# taz.de -- Waffenembargo in Libyen: Bundeswehr-Panzer für den König | |
> In Libyen herrscht eine brüchige Waffenruhe. Auch weil Jordanien Waffen | |
> liefert. Deutschland schweigt. Und liefert weiter Panzer nach Jordanien. | |
Bild: Die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei der Schlüs… | |
Seit zehn Jahren gilt für das Bürgerkriegsland Libyen ein Waffenembargo der | |
Vereinten Nationen. Nur wenige wissen das besser als Außenminister Heiko | |
Maas (SPD) und seine Mitarbeiter. Bis Ende 2020 leiteten Spitzendiplomaten | |
aus Deutschland sogar das zuständige Komitee des UN-Sicherheitsrats, das | |
sich mit dem Libyen-Embargo beschäftigt. Dort kommen auch immer wieder die | |
vielen Verstöße gegen den Einfuhrbann zur Sprache. Also wissen Maas und | |
seine Leute auch, welche Länder in besonders eklatanter und – so ein | |
UN-Bericht – „unverfrorener Weise“ das Embargo verletzen: die Vereinigten | |
Arabischen Emirate (VAE), die Türkei und Jordanien. | |
So stand es jedenfalls in einem UN-Expertenbericht zu dem Thema im Dezember | |
2019. Die Bundesregierung bemüht sich seitdem nach Kräften, diese | |
Erkenntnis zu ignorieren. Nach Recherchen der taz hat sie sogar noch im | |
Jahr 2020 Kriegsgerät an den jordanischen König Abdullah II. liefern lassen | |
und dessen Regime in einem Bericht an den Bundestag als Hort der Stabilität | |
bezeichnet. | |
Dabei leistete Jordanien ähnlich wie die Emirate in Libyen immer wieder | |
Militärhilfe für den aufständischen Warlord Chalifa Haftar, dessen Milizen | |
den Osten Libyens kontrollieren. Mal schickten die Jordanier gepanzerte | |
Kampffahrzeuge, mal bildeten sie im April 2019 im eigenen Land sogar | |
Kämpfer für ein als salafistisch geltendes Bataillon der Haftar-Milizen | |
aus. Im Mai 2018 und September 2020 fanden laut eines aktuellen UN-Berichts | |
von März 2021 zwei weitere solche Ausbildungsrunden für Haftar-Truppen | |
statt. Die Jordanier, so bilanzierten die UN-Experten bereits Ende 2019 in | |
ihrem Bericht an das damals von einem deutschen Diplomaten geleitete | |
UN-Komitee, hätten „wiederholt“ gegen das Embargo verstoßen. | |
Und trotzdem lieferte Deutschland im Rahmen der vom Auswärtigen Amt | |
mitgetragenen sogenannten Ertüchtigungshilfe dem Königreich Jordanien auch | |
im Jahr 2020 weitere 25 Schützenpanzer vom Typ Marder – ausgemusterte | |
Kettenpanzer der Bundeswehr von jeweils über 30 Tonnen Gewicht, die vom | |
Hersteller Rheinmetall modernisiert und auf sandfarbenen Wüstentarnanstrich | |
umlackiert wurden. Während also die Jordanier eigenes Kriegsgerät gen | |
Libyen schickten – ergänzte Deutschland ungerührt die Bestände der Armee | |
des Königs. Angestoßen hatte die Bundesregierung die Ertüchtigungshilfe für | |
Jordanien bereits 2016. Fast 100 Millionen Euro Steuermittel sind seither | |
dafür geflossen. | |
„Der Auslieferungszeitraum erstreckt sich auf die Jahre 2016 bis 2020“, | |
bestätigte Rheinmetall jetzt auf Fragen zu den Marder-Lieferungen. Der taz | |
liegt ein vertraulicher Bericht des Auswärtigen Amts und des | |
Verteidigungsministeriums vom März 2020 an den Verteidigungsausschuss des | |
Bundestages vor. Auch in diesem Bericht, verfasst von den Staatssekretären | |
Andreas Michaelis und Benedikt Zimmer, wurden die Lieferungen für Jordanien | |
