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# taz.de -- Im Impfzentrum: Pfeile, Westen, Spritzen
> Das Design des Impfzentrums verrät die subkutane Message: Wir sind
> unterschiedlich und doch gleich. Es ist ein positiver Ort, keine Kaserne.
Bild: Die Impfkabinen im Impfzentrum Tempelhof, Berlin
Große Überraschung – wenn gewünscht, morgen 11.30 Uhr Impftermin. Wo?
Impfzentrum Tempelhof. Was? [1][Astrazeneca]. Da gehe ich hin, eigentlich
ist mein Termin erst Ende April, warum so lange warten?
Sonnabend, ich schwinge mich aufs Rad, fahre übers Tempelhofer Feld und
finde [2][das Zentrum im Flughafengebäude]. Ich bin nicht allein, es
herrscht Betrieb. Empfangen werden wir von den türkischen und arabischen
Jungs, die ich aus Kreuzberg/Neukölln kenne. Nun haben sie gelbe und
orangefarbene Schutzwesten an, sind freundlich und hilfsbereit – messen
Fieber, prüfen meine Einladung von der KV, geleiten mich zu Koje 26, um
Formalitäten zu besprechen.
Dort arbeiten die Schwestern der Jungs, sie sind genauso kompetent wie
freundlich. Ich befinde mich in einem Flughafenhangar, wo im Herbst
Kunstmessen stattfinden. Eine Lüftungsanlage befindet sich an der Decke,
die Halle ist durch weiße Wandmodule in Wartezonen und Verbindungsgänge
unterteilt, an den Wänden Zahlen in Gelb, auf dem Boden gelbe Pfeile.
Verlaufen kann man sich nicht, da wären auch die Jungs vor, die charmant
und souverän ihres Amtes walten und mich alsbald in einen Wartebereich
lotsen, wo bereits 50 andere auf Abstand sitzen.
Farbenspiele mit Westen
Als ich das Handy zücke, weist mich eine Ordnerin freundlich darauf hin,
dass das nicht geht. Egal, denn es geht gleich weiter, Reihe für Reihe
werden 6er-Trupps zur nächsten Station gelotst. Jetzt verstehe ich die
Gesten des Ordners, denn der bekommt Handsignale für unser Nachrücken in
einen langen Gang: an der Wand Stühle, gegenüber vier Raumsegmente mit
jeweils 16 Impfkojen; hier arbeiten grüne Westen, sie bringen uns, sobald
eine Koje frei wird, zu den impfenden Ärzt*innen. Keine fünf Minuten sitze
ich und sehe zu, wie orange und grüne Westen miteinander sprechen. Jetzt
kommen violette hinzu, das sind anscheinend die Chefs. Im Hintergrund sehe
ich Blauwesten stehen, einmal läuft eine Bundeswehruniform durchs Bild;
hinter den Modulen befinden sich Personal- und Lagerräume.
Wie die Erbsen sind wir angekommen, einzeln, und werden in Gruppen
bearbeitet in einem individuellen Impfvorgang. Dass dies in zivilem Kontext
geschieht, wird durch Design geregelt. Sozialdesign: freundlicher Empfang,
begleiten, informieren, verabschieden. Objektdesign: helles Licht, Gelb für
Leitsysteme, hellgrüner Bodenbelag in den Impfkojen und sogar ein
funktionsfreies Ornament aus sechs vertikalen Balken unterschiedlicher
Länge in Gelb, Ocker und Braun an den Wänden. Dessen subkutane Message: Wir
sind unterschiedlich und doch gleich, hier ist ein positiver Ort, keine
Kaserne!
Nun geht es recht schnell: Der Mann in grüner Weste bleibt bei mir während
die junge Ärztin in meinen Arm pikst. Ich merkte nichts, vorbei, ich
erhalte das Dokument dieser Impfung, zweiter Termin ist im Juni. Das Ende
vom Parcours wird von den Blauen betreut – der Ruhebereich, wo es Wasser
gibt. Ich brauche weder noch und folge den Pfeilen zum Ausgang, wo ein
Orangener mir alles Gute wünscht. Ufff, vorbei, geimpft!
Die unschlagbar gute Erfahrung dieser halben Stunde war, zu erleben, wie
diese Jungs aufblühen, wenn sie eine sinnvolle Aufgabe haben: Sie zeigten
mir mit ihrer Freundlichkeit, dass selbst eine eher stressige Situation
angenehm verlaufen kann, weil oder wenn Design und Ästhetik stimmen.
25 Mar 2021
## LINKS
[1] /Dritte-Pandemiewelle-in-Deutschland/!5756657
[2] /Impfen-mit-Astrazeneca-in-Berlin/!5759840
## AUTOREN
Peter Funken
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
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Impfung
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