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# taz.de -- Blick zurück auf den Flipper: Same player shoots again
> Flipperautomaten gehörten früher in jede Kneipe und haben
> Kulturgeschichte geschrieben. Wir erinnern an eine verblasste Zeit.
Bild: Die Zeit der Flipper ist nun seit über zwanzig Jahren zu Ende
Seitdem die Flipper verschwunden sind, haben sich die Städte verändert. Sie
sind gläserner geworden, durchsichtiger. Im Zentrum und an den
Ausfallstraßen reihen sich Läden mit breiten Fensterfronten aneinander,
Dönerbuden, Nagelstudios, Coffee Shops, Shishabars, Asia-Bistros,
Start-up-Büros – lauter Orte, die man zur Blütezeit der Flipper noch nicht
kannte.
In den Straßen meiner Kindheit, in der Abfolge von Mietshäusern, Geschäften
und Lokalen, fand sich, wenn die Erinnerung nicht trügt, kaum eine
transparente Stelle. Die vielen Stehausschänke des Viertels, die
Konditoreien und die Gaststätten mit jugoslawischer oder „gutbürgerlicher“
Küche („deutsch“ hieß das Essen seltsamerweise nie) hatten Türen aus Holz
und waren mit gelblichen Gardinen verhüllt, und an den Fenstern der
Supermärkte, Getränkehändler und Schreibwarengeschäfte hingen großformatige
Werbeplakate mit Sonderangeboten. Höchstens die Metzgereien gewährten
vollen Einblick ins Innere des Ladens.
In den Cafés oder Imbissbuden von heute würde man einen Flipper von außen
sofort erkennen. Manchmal fällt mir im Vorbeigehen eine Stelle hinter den
großen Fenstern auf, die wie geschaffen wäre für einen Apparat – typische
Flipper-Standorte von früher, hinten bei den Toilettentüren oder in der
Ecke am Ende der Bar. Einmal, beim Blick in ein türkisches Lokal, schien
der freie Raum zwischen Theke, Wand und Fenster so passgenau ausgespart zu
sein – eine Lücke in Form eines Flippers –, dass mir die Silhouette des
blinkenden Kastens einen Moment lang wie ein Trugbild vor Augen erschien.
Als es noch Flipper gab, zeigten sich die wenigsten von ihnen auf den
ersten Blick. Sie mussten im Innern der Kneipen und Gaststätten erst
entdeckt werden, oft an entlegenen Stellen: in einem schmalen Durchgang
nach hinten, wo sich die Toiletten und der Zigarettenautomat befanden, in
einem erhöhten Nebenzimmer mit Billardtisch, zu dem ein paar Stufen neben
der Theke hinaufführten, oder sogar im Keller, im Vorraum der Kegelbahn.
Diese Anordnung hatte den Vorteil, dass ich auch in einem Alter, in dem es
mir noch lange nicht erlaubt gewesen wäre, alleine ein Lokal oder einen der
schmalen Stehausschänke zu besuchen, halbe Nachmittage flippern konnte. Ich
fragte vorne an der Theke, ob ich kurz die Toilette benutzen dürfte, ging
voller Aufregung nach hinten zu den Maschinen und spielte unbemerkt. (Je
öfter ich an einem Gerät stand, je vertrauter es mir wurde, desto länger
hielt auch mein Budget von 2 oder 3 Mark.)
## Zwielichtige, fast versteckte Flipperorte
Die Wirtin hatte mich längst vergessen; nur manchmal kam einer der Trinker
vorbei, um eine Schachtel Zigaretten aus dem Automaten zu ziehen, und warf
mir im Weggehen einen komplizenhaften Blick zu.
Inmitten dieser zwielichtigen, fast versteckten Flipperorte gab es eine
Ausnahme, einen Schauplatz, an dem sich die Maschinen offen präsentierten –
die hell erleuchteten Spielhallen, die sich vor allem rund um den Bahnhof
verteilten.
Ihre großflächigen, mit Neonschriftzügen verzierten Fenster waren schon von
Weitem zu sehen, und es ist eine schroffe Umkehr im Erscheinungsbild der
Städte, dass die verbliebenen „Spielotheken“ von heute gerade die blinden
Flecken der immer lichter gewordenen Ladenzeilen bilden, hermetische Orte
mit schwarz beklebten Fenstern, deren Fassaden, einem Gesetz von 2012
zufolge, „so zu gestalten sind, dass ein Einblick ins Innere der
Räumlichkeiten von außen nicht möglich ist“.
