Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Bauhaus und Designausbildung: Von Aurich nach Atlanta
> Eine Ausstellung in Atlanta würdigt Hin Bredendieck: als
> Gründungsdirektor des Instituts für Industriedesign an der Georgia Tech.
Bild: Installationsansicht mit einem Ensemble aus Tisch und zwei Stühlen von H…
Ein Ranking der kommerziellen US-amerikanischen Agentur Design Intelligence
zählt die School of Industrial Design der Georgia Tech in Atlanta zu den
Top Ten der Designausbildung in den USA. Mit ihrem Bachelorprogramm
rangierte sie 2014 auf Platz sieben, mit dem zum Masterabschluss sogar auf
Platz zwei. Selbst wenn dieser Status mittlerweile überholt sein mag,
verweist das Institut auf seiner Website nicht ohne Stolz auf seine
Gründungsanfänge, ab 1940, in der Philosophie des Bauhauses.
Bedingt durch den Kriegseintritt der USA verzögerte sich Weiteres. Erst
1952 gelang mit der Berufung des deutschen Exilanten und, so die Website:
„Bauhaus-Veteranen“ Hin Bredendieck (1904–1995) die Substantiierung des
Instituts. Es begann „The Hin Bredendieck Era“, die bis 1971, somit 19
Jahre dauerte. Ab 1957 erlangten Absolvent:innen den Bachelor.
Nun würdigt eine Ausstellung der Georgia Tech in Kooperation mit dem
Landesmuseum Oldenburg den Designpionier. [1][Das Oldenburger Haus war es
auch, das im Bauhaus-Jubiläumsjahr 2019 erstmals den aus Aurich gebürtigen
Hin Bredendieck umfassend vorstellte] in einer Ausstellung und
Begleitpublikation mit weiteren Bauhäusler:innen aus dem Nordwesten
Deutschlands.
Denn obwohl Bredendieck zur Schar der Emigrant:innen zählt, die
Bauhaus-Ideen für Berufspraxis und Hochschullehre international aufschloss,
war er von der etablierten Bauhaus-Forschung bislang ignoriert worden.
Dieses Desiderat erkannte man in Oldenburg bereits 2016. Zwei
Forschungsprojekte, maßgeblich getragen von der Kunsthistorikerin Gloria
Köpnick, sowie der Ankauf wichtiger Teile seines Nachlasses aus der Familie
führten 2020 zu einer ersten Monografie.
## Auch seinen Frau ist eine vergessene Bauhäuslerin
Köpnick interessiert darin auch der Mensch Bredendieck und sie vergisst
auch nicht seine zwei Ehefrauen, die US-amerikanischen Künstlerinnen
Virginia Weisshaus, geborene Tooker (1904–1988), und Joan Saugrain
(1921–2008). Tooker studierte 1931 am Bauhaus, arbeitete als
Schriftstellerin sowie Illustratorin. Sie ist eine weitere vergessene
Bauhäuslerin.
Wer aber war Hin Bredendieck? Als eines von acht Kindern einer
ostfriesischen Kaufmannsfamilie war ihm die internationale Karriere
keineswegs in die Wiege gelegt. Im Gegenteil: Sein Lebenslauf spiegelt die
vielen Brüche des 20. Jahrhunderts wider. Auf Volksschule und Tischlerlehre
folgten ab 1923 für ihn unbefriedigende Studien an den Kunstgewerbeschulen
in Stuttgart.
Danach im progressiveren Hamburg – 1919 wäre hier beinahe Bauhaus-Gründer
Walter Gropius verpflichtet worden – und Berlin. Nicht nur lehnte er das
obligatorische Lehrfach Ornamentzeichnen als überholt ab, ihm fehlten, wie
er rückblickend meinte, der soziale Status und der Bildungshorizont eines
Gymnasiasten.
Erst in der „andersartigen Atmosphäre“ des Bauhauses fand er sein geistiges
Zuhause. Hier absolvierte er ab 1927, gemeinsam mit Gustav Hassenpflug
(1907–1977) und [2][dem Schweizer Max Bill (1908–1994]), den einsemestrigen
Vorkurs – beide werden in den Nachkriegsjahren in Hamburg und Ulm mit
Lehrmodellen in dieser Bauhaus-Tradition miteinander wetteifern.
## Kreative Ideen freisetzen
Der Vorkurs diente dem Freisetzen kreativer Ideen, die anschließende
Ausbildung in einer Werkstatt vertiefte die Kenntnis eines Materials und
seiner Anwendungsmöglichkeiten. Der studierte Jurist László Moholy-Nagy
(1895–1946) ermunterte den Tischler Bredendieck zum Eintritt in die von ihm
geleitete Metallwerkstatt, gemeinsam mit einem weiteren Norddeutschen, dem
Oldenburger Hermann Gautel (1905–1945), fand Bredendieck zudem eine
bezahlte Anstellung im Produktionsbereich der Bauhaus GmbH.
Dort wurden neben anderem elektrische Leuchten für öffentliche und private
Räume entwickelt, als architekturbezogene Beleuchtungstechnik eine noch
junge Disziplin. Bekannte Entwürfe des Duos „Hin und Her“ sind die in
großer Stückzahl vertriebenen Schreibtisch-, Haushalts- und
Architekturleuchten des Leipziger Herstellers Kandem, entstanden ab 1928
unter Leitung von Marianne Brandt.