für 2020 ausdrücklich genannt. Der Gesamtwert der Hilfen für das Königreich | |
betrage in diesem Jahr 23,4 Millionen Euro. Als „stabiler Anker in der | |
politisch volatilen Nahostregion“ und als Teil der internationalen | |
Koalition gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ verdiene Jordanien | |
diese Förderung, hieß es in dem Report. Die Embargobrüche des angeblich so | |
verlässlichen Ankerlandes in Libyen vermerken die Mitarbeiter von Heiko | |
Maas und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) nicht. | |
Dabei entdeckte die zuständige UN-Expertengruppe im Mai 2019 sogar Belege, | |
dass die Jordanier Panzerfäuste aus eigener Produktion nach Libyen | |
verbracht hatten. Deutsche Panzerabwehrwaffen wiederum waren im Jahr 2018 | |
im Rahmen der Ertüchtigungshilfe von Deutschland an Jordanien geliefert | |
worden. Der Grünen-Verteidigungsexperte Tobias Lindner findet es | |
„merkwürdig, dass die Embargobrüche in dem Bericht nicht erwähnt wurden“. | |
Dadurch werde auch die parlamentarische Debatte „auf ein falsches Gleis | |
gesetzt“. | |
Merkwürdig auch, weil immerhin Kramp-Karrenbauers parlamentarischer | |
Staatssekretär Peter Tauber im Dezember 2020 ein Bekenntnis zum | |
Libyen-Embargo abgegeben hatte: „Die Bundesregierung setzt sich für die | |
strikte Umsetzung des Waffenembargos der Vereinten Nationen gegen Libyen | |
ein“, versicherte Tauber in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage. | |
Das Auswärtige Amt will detaillierte Fragen zu der Ertüchtigungshilfe für | |
den Bündnispartner Jordanien trotz dessen Embargobrüchen nicht beantworten. | |
Die Zusammenarbeit unterliege „der Vertraulichkeit“. | |
## Rheinmetall hilft beim Training der Marder-Besatzungen | |
Noch in diesem Jahr hilft der Hersteller Rheinmetall den Jordaniern | |
überdies bei der Ausbildung der Marder-Besatzungen. Der Düsseldorfer | |
Rüstungskonzern brüstet sich damit sogar auf der eigenen Webseite: „Im | |
Rahmen des Programms der Bundesregierung zur Ertüchtigung der Streitkräfte | |
Jordaniens hat Rheinmetall die Soldaten des Königreichs umfassend am | |
Schützenpanzer Marder 1A3 ausgebildet“, heißt es da. Fotos zeigen Soldaten, | |
die sich über das Geschütz eines der Panzer beugen – und Marder in voller | |
Fahrt, die im Wüsteneinsatz eine Staubwolke hinter sich herziehen. | |
Die Firma Rheinmetall hatte nach eigenen Angaben „neben der technischen | |
auch die taktische Ausbildung auf Kompanieebene“ übernommen. „Aufgrund | |
mangelnder eigener Kapazitäten“ habe die Bundeswehr Rheinmetall mit diesem | |
Training beauftragt – eingeschlossen „Schießausbildung“ mit der | |
20-Millimeter-Maschinenkanone, die auf den Panzern installiert ist. „Bis zu | |
acht Rheinmetaller“ sowie „ehemalige Bundeswehrsoldaten mit den | |
erforderlichen Qualifikationen für solches Technik- und Taktik-Training“ | |
habe der Konzern dafür „vor Ort“ in Jordanien eingesetzt. | |
Laut Rheinmetall war es das erste Mal, dass die Bundeswehr ein Unternehmen | |
damit beauftragt habe, „eine Kompanie zu schulen“. Und Rheinmetall | |
bestätigte jetzt auf Anfrage der taz: „Die Ausbildungsmaßnahmen laufen | |
derzeit noch und werden im Jahr 2021 wie geplant zum Abschluss gebracht.“ | |
Es war die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die | |