## Ein Rattern und Sirren Dutzender Maschinen
In der Zeit der Flipper waren die Spielhallen verheißungsvolle,
durchlässige Orte, deren Geräusche – ein vielfach verstärktes Rattern und
Sirren Dutzender Maschinen – sich den Passanten durch die offenen
Glasschiebetüren schon in der Ferne ankündigten wie bei einem in der Nähe
errichteten Rummelplatz. Wer heute die Scheu vor den schwarzen Fenstern
überwindet und die Tür zu einer „Spielothek“ öffnet, betritt dagegen ein…
abgedichteten, beinahe sterilen Raum.
Die Geldspielautomaten stehen auf gepflegtem Teppichboden (Flipper und
andere Geräte for amusement only gibt es nicht mehr), und davor sitzen ein
paar Spieler auf Barhockern mit Lehnen und drücken stoisch ihre Tasten. Ein
Getto für die letzten, sorgsam von der Welt getrennten Suchtopfer, den
Raucherbereichen in Flughäfen und Bahnhöfen vergleichbar.
Meine Orientierung in der Heimatstadt, vor allem in den südlichen Vierteln,
ist immer noch von den ehemaligen Flipperorten geprägt; die Lokale und ihre
Apparate – rund um den Schlachthof und die Großmarkthalle, am Fluss entlang
Richtung Tierpark – setzen sich zu einem verlässlichen Stadtplan zusammen.
Ich bewege mich zwar, wie der blaue Punkt auf der Karte des iPhones
bezeugt, vom Rondell an der Großmarkthalle die Thalkirchnerstraße Richtung
Süden und gehe links in die Brudermühlstraße, bevor ich kurz vor dem
Mittleren Ring in die schmale Bruderhofstraße abzweige, die nach einer
Weile in die Schäftlarnstraße parallel zur Isar mündet. Aber in meiner
inneren Topografie besteht diese Strecke auch fast vierzig Jahre später aus
Etappen von Flipper zu Flipper.
## Totem, Medusa, Time Warp, Gorgar, Panthera
Vom Totem, in einer Gaststätte am Rondell, deren Namen ich vergessen habe,
führt der Weg zum Medusa, den wir in einem dubiosen Trinkerlokal namens
„Dudlhofer“ spielten, zum Time Warp mit den bananenförmigen Schlägern im
Wirtshaus „Herzog Siegfried“ (oder hieß es „Herzog Anton“?), weiter zum
Gorgar im Gasthof „Wasserturm“ und zum Panthera, der in der Westernkneipe
„Oklahoma“ ganz hinten auf einer Empore stand.
Keines dieser Lokale existiert heute noch. Im „Herzog Siegfried“ zog
irgendwann ein griechisches Restaurant ein, danach (unabwendbares Schicksal
fast aller Griechen Ende der neunziger Jahre) eine Tapas-Bar.
Das Wirtshaus am Rondell, der „Wasserturm“ und das „Oklahoma“ sind nicht
einmal mehr als gastronomische Betriebe zu erkennen. Sie sind irgendwann
umgebaut worden zu Erdgeschosswohnungen oder Büroräumen, und nur die Fugen
an den zugemauerten und durch schmalere Türen ersetzten Eingangsfronten
verraten, dass es an dieser Stelle einmal ein Lokal gegeben hat.
Aufbewahrt ist die verblasste Welt der Flipper in alten Spielfilmen und
Fernsehserien. Gerade in der Zeit ihrer größten Popularität (den fünf,
sechs goldenen Jahren vor der ersten Krise ab 1982, die mit meiner
Entdeckung der Maschinen durch eine glückliche Fügung zusammenfallen)
tauchen sie in Kneipen- und Gasthausszenen regelmäßig auf, einbezogen in
die Handlung oder, häufiger, als bloße Kulissen, die von der Kamera nicht
weiter beachtet werden.
