# taz.de -- Abschiebung in den Iran: Die Bibel ist kein Märchenbuch | |
> Mohammad Jaffari droht die Abschiebung in den Iran. Eine Richterin glaubt | |
> nicht, dass er Christ ist, weil er die Bibel wie ein normales Buch las. | |
Bild: Vorsicht, nicht von vorn nach hinten lesen! Sonst droht die Abschiebung | |
HAMBURG taz | Unser Löwe auf der Flagge wurde beraubt / Und die Sonne | |
darauf zu Flammen wurde erlaubt / Dann hat ein Symbol namens Allah alles | |
versaut / Das Lachen und Freude im Iran wurde allen geklaut.“ Dieser Vers | |
eines von ihm verfassten Gedichts könnte Mohammad Jaffari das Leben kosten. | |
Jaffari, 28 Jahre alt, ist [1][im Iran geboren]. Seit 2015 lebt er in | |
Deutschland, bislang mit einer Duldung. Nun droht ihm die Abschiebung. | |
Obwohl Jaffari als Christ und Regimegegner im Iran mit Folter oder Tod | |
rechnen muss, will ihm das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen | |
Aufenthalt gewähren. | |
Jaffari ging dagegen in den Rechtsstreit und verlor. Die Richterin glaubte | |
ihm nicht, dass er Christ sei, unter anderem, weil er angegeben hatte, die | |
Bibel von vorn bis hinten durchgelesen zu haben. „Das macht deutlich, dass | |
er sich nicht vertieft mit der Bibel befasst hat“, argumentierte die | |
Richterin. „Denn sonst wüsste er, dass eine Bibel kein normales Buch ist, | |
das man von Anfang bis Ende durchliest.“ | |
Jaffari kann sich mit einem [2][so starren Verständnis von Religion] nicht | |
identifizieren: „Für mich gibt es nicht eine Religion. Es gibt Wege zu Gott | |
und das hier ist mein Weg und auf dem bin ich richtig.“ Jaffaris Weg zum | |
Christentum begann 2015, da war er 22 Jahre alt und lebte mit seiner Mutter | |
in Karadsch. Sein Vater war Regimegegner und schon vor Jaffaris Geburt in | |
die Niederlande geflohen. Seine drei Geschwister gingen hinterher, der | |
zuletzt Geborene blieb bei der Mutter. | |
Ein Freund habe ihm von Jesus und vom Christentum erzählt, sagt Jaffari. | |
Das habe ihn beeindruckt und er habe sich entschieden, Jesus zu folgen. | |
„Mir ist egal, woher Jesus kam und wer er war“, sagt Jaffari. „Wir alle | |
sind Gottes Kinder. Für mich zählen seine Taten.“ | |
## Wunden reichen nicht als Beweis | |
Taten zählen auch für die Lüneburger Verwaltungsrichterin, und die vermisst | |
sie bei Jaffari. Zwar verkenne sie nicht, dass der Kläger über Kenntnisse | |
der christlichen Religion verfüge, gleichwohl habe er nicht den Eindruck | |
hinterlassen, dass er die religiöse Betätigung im Sinne einer inneren | |
christlichen Überzeugung für sich selbst als verpflichtend empfinde. Alles | |
in allem kommt die Richterin zu dem Schluss, dass nicht davon auszugehen | |
sei, dass dem Wahlhamburger bei einer Abschiebung in den Iran eine | |
Verfolgung drohe. | |
Auch zwei Wunden reichen der Richterin nicht als Beweis, die Jaffari am | |
Oberkörper hat. Nach dem heimlichen Besuch einer Hauskirche in Karadsch | |
seien fünf Männer auf ihn zugestürmt und hätten ihn niedergestochen, gab er | |
vor Gericht an. In einer vierstündigen Notoperation hätten Ärzt*innen ihm | |
das Leben gerettet. Danach habe er beschlossen zu fliehen. | |
Nach Ansicht der Richterin liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der | |
Angriff mit seiner möglichen Konversion zum Christentum zu tun gehabt habe. | |
„Aber warum sollte es sonst passiert sein?“, fragt Jaffari. „Jeder in | |
meiner Nachbarschaft kannte mich, niemand hatte was gegen mich.“ | |
Das Oberverwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung der Lüneburger | |
Verwaltungsrichterin Ende Januar. Der rechtliche Weg ist nun ausgeschöpft. | |
Das Bundesamt forderte den Iraner daraufhin zur „freiwilligen“ Ausreise bis | |
Mitte März auf. | |
Jaffari, den seine Freund*innen Momo nennen, schläft seitdem jede Nacht | |
woanders. Er hat die Verpflichtung zur „freiwilligen“ Ausreise nicht | |
unterschrieben. Nun hat er Angst, festgenommen und in Abschiebehaft | |
gebracht zu werden. Zum Glück habe er viele Freund*innen, die ihn | |
unterstützen, sagt Jaffari. | |
Er ist ein Paradebeispiel für gelungene Integration. Weil er mit seiner | |
Duldung kein Recht auf einen Platz im Deutschkurs hatte, brachte er es sich | |
mit einem Freund bei. „Sprache ist mir wichtig“, sagt Jaffari, der auch | |
Rapper ist und im Internet Videos und selbst geschriebene Gedichte | |
veröffentlicht, in denen er das iranische Regime kritisiert. Die Videos | |
seien auch im Iran angeklickt worden. | |
## Petition gegen die Abschiebung | |
Weil die Möglichkeiten, im Leben weiterzukommen, in Tötensen, wo er | |
gemeldet war, beschränkt waren, kam er nach Hamburg und lehrte an der | |
Hip-Hop-Academy Breakdance und Parcours. Er machte den mittleren | |
Schulabschluss und absolvierte ein freiwilliges soziales Jahr an der | |
Nelson-Mandela-Schule, anschließend machte er eine Ausbildung zum | |
Sozialpädagogischen Assistenten. | |
Eine Freundin initiierte eine Petition gegen die Abschiebung, fast 10.000 | |
Personen unterschrieben. Außerdem läuft eine Kampagne auf Instagram, wo | |
solidarische User*innen [3][unter dem Hashtag #momobleibt] ihr Gesicht | |
zeigen. Seine letzte Hoffnung aber ist eine Weiterbildung zum Erzieher, die | |
ein Abschiebehindernis darstellen könnte. Dafür hat er bereits einen Platz | |
an einer staatlichen Fachhochschule sowie einen Praktikumsplatz. Im August | |
geht es los, falls er dann noch da ist. | |
10 Apr 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Iran-und-der-Westen/!5746694 | |
[2] /Evangelikale-Glaubensformen/!5752772 | |
[3] https://www.instagram.com/momobleibt/ | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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