# taz.de -- Aktivistin über Zero-Covid: „Dieses endlose Weiterspielen“ | |
> Während Bremen darüber nachdenkt, lokale Modellprojekte für Lockerungen | |
> auszutesten, fordern Aktivist*innen am Samstag einen kompletten | |
> Lockdown. | |
Bild: Null Neuinfektionen, dann erst lockern: Die Forderung von Zero Covid | |
taz: Frau Koschies, Sie fordern mit [1][Zero-Covid] eine Pause – haben wir | |
davon nicht seit über einem Jahr genug? | |
Clara Koschies: Wir wollen, dass aktiver durchgegriffen wird statt diesem | |
inkonsequenten Dauer-Lockdown, der kulturelles und soziales Leben voll | |
trifft, aber weite Teile der Wirtschaft ausspart. Wir wollen gemeinsam | |
runter auf null Neuinfektionen und dazu fordern wir den solidarischen | |
Shutdown. | |
Was heißt in dem Zusammenhang solidarisch? | |
Das heißt nicht nur das Privatleben ins Auge zu fassen, sondern auch den | |
Arbeitsbereich. Dort ist es bisher immer noch okay, in riesigen | |
Großraumbüros zu sitzen. Und in Fabriken gibt es immer noch richtig hohe | |
Reproduktionswerte. Auf der Fahrt zur Arbeit stehen Menschen dicht gedrängt | |
in Bus und Bahn. Besonders mit Blick auf die stärker ansteckende britische | |
Covid-Mutante, die sich in Bremen inzwischen durchgesetzt hat, ist das | |
Risiko hoch. Die Forderung ist also: Niemand muss mehr zur Arbeit. Das ist | |
erst mal der wichtigste Punkt. Da besteht auch der größte Unterschied zu | |
den Formen des Lockdowns, den wir die ganze Zeit erleben. | |
[2][Nicht mehr zur Arbeit klingt] erst mal gut. Aber ein Lockdown trifft | |
einige trotzdem härter als andere, oder? | |
Unsere zweite Forderung ist ja auch: Niemand darf zurückgelassen werden. | |
Natürlich bedeutet so ein Shutdown besonders für zum Beispiel geflüchtete | |
Menschen, wohnungslose Menschen, Sozialhilfeempfänger*innen oder | |
auch Kinder eine krasse Herausforderung. Wichtig ist uns, dass diese | |
Menschen besonders schnelle Unterstützung erfahren, ob finanziell oder | |
durch Online-Angebote. | |
Es bleibt die Frage: Wie kann so was finanziert werden? | |
Das ist in einem kapitalistischen System, was nicht unbedingt solidarisch | |
alle mitdenkt, sehr schwierig. Das ist ja genau auch Teil unserer Kritik. | |
Wir fordern die Einführung einer europaweiten Covid-Solidaritätsabgabe auf | |
sehr hohe Vermögen, auf Unternehmensgewinne und Finanztransaktionen und die | |
höchsten Einkommen. Jetzt gerade zeigt sich ja, dass einige Unternehmen aus | |
der Krise richtig Profit schlagen konnten. Die Spaltung, dass die Reichen | |
immer reicher geworden sind und die Armen immer ärmer, wollen wir so | |
kompensieren. Eine solche Abgabe kann so etwas wie eine Steuer sein – zum | |
Beispiel eine Vermögenssteuer. Das wäre jetzt der einfachste Weg. Es | |
sollten sich da, glaube ich, auch noch mal schlaue Menschen aus der | |
Wirtschaft zusammensetzen und überlegen. | |
Dann gibt es aber auch kleine Betriebe – zum Beispiel Gastronomien oder | |
Kinos, die ja jetzt schon sehr leiden. Im Viertel haben die ja gerade auf | |
ihre Lage aufmerksam gemacht. Wie kann man sicherstellen, dass die so etwas | |
überhaupt überleben können? | |
Das sind ja quasi die Verlierer*innen der Krise. Wir haben ja sowieso | |
gerade in den meisten Orten keine richtige Öffnungsperspektive. Und | |
tatsächlich ist es auch genau da, wo Coronahilfen einsetzen sollten. Es gab | |
Milliarden-Hilfen für die Lufthansa. Dieses Geld kam ja immer irgendwo her. | |
Da ein paar Tausend von diesen Milliarden auf einzelne Kleinunternehmen | |
umzuverteilen, ist auf jeden Fall genau so möglich. Es ist eine Frage von | |
