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# taz.de -- Politische Morde im Irak: Im Visier der Todeskommandos
> Über zwei Dutzend junge Reformer wurden im Irak Opfer gezielter
> Anschläge. Am Wochenende wurden zwei weitere Aktivisten niedergeschossen.
Bild: Trauerzug für den ermordeten Lokalaktivisten Ihab Dschawad al-Wasani in …
Kairo taz | Die politischen Morde im Irak reißen nicht ab. Die Opfer sind
stets bekannte Aktivisten gegen Korruption und Misswirtschaft, die seit
Ende 2019 auf die Straße gehen.
Am gefährlichsten ist der Dissens in Süden des Landes, in dem schiitische
Parteien und deren Milizen den Ton angeben. Dort kämpfen schiitische
Milizen und die Reformaktivisten um die innerschiitische Deutungshoheit.
Am vergangenen Wochenende schlugen die Todeskommandos dort gleich zwei Mal
zu. Zunächst wurde der sogenannte Held von Kerbala, der lokale Aktivist
Ihab Dschawad al-Wasani, am Sonntagmorgen vor seinem Haus in der
südirakischen Stadt niedergeschossen und war auf der Stelle tot.
Wenige Stunden darauf kam es in der südirakischen Stadt Diwanija zu einem
weiteren Mordanschlag. Der für seine Kritik an den Verhältnissen in seiner
Stadt bekannte Fernsehjournalist Ahmad Hassan wurde ebenfalls
niedergeschossen. Er schwebt in Lebensgefahr.
## Keine Bekennerschreiben
Seit die Proteste im Irak letzten Oktober begonnen haben, wurden mindestens
30 Aktivisten auf ähnliche Art und Weise gezielt erschossen. Dutzende
andere wurden entführt. Verantwortlich zeichnet niemand. Aber die
Jugendlichen, die in Kerbala, Diwanija und Nassrija nach dem Anschlag auf
al-Wasani wütend auf die Straße gingen, Reifen anzündeten und Straßen
blockierten, ließen wenig Zweifel daran, aus welchen Reihen die Mörder
ihrer Meinung nach stammen.
„Jedes Kind weiß, woher die Mörder kommen. Sie stammen aus den Reihen der
bewaffneten Milizen, die von anderen regionalen Mächten unterstützt
werden“, sagte der Demonstrant Said al-Sumeri in Kerbala gegenüber der
Nachrichtenagentur AP. Ein anderer, nicht namentlich genannter Aktivist
wurde gegenüber dem arabischen Dienst der britischen BBC noch deutlicher:
„Verantwortlich sind die vom Iran unterstützten Milizen. Sie werden uns
noch alle töten. Sie bedrohen uns, während unsere Regierung schweigt.“
„[1][Iran raus]“ und „Das Volk möchte den Sturz des Regimes“, skandier…
sie auf der Beerdigung al-Wasanis unter einem Meer irakischer Flaggen.
Zuvor hatten Demonstranten Feuer an der Mauer und dem Eingang des lokalen
iranischen Konsulats in Kerbala gelegt. Am Montag verurteilte der Sprecher
des iranischen Außenministeriums, Said Khatibzadeh, den Angriff auf seine
diplomatische Vertretung und erklärte, es sei laut internationalem Recht
die Pflicht der irakischen Regierung, das iranische Konsulat in Kerbala zu
schützen.
Iraks Ministerpräsident Mustafa al-Kadhemi versprach den Demonstranten,
alle Mörder zur Rechenschaft zu ziehen. Aber die Familie des ermordeten
al-Wasani erklärte, dass sie keine offiziellen Beileidsbesuche akzeptieren
werde, solange die Mörder nicht dingfest gemacht seien.
## Zwischen allen Stühlen
Premier al-Khadhemi sitzt zwischen allen Stühlen. Proiranische Gruppen
werfen ihm vor, eine Marionette der USA zu sein. Und die jungen
Demonstranten sind von ihm enttäuscht, weil er es nicht geschafft hat, die
versprochenen politischen Reformen durchzusetzen oder die Morde an
Aktivisten aufzuhalten. Auch der ermordete al-Wasani hatte al-Khadhemi
kritisiert. „Weißt du, dass sie uns töten und entführen, oder lebst du in
einem anderen Land“, fragte er den Premier im Februar auf Facebook.
Die Morde stellen für viele irakische Aktivisten auch die für Oktober
angesetzte Parlamentswahl infrage. Auf Twitter zirkuliert nach dem Mord an
al-Wasani ein Hashtag, der zum Boykott aufruft. Nur in Abwesenheit der
Milizen könne eine demokratische Atmosphäre geschaffen werden, heißt es
dort.
Vielleicht ist es auch anderer Tweet von @HaydarSH, der die Stimmung unter
den jungen irakischen Aktivisten am besten wiedergibt: „Ein Freund hat
einmal gesagt, sterben sei das Leichteste im Irak. Ohne uns Rechenschaft
abzulegen, werden wir uns niemals nach vorne bewegen“.
10 May 2021
## LINKS
[1] /Unruhen-im-Irak/!5645107
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
## TAGS
Irak
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