## Wie eine Eis-am-Stiel-Tafel
Abseits des Geschehens gerät kurz ein Flipper ins Bild, ohne Funktion,
vielleicht sogar unabsichtlich: beiläufiges Kolorit der Gegenwart, wie eine
Eis-am-Stiel-Tafel, ein Werbeplakat oder eine Plastiktüte mit dem Logo
eines Kaufhauses. In Filmen und Serien aus der Zeit um 1980 kann dieser
schöne Moment jederzeit eintreten.
Das Pariser Einkaufszentrum in „La Boum“, in dem Vic und ihre Schulfreunde
herumhängen und in dem man im Hintergrund einen Supersonic sieht.
[1][Helmut Dietls „Monaco Franze“], der spätabends in einem Spielsalon auf
den Dienstschluss seiner jungen Freundin wartet und an einer Reihe von
Flippern vorbeigeht. Die Jugendfußballer aus „Manni, der Libero“, die sich
nach dem Training im Vereinslokal um den Strikes and Spares scharen.
Aus Sehnsucht nach den Geräten, auf denen ich zu spielen gelernt hatte –
den ersten elektronischen Flippern der Firmen Bally und Williams, mit roten
Computerziffern anstelle der bis dahin obligatorischen mechanischen
Punkteanzeige –, habe ich eine Zeit lang systematisch nach Filmausschnitten
gesucht. Unbeachtet ließ ich dabei die wachsende Zahl der Youtube-Videos,
in denen aufwendig restaurierte, in Hobbykellern oder Garagen stehende
Maschinen vorgeführt werden.
Diese zum Sammlerobjekt erstarrten Apparate, mit Schlüssel am Münzfach und
ewigem Freispiel-Reservoir, waren für mich nicht von Interesse. Infrage
kamen nur Filmszenen, die die Flipper noch in ihrer angestammten Umgebung
zeigten, als öffentliche Geräte, auf denen jeder nach dem Einwurf eines
Geldstücks sein Geschick erproben konnte.
## Schauplätze, an denen Spielautomaten stehen könnten
Als ergiebigste Quelle erschienen mir dabei die Krimiserien, denn die
Kommissare und Inspektoren landen bei ihren Ermittlungen immer wieder an
Schauplätzen, an denen Spielautomaten stehen könnten. Ich habe etliche
„Derrick“-, „Kottan ermittelt“- und „Tatort“-Folgen aus den späten
siebziger und frühen achtziger Jahren nach Flippern durchforstet.
Vor allem von den „Derrick“-Fällen versprach ich mir viel, weil sie in
München spielen, und ich darauf hoffte, dass in einer Folge, die den
Inspektor ins Bahnhofs- oder Schlachthofviertel führt, vielleicht ein Lokal
zu sehen sein würde, in dem ich als Kind selbst einen Apparat entdeckt
habe.
Aber die Ausbeute war enttäuschend. Die Verbrechen in den „Derrick“-Krimis
ereignen sich, wie ich es ohnehin in Erinnerung hatte, häufig in den
Villenvierteln Grünwalds oder rund um den Starnberger See; und auch wenn
sie in der Innenstadt geschehen, sind eher die großbürgerlichen Gegenden
wie Nymphenburg oder Bogenhausen betroffen. Es kommt ganz selten vor, dass
Derrick und sein Assistent Harry Klein in Kneipen, Bars oder Spielhallen
gerufen werden.
In den zwischen 1978 und 1984 gesendeten Folgen bin ich überhaupt nur auf
zwei Szenen gestoßen, in denen ein Flipper auftaucht: In „Ute und Manuela“
spielt der junge Verdächtige, mit Lederjacke und strähnigem Haar, in einer
Bowlingbahn an einem elektromechanischen Gerät; in „Das Mädchen in Jeans“
steht zu Beginn eine Bardame am Pinball Champ '82 und wird plötzlich von
einem anderen Gast mit dem Messer bedroht.
## Schimanski steht schon beim ersten Fall vor der Maschine
Bei „Derrick“ und den arrivierten, von Gustl Bayrhammer oder Hansjörg Felmy
verkörperten „Tatort“-Kommissaren sind die Apparate kaum zu sehen, und wenn
einmal jemand flippert, sind es immer die Delinquenten. Im Jahr 1981 nimmt
aber ein „Tatort“-Ermittler aus Duisburg die Arbeit auf, der schon bei
seinem ersten Fall selbst vor der Maschine steht.
