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# taz.de -- Pandemieschutz in der Kita: Hoffen auf den Lolli-Test
> Müssen Kitas bald flächendeckend schließen? Kinderärzte und Eltern
> plädieren fürs Offenhalten – auch mithilfe neuer Testmethoden.
Bild: Und wieder zu Hause: Die Kitas in Hamburg, Berlin und Hessen sind derzeit…
Hamburg taz | „Das Schwierige ist, dass die Perspektive fehlt“, klagt
Mutter Viola Riedel. Kurz vor Ostern erfuhren Hamburgs Eltern, dass ihre
Kitas wieder auf Notbetreuung umstellen. Die Stadt bat eindringlich, die
Kinder nur in die Einrichtung zu geben, wenn es nicht anders geht. Der
Bedarf sei dazulegen.
Seit einem Jahr geht das jetzt so, bilanziert die zweifache Mutter. Mit dem
Lockdown im vorigen März wurden die Kitas bis auf den Notbetrieb
geschlossen, nach den Sommerferien machten sie wieder auf, seit kurz vor
Weihnachten sollen die Kinder erneut zu Hause bleiben, erst Mitte März
kehrte Hamburg als eines der letzten Länder zum „eingeschränkten
Regelbetrieb“ zurück. Abgestützt werden sollte dieser Schritt nach
Bund-Länder-Beschluss mit der Impfoffensive für Kitakräfte sowie einem
breiten Testangebot.
Damit stieg bundesweit die absolute Zahl der positiv getesteten Kinder. In
der dritten Märzwoche waren es 4.966 der Null- bis Fünfjährigen. Mit 5,6
Prozent waren somit erstmals anteilig fast so viele von ihnen nachweislich
von Corona betroffen, wie es ihrem Bevölkerungsanteil von 5,7 Prozent
entspricht.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) führt dies nicht allein auf vermehrte
Testung, sondern auch auf die Verbreitung der ansteckenderen britischen
Variante zurück. Es bestünden Häufungen in Privathaushalten, im beruflichen
Umfeld „sowie in Kindergärten“. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder und
Jugendmedizin (DGKJ) gibt jedoch zu bedenken, dass es keinen
„überproportionalen“ Anstieg bei Kindern gab.
## Berlin, Hamburg und Hessen im Notbetrieb
Gleichwohl heißt es seit Anfang der dritten Welle in [1][Berlin], Hamburg
und Hessen wieder Notbetrieb, ebenso wie in 9 von 13 Landkreisen in Sachsen
und einzelnen Landkreisen anderer Bundesländer. Ansonsten gilt zumeist eine
eingeschränkte Regelbetreuung. Eine Testpflicht für Kitakinder besteht noch
nicht, flächendeckende Testangebote stehen in den meisten Bundesländern
ebenfalls nicht zur Verfügung. Müssen die Kitas bald flächendeckend
geschlossen werden?
Zahlreiche Eltern, von denen viele an der Belastungsgrenze angekommen sind,
plädieren fürs Offenhalten. Viola Riedel, die auch Sprecherin des Hamburger
Landeselternausschuss (LEA) ist, sieht die Notbetreuung in ihrem Bundesland
„zwiegespalten“. Es sei nachvollziehbar, dass man Kontakte in der Kita
minimieren wolle. „Auch Eltern sorgen sich“. Aber es stoße „sauer auf“,
dass kaum auf die Wirtschaft geschaut und Kindern mehr zugemutet werde als
Erwachsenen.
Das sieht Heike Riedmann vom Kölner Jugendamtselternbeirat (JAEB) genauso.
„Es wird viel über Kinder und Jugendliche diskutiert. Ob geöffnet werden
kann, ob geschlossen werden muss.“ Auf Erwachsene werde hingegen zu wenig
geachtet. Für sie müssten Schnelltests verfügbar sein „wie Kaugummi“.
In der Millionenstadt Köln lag der Inzidenzwert am Freitag mit 135 ähnlich
hoch wie in Hamburg. Doch Riedmann kann ihr Kind weiter in eine der 650
Kitas schicken. Sie bleiben für alle Kinder offen, lediglich ist die
Betreuung um zehn Wochenstunden reduziert und findet in festen Gruppen
statt. Denn Köln hat jetzt den freiwilligen „Lolli-Test“ eingeführt.
## Wattestäbchen lutschen
Sechs Wochen lang werden Kinder und Beschäftigte zwei mal wöchentlich im
Morgenkreis auf einem Wattestab lutschten. „Die Stäbchen kommen dann in ein
Röhrchen, das ins Labor geschickt wird“, berichtet Heike Riedmann. Ihr
Elternbeirat hatte sich für das Lolli-Test-Projekt eingesetzt, das zunächst
als Modellversuch in 22 Schulen und 30 Kitas erprobt wurde, und „sehr
erfolgreich“ war, wie ein Sprecher der Stadt sagt.