Die drei Bauhaussammlungen in Weimar, Dessau und Berlin inventarisieren sie
als mustergültige Belege, ebenso unter dem Direktorat von Hannes Meyer
(1889–1954) entworfene einfache Möbel, sogenannte Standardprodukte, aus
Stahlrohr mit Sperrholz oder experimentellem Metallguss.
Bredendieck engagierte sich als Sprecher der Studierendenvertretung,
kritisierte die Materialbindung im Werkstattsystem als noch zu sehr den
Kunstgewerbeschulen verhaftet. Bei Moholy-Nagy hatte er zudem „Material und
Raum“ belegt, Studien auch taktiler Art: Metalle, Leder, Porzellan oder
Brotreste waren mit verbundenen Augen durch Abtasten zu bestimmen.
## Zusammenarbeit mit Sigfried Giedion
Im Jahr 1930 erhielt Bredendieck das Bauhausdiplom und ein Zeugnis zu
seiner speziellen Befähigung in der Beleuchtungstechnik. Die
Weltwirtschaftskrise spülte ihn nach Berlin in die Ateliers von Moholy-Nagy
und Herbert Bayer, 1932 vermittelte ihn Moholy-Nagy in die Schweiz.
Der Zusammenarbeit Bredendiecks mit dem Kunsthistoriker und Ingenieur
Sigfried Giedion (1888–1968) verdankt das Schweizer Design diverse
lichttechnische Innovationen indirekter Raumbeleuchtung, so den bis 1967
vertriebenen freistehenden „Indi“-Deckenfluter, den Verkaufsraum der von
Giedion mitbegründeten Wohnbedarf AG in der Zürcher Talstraße oder das
Corso-Theater, gemeinsam mit Max Bill.
Als 1934 die Arbeitserlaubnis nicht verlängert wurde, kehrte Bredendieck
nach Deutschland zurück. Er arbeitete wieder mit Gautel, der in Oldenburg
ein Einrichtungsgeschäft mit Tischlerei betrieb. Die letzte gemeinsame
Realisierung ist die in Fragmenten im Landesmuseum noch erhaltene
Schütte-Lanz-Ehrenhalle für zwei lokale Luftfahrtpioniere. Im September
1937 emigrierte Bredendieck mit Frau und Tochter in die USA.
Wieder war es Moholy-Nagy, der sich seiner annahm und ihn ans gerade
gegründete New Bauhaus in Chicago holte. An dieser von Anbeginn kriselnden
Institution brach der Konflikt über die richtige Lehrmethodik nun so heftig
aus, dass Gropius, seit 1937 Professor in Harvard, sich veranlasst sah, ein
Machtwort zu sprechen. Es folgten freiberufliche Jahre – Bredendieck
entwarf Holzspielzeug und Selbstbaumöbel, er verantwortete Umbau und
Beleuchtungsplanung einer Galerie in Chicago – und weitere Lehrtätigkeiten,
auch nochmals unter Moholy-Nagy.
## Sein Konzept einer vierjähren Designlehre
Aber erst an der Georgia Tech in Atlanta konnte Bredendieck seine
Vorstellungen einer materialübergreifenden vierjährigen Designlehre
verwirklichen, die Quintessenz aus Bauhaus und eigener Erkenntnis. Er legte
Wert auf gut ausgestattete Werkstätten, vertrat einen methodischen
Dreischritt vom Material über die Form zum Design, dem
Transformationsprozess zur industriellen Fertigung.
Entwürfe hatten sich in Skizzen zu entwickeln, die, einem Gedankenfluss
gleich, von einer Idee zu einer besseren und schließlich zu einer gültigen
Gestaltlösung führten, Bredendiecks Konzept der „Ideation“.
Ehemalige Studierende beschreiben ihn als streng, wortkarg, seine wenigen
verwirrenden Vorlesungen wie die eines Zen-Meisters – ausschließlich zum
eigenen Denken auffordernd. Im Online-Programm zur Ausstellung kommen nun
einige zu Wort, mit Irwin Schuster ein früher Absolvent, mit Ken Fuller
einer aus dem Ende der „Ära Bredendieck“.
4 May 2021
## LINKS
[1] https://www.landesmuseum-ol.de/sammlungen/forschung/forschungsarchiv/projek…
[2] /Archiv-Suche/!854408&s=Max+Bill+Gestaltung&SuchRahmen=Print/
## AUTOREN
Bettina Maria Brosowsky
## TAGS
Bauhaus
Design
Ausbildung
Bauhaus Dessau
## ARTIKEL ZUM THEMA
Eine japanische Bauhausgeschichte: Schönheit, die sich ertasten lässt
1930 kam Yamawaki Michiko nach Dessau. In ihrer Monografie erzählt Mariko
Takagi die hierzulande bislang unbekannte Geschichte dieser Frau.
Ausgestellte Farbflecken: Systematiker des Designs
Walter Dexel hat sein Leben der künstlerischen Form gewidmet, an der er
auch die Handwerkerausbildung ausgerichtet sehen wollte.
Blick zurück auf den Anfang der Moderne: Der Baukunst-Sammler
Er stand für eine selten gewordene Art der Kunst- und Wissensvermittlung:
Das Landesmuseum Oldenburg würdigt seinen Gründungsdirektor Walter
Müller-Wulckow.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.