündete Richter Adam Roch am
Donnerstag um 23 Uhr.
Roch ist eigentlich Staatsanwalt und kam nur durch den neuen und stark
politisierten Landesjustizrat (Neo-KRS) an die von der
nationalpopulistischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS)
ebenfalls neu gegründete Disziplinarkammer. Was dort über 20 Stunden lang
verhandelt wurde, welche Argumente fielen, ist unbekannt, da die Kammer das
Verfahren auf Wunsch der PiS als „geheim“ einstufte.
Jacek Dubois, der Verteidiger Tuleyas und einer der bekanntesten Anwälte
Polens, kommentierte den Aufsehen erregenden Fall Freitag früh im Radio:
„Ich dachte, uns würde dort eine Guillotine erwarten, aber das Urteil von
Staatsanwalt Roch hätte ich nicht besser formulieren können. Mein Mandant
ist unschuldig. Von Geheimnisverrat kann keine Rede sein!“ Kurz darauf
entschuldigte er sich für seinen Versprecher: „Pardon, es handelt sich um
kein Urteil, da wir es bei der Disziplinarkammer ja weder mit einem Gericht
noch mit Richtern zu tun haben.“
Draußen in der Kälte stand vor dem Obersten Gericht [2][Richter Tuleya],
unterhielt sich leise mit seinen Unterstützern und gab Interviews. Die
Disziplinarkammer hatte ihm zuvor die Richter-Immunität entzogen, so dass
die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermitteln konnte.
## Ermittlungen gehen weiter
Tuleya war bislang weder den Vorladungen der Disziplinarkammer gefolgt, da
er sie für illegal hält, noch denen der Staatsanwaltschaft, da die
Aufhebung seiner Immunität seiner Ansicht nach ungültig war. Das hatte ihm
auch ein anderes Gericht bereits bestätigt.
Dieses Urteil aber hatte weder die Staatsanwaltschaft anerkannt noch der
Chef Tuleyas am Bezirksgericht Warschau-Zentrum. Und so ermittelte die
Staatsanwaltschaft weiter und will nun auch in Berufung gehen, während
Tuleya zwar noch ein Büro am Bezirksgericht hat, das aber leergeräumt
wurde. Er hat Berufsverbot.
„Ich fühle mich auch nach diesem Urteil nicht sicher. Irgendwann werden sie
mich holen“, sagt er nüchtern. „Enttäuscht bin ich allerdings von der EU,
die anscheinend unfähig ist, der Zerstörung des Rechtsstaats in einem ihrer
Mitgliedsländer etwas entgegenzusetzen.“
23 Apr 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Gabriele Lesser
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