Der Clou ist: Im Labor wird ein richtiger PCR-Test gemacht. Ist er bei der
Sammelprobe positiv, informiert die Kita-Leitung die Eltern. Diese haben zu
Hause ein weiteres Testset, mit dem sie dann ihr Kind testen. Die von der
Uniklinik Köln entwickelte Methode gilt als kindgerechter als jene, für die
mit Stäbchen in Nase oder Rachen gebohrt werden muss. Der Test wurde auch
in Solingen erprobt und stieß dort auf „hohe Akzeptanz bei den Kindern und
beim Kitapersonal“, wie Felix Dewald, Virologe der Uniklinik Köln, dem
Fernsehsender RTL sagte. „Wir konnten bereits Infektionen identifizieren.“
Dass dieser Lolli-Pool-Test nicht in ganz Nordrhein-Westfalen angewandt
wird, liege daran, dass man anders als bei Schnelltests dafür
Laborkapazitäten benötigte, sagte FDP-Familienminister Joachim Stamp.
„Laborkapazität sollte man für dieses wichtige Projekt doch finden können�…
hält Riedmann dagegen.
In Hamburg fordert nun die CDU-Kitapolitikerin Silke Seif, den Lolli-Test
anzuwenden. „Wir Eltern würden das begrüßen“, sagt auch Viola Riedel. Do…
laut dem Sprecher der Hamburger Gesundheitsbehörde, Martin Helfrich,
startet die Hansestadt gerade ein eigenes Pilotprojekt mit Selbsttests, die
Eltern zu Hause durchführen.
Gewerkschaften finden Lolli-Tests riskant
Aus gewerkschaftlicher Sicht ist der NRW-Kurs riskant. Auch Testen biete
[2][keinen ausreichenden Schutz für die Kita-Beschäftigten], sagte die
nordrhein-westfälische Landeschefin der Vereinten
Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi), Gabriele Schmidt. Für die Fachkräfte
sei es „belastend, sich dem Risiko auszusetzen und gleichzeitig die
zusätzlichen Herausforderungen in den Einrichtungen zu stemmen“, erklärte
auch Björn Köhler aus dem Vorstand der Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft (GEW).
Er verweist auf die Corona-Kita-Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI),
nach der die Auslastung der Kitas Ende März trotz Einschränkungen im
Durchschnitt bei 70 Prozent lag, während über 20 Prozent der Beschäftigten
nicht eingesetzt werden konnten, weil sie zur Risikogruppe gehören oder in
Quarantäne waren.
Die GEW schlägt deswegen eine einheitliche Impfstrategie aller 16 Länder
für das Kitapersonal und freiwillige Selbsttests vor, die die Eltern
möglichst mit den Kindern zu Hause durchführen. „Ein Pooltest in der Kita
könnte zu spät sein“, so Köhler. Er hoffe dabei auf die Ehrlichkeit der
Eltern, um andere Kinder und das Personal zu schützen. Auch müsste es Kitas
vor Ort möglich sein, bei Personalengpässen Betreuungszeiten zu kürzen. Und
im Zweifel bräuchte man wieder eine Rückkehr zur Notbetreuung wie im ersten
Lockdown, so wie es die Jugend- und Familienministerkonferenz im März 2020
empfahl und durch Hamburg praktiziert wird.
„Man sollte die Kitas offen halten. Das Schließen ist nicht im Interesse
der Kinder, sondern nur der Erwachsenen“, entgegnet Hans-Iko Huppertz von
der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ). Es sei nicht
richtig, dass Kinder von der britischen Variante des Coronavirus stärker
betroffen sind als Ältere. „Die Mutante ist generell mehr ansteckend, aber
der Abstand zwischen den Altersgruppen ist geblieben“.
## Erwachsene bringen das Virus mit
Nachverfolgungen der Infektionsketten hätten zudem ergeben, dass meist die
Erwachsenen das Virus in die Kita mitbrachten. Wichtig sei deshalb, dass
die Beschäftigten getrennt voneinander zur Pause gehen. Tests seien eine
Option, dürften aber nicht traumatisieren. „Man darf Kinder nicht zwingen.“
Huppertz sagt, es sei gut, dass diese Berufsgruppe jetzt vorrangig geimpft
wird. „Ich hoffe, dass, wenn die Erzieher geimpft sind, die Kitas wieder
voll funktionstüchtig sind.“
Übrigens kursiert seit Neuestem eine Idee: Da Impfstoffe für Kinder nicht
zugelassen sind, als nächstes die Eltern zu impfen.
14 Apr 2021
## LINKS
[1] /Massnahmen-gegen-Corona-in-Berlin/!5758843
[2] /Kitas-in-der-Pandemie/!5765031
## AUTOREN
Kaija Kutter
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