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# taz.de -- Defekte Fischtreppe in Geesthacht: Endstation für den Stint
> Die Stintbestände drohen einzubrechen, weil die Fischtreppe in Geesthacht
> ganz oder teilweise außer Betrieb ist. Die Frage ist: Wer kümmert sich?
Bild: Kein Durchkommen mehr: Die defekte Fischtreppe am Stauwehr Geesthacht im …
Göttingen taz | Europas größte Fischtreppe in Geesthacht galt über Jahre
als Erfolgsmodell. Mehr als zwei Millionen Fische sollen die Aufstiegshilfe
am Nordufer der Elbe seit ihrer Inbetriebnahme im August 2010 genutzt
haben. Rund 50 verschiedene Arten konnten mit Hilfe der Fischtreppe zum
Laichen elbaufwärts schwimmen. Lachse, Welse, Meerforellen und Stinte
wurden beobachtet, aber auch Exoten wie der Streifenbarsch und der
Sibirische Stör.
Der schwerste und längste Fisch war ein knapp 30 Kilogramm schwerer Wels
mit einer Länge von 1,60 Meter, berichtete stolz der Energiekonzern
Vattenfall. Das Unternehmen hatte die 30 Millionen Euro teure Fischtreppe
als Ausgleichsmaßnahme für das Kohlekraftwerk Moorburg bauen müssen. Bis
zum Herbst 2019 erholten sich die Fischbestände. Doch seitdem gehen sie
wieder zurück, denn die Fischtreppe funktioniert nicht mehr richtig. Es gab
Schäden am Geesthachter Stauwehr, die Strömung hatte Teile des Damms
angegriffen und eine Spundwand weggedrückt.
In der Folge wurden Rinnen, die den großen Fischen den Weg zur
Vattenfall-Fischtreppe am Nordufer weisen, mit mehreren Tausend Tonnen
Sandgemisch und Wasserbausteinen verfüllt. Das Wasserstraßen- und
Schifffahrtsamt, eine Bundesbehörde, ließ die kleine Fischtreppe am Südufer
gleich mit zuschütten. Hier kann zurzeit kein Fisch mehr passieren, und auf
der Nordseite der Elbe finden nur noch wenige Tiere den Weg in die
Aufstiegsanlage von Vattenfall. 90 Prozent der wandernden Fische könnten
nicht mehr aufsteigen, schätzt die Initiative „Rettet die Elbe“. Genaue
Zahlen über den Umfang der Schäden für die Fischwelt gibt es allerdings
nicht, weil Vattenfall seit 2018 keine Zählungen mehr vornimmt.
Der Landkreis Herzogtum Lauenburg, in dem Geesthacht liegt, sieht den
Energiekonzern in der Pflicht, die Schäden zu beheben und verpflichtete ihn
unter Androhung eines Zwangsgeldes, die nördliche Fischtreppe instand zu
setzen. Das Unternehmen wehrte sich gerichtlich gegen die Anordnung und
hatte Erfolg. Weil Vattenfall das Kraftwerk Moorburg im vergangenen
Dezember vom Netz nahm, ist nach Auffassung des Konzerns die vertragliche
Verpflichtung zum Betreiben der Fischtreppe vollends entfallen. Das
Aktionsbündnis „Future 4 Fishes“, ein Zusammenschluss mehrerer
Umweltverbände und der Grünen, argumentiert hingegen, der Eigentümer könne
die Anlage „nicht von heute auf morgen aufgeben“. Eigentum verpflichte
schließlich.
## Gefundenes Fressen für die Möwen
Die Dringlichkeit einer funktionierenden Fischtreppe verdeutlichten dieser
Tage Beobachtungen des Hamburger Abendblatts. Demnach machen sich Scharen
von Möwen über die vielen Stinte her, die am Geesthachter Stauwehr
feststecken. Zusätzlich zu den beschriebenen Schäden wurde dort im Winter
wegen der Gefahr von Eisgang auch noch die Lockströmung außer Funktion
gesetzt, erst Ende April wird sie wieder in Betrieb genommen.
Lockströmungen sollen den Fischen den richtigen Weg zu den Treppen weisen.
Nachdem schon die Laichsaison 2020 für den Stint ausgefallen ist, stehen
die Chancen auch in diesem Jahr schlecht. Sollte die Saison ein drittes
Jahr in Folge ausfallen, könnte sich der Stint erst in 25 Jahren davon
erholen, warnen Umweltschützer wie Jens Gutzmann vom Nabu in Geesthacht.
Vorausgesetzt, die Fische fänden dann optimale Bedingungen vor.
Die in der Regel 15 bis 20, höchstens 30 Zentimeter langen Stinte sammeln
sich in Februar und März und wandern in die Unterläufe der großen Ströme
ein, um dort über sandigen Stellen abzulaichen. In den vergangenen
Jahrzehnten war der Stint kommerziell kaum von Bedeutung, da er in den
verschmutzten Flüssen nur in geringer Zahl anzutreffen war. Mit zunehmend
saubereren Gewässern wird er wieder öfter in größerer Menge gefangen. Vom
Fang und Angebot des Stintes profitieren Restaurants, die diesen etwas nach
Gurken riechenden Fisch saisonal als kulinarische Besonderheit anbieten.
Der Verzehr durch Menschen macht allerdings nur den geringsten Teil der
wirtschaftlichen Bedeutung aus. Weitaus höher ist sein Stellenwert in der
Aquaristik. Stinte werden in Norddeutschland und den Benelux-Staaten
massenweise in riesigen Anlagen gezüchtet, um als Haustier oder in Zoos
gehaltenen Raubfischen jeglicher Art als Futterfische zu dienen.
Ob die Elb-Stinte in diesem Jahr doch noch zu ihren Laichplätzen schwimmen
können, entscheiden letztlich weder die Umweltbehörden der Anrainerländer
noch Vattenfall. Zuständig ist das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt. Die
für Geesthacht zuständige Unterabteilung sitzt in Lauenburg. Sie hat
zunächst das Funktionieren des Stauwehrs im Auge. Die Fischtreppen
erscheinen da eher nachrangig.
6 Apr 2021
## AUTOREN
Reimar Paul
## TAGS
Fische
Artensterben
Elbe
Vattenfall
Tierschutz
Schleswig-Holstein
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