im Jahr 2016 die ersten dieser Schützenpanzer an das jordanische Militär | |
übergab. Ein Jahr später half das Königreich seinerseits der deutschen | |
Ministerin aus der Patsche. Damals entschied die Bundesregierung, in der | |
Türkei stationierte Tornado-Jets abzuziehen, weil das Land keine deutschen | |
Abgeordneten mehr als Besucher auf den Stützpunkt ließ. Die Bundeswehr | |
verlegte darauf ihre Tornados für den Einsatz gegen den IS auf einen | |
Flugplatz östlich der jordanischen Hauptstadt Amman. | |
Dabei war bereits im Jahr 2017 bekannt, dass das Königreich im Umgang mit | |
Kriegsgerät nicht über jeden Zweifel erhaben war. Laut des | |
Rüstungsexportberichts für dieses Jahr verweigerte die Bundesregierung | |
damals die Ausfuhr von Munition nach Jordanien – wegen eines Risikos „der | |
Abzweigung von Militärtechnologie“ oder „der Wiederausfuhr von | |
Militärgütern unter unerwünschten Bedingungen“. Von der Leyen lobte | |
Jordanien bei einem Besuch Anfang 2018 dennoch als „eine Stimme des | |
Ausgleichs und eine Stimme der Vernunft“ im Nahen Osten. | |
Rechtlich scheint es möglich, die Ausfuhr von Kriegsgerät nach Jordanien zu | |
erlauben, selbst wenn das Land ein UN-Embargo bricht – insbesondere wenn es | |
keine deutschen Rüstungsgüter sind, die auf Abwege geraten. „Wenn ein Land | |
mit anderen Waffen ein UN-Embargo bricht, dann ist das eventuell ein | |
Gesichtspunkt für die Prüfung, aber eine Versagung eines Exports ist nicht | |
zwingend“, sagt Arnold Wallraff, der früher das Bundesamt für Wirtschaft | |
und Ausfuhrkontrolle (Bafa) führte und heute der Fachgruppe Rüstungsexporte | |
der „Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung“ angehört, die sich für | |
die beiden großen Kirchen des Landes kritisch mit dem Thema befasst. | |
Die in der EU geltenden Kriterien für Rüstungsexport verlangen, bei | |
Empfängerländern die „Einhaltung des Völkerrechts“ zu berücksichtigen. | |
„Wenn die Bundesregierung es wirklich ernst meint mit ihren Bemühungen um | |
Frieden in Libyen, muss sie Jordanien sofort von der | |
Ertüchtigungsinitiative ausschließen“, verlangt darum Susanne Weipert, die | |
Koordinatorin der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“, hinter d… | |
große kirchliche Organisationen wie Brot für die Welt und Misereor stehen. | |
Ginge es nach dem deutschen Kriegswaffenkontrollgesetz, so die Einschätzung | |
von Weipert, hätte die Bundesregierung „die Genehmigung für Rheinmetall | |
sofort widerrufen müssen“, nachdem Embargoverstöße bekannt geworden seien. | |
Im Moment herrscht in Libyen ein brüchiger Waffenstillstand. Anlässlich | |
seines Besuchs der Einheitsregierung am 25. März in Tripolis sprach Heiko | |
Maas zwar davon, dass weiter Kämpfer, Waffen und Kriegsmaterial nach Libyen | |
kommen. Er behauptete jedoch, dass es zuletzt „Fortschritte“ in dieser | |
Frage gegeben habe. Nur kurz zuvor, am 8. März, hatten UN-Experten in einem | |
Bericht die Lage in Libyen ganz anders bewertet: Das Waffenembargo gegen | |
das Land sei „vollkommen wirkungslos“. Und als einen der | |
Hauptverantwortlichen nannten sie erneut das Königreich Jordanien. | |
3 Apr 2021 | |
## AUTOREN | |
Hans-Martin Tillack | |
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