Prioritätensetzung unserer Regierung. | |
Wie kann gewährleistet werden, dass so eine große Umstellung schnell | |
funktioniert? | |
Jetzt, am Wochenende, am internationalen Aktionstag, fordern wir konkret | |
eine dreiwöchige bezahlte Pause, in allen nicht-essenziellen | |
Wirtschaftsbereichen. Da ist natürlich sehr klar, wie das funktionieren | |
kann. Der Punkt ist: Die dritte Welle erst einmal zu brechen und nicht | |
andauernd in einem halbherzigen Lockdown zu leben, der nur das Private | |
betrifft. | |
So etwas wie Kita-Öffnungen und Schul-Öffnungen entlasten ja aber durchaus | |
auch Eltern privat. Würden Sie die auch wieder schließen wollen? | |
In dem Fall eines dreiwöchigen, kompletten Shutdowns, ja. Mit dem | |
Hintergedanken, dass natürlich Eltern jetzt gerade doppelt belastet sind, | |
weil sie sowohl Lohnarbeit als auch Kinderbetreuung übernehmen. Durch einen | |
kurzen, konsequenten Shutdown würde es ermöglicht, dass die Kinderbetreuung | |
im Vordergrund stehen könnte. Wir möchten, dass genau diese Perspektive mal | |
geboten würde auch politisch, die jetzt gar nicht geboten wird – immer nur | |
dieses endlose Weiterspielen, ohne konkrete Möglichkeit des Aufatmens. | |
Was wäre jetzt nötig, damit so etwas durchgesetzt wird? An wen treten Sie | |
da heran? | |
Ein Grund warum die Aktion am Samstag stattfindet ist, dass am Montag noch | |
mal das Bund-Länder-Treffen stattfindet. Bei uns in Bremen gehen unsere | |
Forderungen konkret an Andreas Bovenschulte und an die Bremer Regierung. | |
Wir als Bevölkerung, als die Menschen, die in dieser Krise leben, wir | |
wünschen uns, dass da etwas passiert, dass es mehr Ausblick gibt. | |
Jedes Bundesland geht anders mit dem Lockdown um. Funktioniert Zero-Covid, | |
wenn nicht alle an einem Strang ziehen? | |
Eine Vision ist natürlich, dass die Entscheidung dann von oben kommen | |
müsste. Es ist natürlich sehr schwierig zu fordern, dass der Bund sich da | |
durchsetzt. Deswegen appellieren wir daran, dass es auf Länderebene | |
passiert und von unten. Wir gucken beispielsweise auf diese ganzen | |
Modellversuche, die ja jetzt hier auch beispielsweise in Achim geschehen, | |
mit sehr kritischem Blick. Weil das wieder nur der Versuch ist, der | |
Wirtschaftslobby die Hand zu reichen anstatt das Pandemiegeschehen | |
anzuschauen und die Menschen. | |
Haben sie das Gefühl, dass Bovenschulte und die Wirtschaftssenatorin für so | |
etwas Krasses wie eine komplette Schließung offen wären? | |
Wir erhoffen uns, dass langsam ein Umdenken stattfindet. Neuseeland, China | |
und andere Länder haben vorgemacht, wie man die Pandemie konsequent | |
eindämmen kann. Das Paradoxe an der Situation ist ja, dass es nicht mal ein | |
Abwägen zwischen Wirtschaft und Menschenleben ist, das hier passiert – im | |
Gegenteil haben die Nationen, die die Gesundheit ihrer Bürger*innen | |
priorisiert haben, auch wieder am schnellsten ihre Ökonomien in Gang | |
bringen können. Dagegen betreibt die hiesige Politik ein Nullsummenspiel. | |
Wir haben die Hoffnung nicht aufgegeben, dass man auch hierzulande endlich | |
begreift, dass nur krasse Maßnahmen den Weg zurück in die Normalität | |
garantieren. | |
In der Bremer Bildungspolitik hat man ja gerade eher das Gefühl, dass so | |
viel geöffnet werden soll wie möglich, oder? | |
Ja, das finden wir falsch. | |
Kundgebung am Samstag,13 Uhr, im Rahmen des Internationalen Aktionstags für | |
Zero-Covid auf dem Bremer Marktplatz | |
10 Apr 2021 | |
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## AUTOREN | |
Mahé Crüsemann | |
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