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# taz.de -- Koalition in Baden-Württemberg: Wer wird Kretschmanns Herzblatt?
> Noch vor Ostern will sich Winfried Kretschmann entscheiden, mit wem er
> regieren will. Er hat die Wahl zwischen der CDU und einer Ampel.
Bild: Hat die Qual der Wahl: Kretschmann auf dem Weg zu Sondierungsgesprächen
Stuttgart taz | Die Entscheidung naht: Seit zwei Wochen sondieren der grüne
Ministerpräsident Winfried Kretschmann und die Parteispitze abwechselnd mit
FDP, SPD und dem bisherigen Koalitionspartner der CDU. Kretschmann hat nach
dem beeindruckenden Wahlsieg vom 14. März die Wahl, mit welcher Koalition
er in seine letzte Amtszeit gehen soll. Nach den letzten Gesprächen am
Samstag erklärte Kretschmann dann recht überraschend, es werde keine
weiteren Sondierungen geben und er werde voraussichtlich noch vor Ostern
bekanntgeben, mit wem er in Koalitionsverhandlungen gehen will.
Weil der grüne Ministerpräsident neben seinem inhaltlichen Maßstab „Klima,
Klima und noch mal Klima“ vor allem das Vertrauensverhältnis unter den
Koalitionspartnern als wichtigstes Kriterium seiner Wahl genannt hat,
fanden die bisherigen Sondierungen im Haus der Architekten ohne auch nur
die kleinsten Indiskretionen aus den Gesprächen statt. Sogar die dürren
Worte vor den Kameras zur Verhandlungsatmosphäre („freundlich“,
„konstruktiv“) ließen sich die potenziellen Partner vorher von Kretschmann
freigeben. Sonst drang zwei Wochen lang nichts nach draußen.
Auf wen fällt die Wahl? Klar ist: Alle drei, CDU, SPD und FDP, wollen sehr
gern mitregieren.
Besonders für Vertreter der CDU werden das bange Tage bis zum Osterfest.
Für den Parteivorsitzenden Thomas Strobl geht es auch ums politische
Überleben. Kretschmanns bisheriger Innenminister verfehlte wegen des
eigenwilligen Wahlsystems den Einzug in den Landtag und müsste wohl auch
als Parteivorsitzender zurücktreten, wenn es ihm nicht gelingt, eine
weitere grün-schwarze Koalition zu zimmern. Für die CDU wäre es nach dem
historisch schlechten Wahlergebnis und dem Rückzug ihrer Spitzenkandidatin
Susanne Eisenmann aus der Politik eine maximale Demütigung, für die
nächsten fünf Jahre neben der AfD-Fraktion in der Opposition zu landen.
## FDP zu fast allem bereit
Aber auch die FDP ist nach nunmehr zehn Jahren Opposition zu fast allem
bereit, um in die Regierung zu gehen. Der konservative Fraktionschef
Hans-Ulrich Rülke, der in der Vergangenheit immer auf eine Machtoption mit
der CDU gesetzt hatte, war vor fünf Jahren nicht einmal zu Ampelgesprächen
bereit gewesen. Er hatte sich im Parlament als scharfer, manchmal auch
maßloser Kritiker der Grünen und auch ihres Ministerpräsidenten inszeniert.
Bereits im vergangenen Jahr hatte der FDP-Landesvorsitzende Michael
Theurer, der ein gutes Verhältnis zu Kretschmann hat, aber im Bundestag
sitzt, versucht, das persönliche Verhältnis zwischen dem Parteivorsitzenden
und seinem parlamentarischen Kritiker zu verbessern. Mit gewissem Erfolg,
wie man hört. Kretschmann sagt dazu am Rande der Sondierungen, er sei zwar
nicht vergesslich, aber auch nicht nachtragend.
Am entspanntesten dürften die Gespräche mit der SPD gewesen sein. Die
Sozialdemokraten hatten es 2011 noch als politischen Unfall betrachtet,
dass sie hinter den Grünen landeten und Kretschmann und nicht Nils Schmid
Ministerpräsident wurde. Inzwischen haben sie sich im Südwesten mit 11
Prozent in ihre Rolle als kleine Partei eingefunden, mit ihnen gibt es mit
Klima- und Schulpolitik die meisten inhaltlichen Überschneidungen.
Von Grünen ist zu hören, dass sie am liebsten eine weitere Auflage von
Grün-Rot gestartet hätten, wenn es die Mehrheitsverhältnisse zugelassen
hätten. Doch das ging ganz knapp daneben. Bei den Grünen gibt man dafür der
neuen Partei „Klimaliste“ die Schuld, die insgesamt zwar nur 0,9 Prozent
erreichte, aber in einigen Wahlkreisen den Grünen Kandidaten knapp das
Direktmandat vermasselt hat.
## Traum von der Villa Reitzenstein
Und so müssen sich die Grünen nun entscheiden, wer ihr Herzblatt ist. Und
neben inhaltlichen Fragen dürfte dabei auch eine Rolle spielen, mit welchem
Partner sie auch die ganzen fünf Jahre regieren können. Eben auch dann,
wenn Kretschmann, wie immer wieder spekuliert wird, im Laufe der Legislatur
Platz machen sollte für eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger.
Von der CDU, die ihren Traum, nach Kretschmann in die Villa Reitzenstein
zurückzukehren, noch nicht aufgegeben hat, wird man in einem solchen
Szenario kaum erwarten können, dass sie treu bis zur Wahl an der Seite der
Grünen steht. Bei einer Koalition mit zwei kleinen Partnern gibt es da
keine Gefahr. Beobachter glauben, das könnte am Ende den Ausschlag für die
erste Ampel unter grüner Führung geben.
28 Mar 2021
## AUTOREN
Benno Stieber
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