Horst Schimanski spielt mit seinem Kollegen Thanner in einer Imbissbude am
Star Trek von Bally, und die in einem „Tatort“ bis dahin undenkbare
Hemdsärmeligkeit des Kommissars, der observierten Halbwelt immer näher als
dem Polizeimilieu, zeigt sich auch an seiner Liebe zu den Automaten.
In den 29 Schimanski-Folgen, die zwischen 1981 und 1991 ausgestrahlt
wurden, tauchen regelmäßig Flipper auf, vor allem in den frühen Filmen. Im
ersten, „Duisburg-Ruhrort“, sind es neben dem Star Trek der Flash (in einer
Rockerkneipe) und der Harlem Globetrotters (in einem türkischen Lokal); im
zweiten, „Grenzgänger“, der Hot Tip; im vierten, „Das Mädchen auf der
Treppe“, der Firepower, der in einer der ersten deutschen
Burger-King-Filialen steht („Kennen Sie den Typen am Flipper? Ich glaub,
der folgt uns schon die ganze Zeit“, sagt Thanner zu der jungen Frau, die
den Mörder ihrer Mutter sucht).
In der fünften Folge, „Kuscheltiere“, ist zweimal der Black Knight zu
sehen; in der achten, „Zweierlei Blut“, spielt Schimanski am Pinball Champ
'82, bei verdeckten Investigationen in einer Fußballkneipe nach dem Mord an
einem Fan des MSV Duisburg. Einer der Stammgäste nennt ihn einmal
respektvoll „Flipperking“. Die Frequenz der Flipperszenen ist in den
„Tatort“-Filmen mit Kommissar Schimanski so hoch, dass der Einsatz der
Maschinen fast programmatisch wirkt.
## Bedeutung des Flipperns für junge Münchner Kinoregisseure
Und tatsächlich gibt es in der Biografie von Hajo Gies, dem Regisseur der
ersten Folgen und dem Erfinder der Figur, ein Indiz, das diesen Verdacht
bestärkt. Gies gehörte ab 1967 dem ersten Jahrgang der neu gegründeten
Filmhochschule in München an, neben Wim Wenders und Werner Schroeter.
Die Bedeutung des Flipperns für die jungen Münchner Kinoregisseure dieser
Zeit ist vielfach dokumentiert, sowohl in Interviews und Lebenserinnerungen
über die abendlichen Wettkämpfe in der Schwabinger Kneipe „Kleiner
Bungalow“, in der drei Maschinen standen, als auch in ihren frühen Werken,
wie [2][Klaus Lemkes] „Strategen“ von 1966, dem Kurzfilm „Same Player
Shoots Again“ von Wim Wenders 1967, in dem Hanns Zischler fünfmal dieselbe
Szene durchlebt (damals waren die Geräte noch auf fünf Kugeln eingestellt)
oder „Liebe ist kälter als der Tod“ von Fassbinder 1970.
Die Flipperleidenschaft der deutschen Regisseure war ihrerseits von den
Filmen der Nouvelle Vague inspiriert, in denen die Geräte häufig eine Rolle
spielen. Truffaut hatte 1962 auf die Frage nach der Gemeinsamkeit zwischen
den jungen Pariser Filmemachern sogar gesagt, sie bestehe einzig in der von
allen geteilten Lust aufs Flippern. Hajo Gies' Schimanski-Krimis geben also
über die Automaten ihre Einflüsse und Vorbilder zu erkennen, knüpfen den
„Tatort“ an das junge Münchner Kino und die Nouvelle Vague.
„Ich musste noch etwas Zeit totschlagen“, sagt Kommissar Schimanski einmal,
als er von Thanner zufällig beim Flippern in einer Imbissbude entdeckt
wird. Und genau diese Funktion der Überbrückung ist den Apparaten meistens
zugekommen.
## Die typischen Flippermomente
Natürlich habe ich mich abends unzählige Male zum Spielen in einer Kneipe
oder einem Billardsalon verabredet. Aber die typischen, am stärksten in
Erinnerung gebliebenen Flippermomente sind die, in denen das Aufsuchen der
Maschinen in einen Zwischenraum fiel, in eine Zeitspanne von ein, zwei
Stunden (oder auch eines halben Tages), die unausgefüllt vor mir lag und
deren bedrohliches Gewicht zerstreut werden musste.
