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# taz.de -- Studienautorin über Ost-Kohleausstieg: „Es gibt Angst vor der En…
> Die Fokussierung auf Märkte ist beim Strukturwandel nach dem
> Kohleausstieg im Osten der falsche Weg. Studienautorin Anna Schüler kennt
> Alternativen.
Bild: Alles mitnehmen beim Ausstieg: Ein Kohlebagger überquert eine Straße im…
taz: Frau Schüler, in einer von Ihnen mitverfassten [1][Studie der
Rosa-Luxemburg-Stiftung] beklagen Sie, dass beim Strukturwandel im
mitteldeutschen Braunkohlerevier nur ein verengtes Verständnis von
regionaler Entwicklung umgesetzt wird. Was bedeutet das genau?
Anna Schüler: Gegenwärtig folgen die Planungen und Leitbildprozesse der
dominanten Erzählung von Strukturentwicklung: fokussiert auf Märkte, auf
Innovationen und die ‚Green Economy‘. Das ist einleuchtend, wenn man an
Arbeitsplätze und daran denkt, dass ein zentraler Zweig der Wertschöpfung
wegfällt. Aber es ist zu kurz gedacht. Denn erstens steht dabei nicht die
Frage im Fokus, [2][wie die Menschen vor allem im Kernrevier, also im
ländlichen Raum, leben wollen] und was dafür gebraucht wird. Und zweitens
ist es als Antwort auf die Klimakrise nicht ausreichend, ein paar
Industrien grüner zu machen. Das lässt außer Acht, wie tiefgreifend alle
gesellschaftlichen und ökonomischen Bereiche transformiert werden müssen.
Thema Arbeit: Der Braunkohleabbau ist einer der bedeutsamsten
Industriezweige der Region und wichtiger Arbeitgeber für viele Menschen.
Was passiert durch den Strukturwandel mit den Existenzen?
Für einen Teil der direkt in der Kohle Beschäftigten sind Anpassungsgelder
vorgesehen, das gilt aber nicht für alle. Zudem dauert die Phase der
Anpassung in Sachsen-Anhalt wohl noch bis in die 2030er Jahre. Die
Hoffnung, dass auch [3][die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft
(Mibrag)] einen Umbauprozess anstößt und sich durch andere Formen der
Energieerzeugung als Energiedienstleister und Arbeitgeber in der Region
etabliert, haben wir nicht. Der Mibrag-Eigentümer hat in den vergangenen
Jahren vor allem darauf spekuliert, dass die Energiewende verzögert wird.
Umso mehr glauben wir, dass über andere Formen des Wirtschaftens
nachgedacht und diese entsprechend förderbar werden müssen:
gemeinwohlorientierte Unternehmen, lokale Wertschöpfung, Genossenschaften.
Gefördert werden derzeit zum Beispiel Straßenbauprojekte in der Region. Sie
kritisieren, dass zu wenig Geld in Demokratieförderung, soziale und
kulturelle Infrastrukturen fließt. Wiederholen sich in Sachsen-Anhalt auch
die Erfahrungen mit der Strukturpolitik nach der Wende und die Angst vor
einem erneuten Strukturbruch?
Das ist die am häufigsten geäußerte Befürchtung in den Gesprächen, die wir
geführt haben. Das gibt es bei Kohlebeschäftigten, im Kulturverein oder in
der Lokalpolitik: die nachvollziehbare Angst vor der Entkopplung. Die
Menschen wollen mitreden, es gibt den Wunsch, sich zu beteiligen und aktiv
mitzugestalten. Diese Hoffnungen gilt es nicht zu enttäuschen, weil Politik
sonst einen enormen Vertrauensverlust riskiert. Wenn aber die
Beteiligungsprozesse nicht langfristig angelegt sind, oder die
Zivilgesellschaft in den Gremien, die über Fördermittelkriterien und deren
Vergabe entscheiden, nicht vertreten ist, wie sollen
Entkopplungserfahrungen dann aufgefangen werden?
Mit der Studie versuchen Sie, auf diese Fragen auch Ausblicke zu
formulieren. Was bräuchte es für eine echte sozial-ökologische
Strukturpolitik?
Eine Frage ist der Zeitfaktor. Die Klimakrise wird sich nicht an
Förderzyklen halten. Daher sehen wir in den Strukturwandelprozessen gerade
zentrale Hebel für Transformationen. Dafür braucht es eine Abkehr von der
bisherigen
Politik der großen Unternehmen und einen Fokus auf lokale Wertschöpfung.
Ökologische und Klimaneutralitätskriterien und Demokratisierung müssen
Grundlage für den Umbau sein, auch in der Förderung. Wir plädieren auch
dafür, vor allem den ländlichen Raum als Priorität zu behandeln.
Wachstumspole wie Leipzig oder Halle haben [4][andere Zugänge und
Ressourcen als Gemeinden wie Hohenmölsen oder Zeitz].
9 Apr 2021
## LINKS
[1] https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Studien/Studien_5-21_Stru…
[2] /Klimaverein-ueber-Ost-Strukturwandel/!5621876
[3] /Ort-in-Sachsen-vor-Baggern-gerettet/!5745883
[4] /Revitalisierung-schrumpfender-Staedte/!5738231
## AUTOREN
Sarah Ulrich
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Schwerpunkt Klimawandel
Braunkohle
Sachsen-Anhalt
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Lesestück Recherche und Reportage
Braunkohle
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