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# taz.de -- Pressefreiheit in Polen: Erneuter Schlag gegen freie Medien
> Die Regierungspartei PiS knöpft sich ein großes unabhängiges Medienhaus
> vor. Der Bürgerbeauftragte Adam Bodnar verliert sein Amt.
Bild: Der polnische Bürgerrechtsbeauftragte Adam Bodnar
Warschau taz | Viele JournalistInnen und LeserInnen der Polska Press-Medien
hatten ihre letzte Hoffnung in den polnischen Bürgerrechtsbeauftragten Adam
Bodnar gesetzt. Sie befürchten, dass der Verkauf von rund 20
Regionaltageszeitungen, Hunderten Lokalwochenblättern und noch mehr
Internetportalen an den [1][staatlich kontrollierten Mineralölkonzern PKN
Orlen] politisch motiviert sein könnte.
Auch Bodnar sah das so und intervenierte vor Gericht gegen die Entscheidung
des Amts für Konkurrenz und Verbraucherschutz (UOKiK), das im Februar den
Weg frei gemacht hatte für einen der größten Mediendeals in Polens
Geschichte. Am 12. April gab das Warschauer Gericht für Konkurrenz und
Verbraucherschutz Bodnars Antrag statt und forderte Orlen auf, bis zum
endgültigen Urteil auf Änderungen im Verlag zu verzichten.
Am 15. April nahm der Fall eine ganz andere Wendung. Das von der
Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) kontrollierte
Verfassungsgericht enthob Bodnar seines Amtes. Ein Passus des Gesetzes sei
verfassungswidrig, wonach der Bürgerrechtsbeauftragte auch nach dem Ende
seiner regulären Amtszeit bis zur Ernennung eines Nachfolgers seine
Funktion auszuüben hat.
Bodnars fünfjährige Amtszeit endete im September 2020. Da sich aber die
beiden Kammern des Parlaments, Sejm und Senat, auf keinen Kandidaten
einigen konnten, blieb der Juraprofessor im Amt. Als Bürger- und
Menschenrechtler ist er aber einer der schärfsten Kritiker*innen der
PiS und ihrer oft minderheiten-, [2][frauen-] und ausländerfeindlichen
Politik.
## Umbau nach dem Geschmack der PiS
Innerhalb von drei Monaten soll das Parlament nicht etwa endlich einen
Nachfolger oder eine Nachfolgerin finden, sondern ein Gesetz verabschieden,
das es erlauben würde, einen kommissarischen Bürgerrechtsbeauftragen zu
ernennen. Da dieser kein „richtiger“ Bürgerrechtsbeauftragter wäre, hätte
er „wesentlich weniger Kompetenzen“, erläuterte ein PiS-Abgeordneter nach
dem Urteil.
Ob der Sejm, das Abgeordnetenhaus, Bodnar mit einem Blitzgesetz die
Kompetenzen beschneiden wird, ist offen. Sicher ist aber, dass der
Kommissar, der ihm nachfolgen wird, die meisten Gerichtsinterventionen
Bodnars zugunsten der Pol*innen zurückziehen wird. Darunter wäre dann
auch die Beschwerde Bodnars gegen den Verkauf der Polska Press-Medien an
PKN Orlen.
Daniel Obajtek, Orlen-Chef und PiS-Mitglied, scheint davon auszugehen, dass
die Intervention Bodnars gegen den Verkauf bislang unabhängiger Medien an
einen von der PiS-Regierung kontrollierten Konzern keine rechtlichen Folgen
haben wird. „Die einstweilige Anordnung des Gerichts ist gegenstandslos“,
kommentierte er auf Twitter. „Der Anteilskauf an Polska Press wurde am 1.
März erfolgreich abgeschlossen.“ Sie habe daher weder Einfluss auf die
Aktivitäten von PKN Orlen noch auf die Endgültigkeit des Erwerbs den
Medienhauses Polska Press.
Dass Richter im Normalfall ihre Urteile nach einer Tat sprechen, in diesem
Fall nach der Entscheidung des Amts für Konkurrenz und Verbraucherschutz
und der Anzeige Bodnars, scheint unerheblich.
Obajtek hat Rückendeckung von Jarosław Kaczyński, PiS-Chef und Vizepremier.
Den Kauf des Medienhauses von den Deutschen hatte der 2020 als „beste
Nachricht der letzten Jahre“ gefeiert. „Wir müssen eigene Medien haben.“
Nur so könne Polen seine Freiheit und Souveränität verteidigen. Der Umbau
des Verlagshauses im PiS-Sinne hat begonnen: An die Stelle von Pawel
Fafara, Chefredakteur aller Regionalblätter, ist Dorota Kania getreten
– eine Frontfrau des PiS-Journalismus.
15 Apr 2021
## LINKS
[1] /Staatskonzern-in-Polen-kauft-Zeitungen/!5733618
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## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
PiS
Polen
Schwerpunkt Pressefreiheit
Polen
Feminismus
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