Der Nachmittag zwischen Gitarrenunterricht und Fußballtraining, den ich oft
in einer weitläufigen Brauerei-Gaststätte neben der Wohnung des Lehrers
verbrachte, weil dort im Keller der Centaur stand. Ein paar verregnete
Urlaubstage, die nur dadurch erträglich wurden, dass ich am Stadtrand des
italienischen Ferienortes irgendwann einen Sale Gioco mit einer Reihe von
Flippern entdeckte. Die Stunden in einer fremden Stadt, wenn der Freund,
bei dem ich zu Besuch war, noch ein spätes Seminar hatte, und ich die
Haupt- und Ausfallstraßen nach einer Spielhalle absuchte.
In solchen Situationen, in einer matten, zunehmend bedrückten Stimmung
waren die Flipper das Heilmittel, das mir über die prekäre Schwelle des
Tages hinweghelfen konnte. Ob es diese Form von Langeweile und die
zugehörigen Linderungsmittel heute noch gibt? Jemand müsste eine Geschichte
des Zeittotschlagens schreiben, in der sich vermutlich erweisen würde, dass
sich die Frequenz dieser Kunst in den vergangenen Jahrzehnten stark erhöht
hat.
Die Smartphones erlauben es, jedes noch so kurze Intervall der Leere sofort
zu füllen; das Warten auf den Bus, das Anstehen an der Supermarkt-Kasse,
sogar die Rotphase einer Ampel kann mit ein paar Wischbewegungen auf dem
Display überbrückt werden.
## Mikrodosen von totzuschlagender Zeit
Totzuschlagende Zeit wird längst in der Einheit von Minuten und Sekunden
berechnet. Für diese Mikrodosen stand vor dreißig, vierzig Jahren außer der
Zigarette kein effizientes Werkzeug zur Verfügung (und sie wurden
vielleicht auch nicht für derart betäubungswürdig erachtet).
Mein Feind war dagegen der zähe Nachmittag im Ganzen, die Zeit nach
Schulschluss und Mittagessen, wenn keine Verabredung zum Fußball zustande
kam oder das Wetter sie durchkreuzte. In der Tristesse der endlosen Stunden
leuchtete dann auf einmal das Vorstellungsbild eines bunten Kastens auf,
der unbesetzt in der Ecke stand und nur auf mich zu warten schien, und ich
machte mich auf den Weg, um ihn aufzuspüren.
Die Zeit der Flipper ist nun seit über zwanzig Jahren zu Ende. Mitte 1999
brachte die Firma WMS Industries das letzte Williams-Gerät auf den Markt;
die beiden anderen großen Hersteller, Gottlieb und Bally, hatten bereits in
den Jahren davor aufgegeben. Vergeblich bemühte sich WMS am Ende noch, mit
Revenge from Mars und Star Wars Episode 1 – unter dem Motto Pinball 2000
entwickelte Mischformen aus Flipper und Computerspiel – für eine letzte
Renaissance zu sorgen.
Doch die Flipperabteilung des Konzerns erlebte das heraufbeschworene 21.
Jahrhundert nicht mehr und gab am 25. Oktober 1999 ihre Auflösung bekannt.
Aufrechterhalten wird die Branche seither nur noch von der Firma Stern, dem
ewigen Vierten der Flipperhersteller, und einigen neu gegründeten
Kleinunternehmen, die ihre Maschinen für den Privatgebrauch eines Kreises
von Sammlern und Turnierspielern produzieren.
In der Öffentlichkeit, in ihrem natürlichen Milieu der Kneipen und
Spielhallen, der Bars und Imbissbuden, findet man die Geräte nicht mehr.
Das Gedächtnis derer jedoch, die über Jahrzehnte hinweg mit dem Spiel
verbunden waren, hält die Flipper präsent. Es gibt Lebensgeschichten,
durchzogen von Rissen und Irrwegen, in denen die Automaten die größte
Konstante bilden. Die Reihe der Flipper, ihre leuchtenden Scheiben und
einprägsamen Namen, sind das Band, das die Bruchstücke meines Lebens
zusammenhält. Eine Biografie als Abfolge von Flipperereignissen. Same
Player Shoots Again.
3 Apr 2021
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## AUTOREN
Andreas Bernard
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