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# taz.de -- Neues Album von Camilo Lara: Ode an den Distrito Federal
> „D.F.“, das neue Album von Camilo Laras Soloprojekt Mexican Institute of
> Sound, ist eine Liebeserklärung an die mexikanische Hauptstadt.
Bild: „Sampling Sommelier“ Camilo Lara (l.) beim Auftritt im Berliner Tempo…
Bei dem Namen stellt man sich eine gläserne Eingangshalle mit Portier und
moderne, lichtdurchflutete Büros vor. Das Mexican Institute of Sound (MIS)
ist aber lediglich ein Einmannbetrieb, hinter dem der Produzent und Musiker
Camilo Lara steckt.
Der Mittvierziger versorgt uns mittlerweile schon gute 15 Jahre mit
überdrehten bass-schweren Pop-Collagen, für die Lara regelmäßig
Versatzstücke der mexikanischen Populärkultur verarbeitet. Das hat ihm auch
den Titel [1][„Sampling Sommelier“] eingebracht. Bei seinem lexikalischen
musikalischen Wissen ist die Bezeichnung Sound-Institut also gar nicht mal
so hochtrabend.
Das Mexican Institute of Sound ist so etwas wie Laras lebenslanges
Herzensprojekt. Jetzt legt er mit [2][„D.F.“] sein sechstes
MIS-Studio-Album vor – eine Liebeserklärung an seine Heimat, den früher
auch Distrito Federal (D.F.) genannten Großraum der Hauptstadt Mexikos. Von
den Azteken auf Seen errichtet, ist die Cuidad de México heute eine
vibrierende Metropole mit über 20 Millionen Einwohnern.
Eröffnet wird die Platte mit dem Chorus-gefüllten Song „Se compran“, in d…
Lara mit seinem lakonischen Sprechgesang die Straßenverkäufer der Stadt
preist, die lautstark für „Matratzen, Tambores, Kühlschränke“ werben.
## Tanz das Gegenmittel
In „La Luna de Noviembre“ besingt Lara leise die Schönheit des
Novembermonds, während der Cumbia „Dios“ Laras Vorliebe für mexikanisches
Streetfood auf den Punkt bringt: „Sollte ich Gott treffen, würde ich ihn um
Quesadillas bitten“. Der Song „El Antídoto“ beginnt dann in typischer
MIS-Manier mit einem stolpernden Intro, bevor Bässe tief brummen und die
Kolumbianerin La Perla „tanz´ das Gegenmittel“ rappt – was vielleicht na…
rettendem Impfstoff klingt, aber doch nur eine Aufforderung ist, sich den
„mythischen Klängen“ hinzugeben, „die dich heilen werden“.
Weitere Gäste auf dem Album sind Dan The Automator von den Gorillaz, die
Rapperin BIA und Graham Coxon von Blur. Ein Höhepunkt ist das von „Black
Lives Matter“-inspirierte, mantraartige „My America Is Not Your America“,
in dem Lara zu Coxons Gitarrenriffs den Kontinent Amerika bewusst von den
USA abgrenzt.
Seit seinen ersten Mixtapes bastelt Lara Collagen auf Grundlage von
Breakbeats, Mariachi-Bläsern und trippigen Bässen. Dazu kommen ironisch
gebrochene Texte, Samples aus dem reichhaltigen Fundus mexikanischer
Herzschmerz-Musik und Kitschfilmen der 1950er Jahre, Pauken und Trompeten –
und manchmal auch ein Zitat des Schriftstellers Juan Rulfo („Sie und ich,
wir alle wissen, dass die Zeit schwerer wiegt als das, was ein Mensch
ertragen kann“).
2012 gelang Lara dann mit dem Album [3][„Político“] der große Wurf: Der
Song „México“ über ein Land im Strudel von Gewalt und Korruption wurde mit
seinem stampfenden Cumbia-Beat zur Hymne einer Protestgeneration – und die
Nationalfarben umgedeutet: „México, México, ra, ra, ra – Grün wie Marihu…
/ Weiß wie Kokain / Rot dein Blut.“
## Der letzte Drink
Daneben ist Lara ständig in Projekte eingebunden, welche die Granden der
mexikanischen Musik würdigen. So war er am Tribut-Album „Un mundo raro“
(2017) für José Alfredo Jiménez beteiligt – jenen legendären
Ranchero-Sänger („El último trago“, „Der letzte Drink“), mit dem geme…
sich die großartige Diva Chavela Vargas fast zu Tode gesoffen hätte (am
Ende erwischte es aber Jiménez mit nur 47 Jahren zuerst, während Vargas in
hohem Alter noch späten Erfolg feierte). Kurz darauf produzierte Lara das
Album „Esto Si Es Cumbia“ der Cumbia Sonidera-Band Los Ángeles Azules –
eine der erfolgreichsten mexikanischen Platten der letzten 25 Jahre.
Vor Kooperationen mit großen Namen und Unternehmen schreckt Camilo Lara
ohnehin nicht zurück. Schon 2015 ging er mit Toy Selectah ins Studio, dem
Mix-Master des in der ganzen Welt „Ghetto-Tech“-Sounds wildernden
US-Produzenten Diplo. Ihr Album „Compass“ nahmen beide in den Studios des
Getränkeherstellers Red Bull in New York, London, Mexico-Stadt, São Paulo
und L.A. auf.
Danach wurde Lara musikalischer Berater für den Disney-Pixar-Blockbuster
„Coco“ (2018), einen Trickfilm um den „Día de los Muertos“, den Tag der
Toten, an dessen Oscar-prämierten Song „Remember Me“ Lara mitgetüftelt ha…
Die neue MIS-Platte „D.F.“ ist sperriger und weniger tanzbar als ihr
Vorgänger „Disco Popular“ (2017). Vielleicht hat das auch mit der (dem
Alter geschuldeten?) Nostalgie zu tun, mit der er auf die Veränderungen in
Mexiko-Stadt blickt – im Viertel Roma etwa, von Regisseur Alfonso Cuarón im
gleichnamigen Film verewigt, wo auch Lara lebt und das eine ähnliche
Aufwertung wie der Prenzlauer Berg in Berlin erfahren hat.
In Interviews betont Camilo Lara jedenfalls, Mexiko-Stadt bleibe für ihn
für immer und ewig D.F., der Distrito Federal seiner Jugend, auch wenn sie
längst umbenannt wurde. Das neue, modische Kürzel CDMX für die Ciudad de
México komme ihm nicht über die Lippen.
26 Mar 2021
## LINKS
[1] http://www.desertofmyeye.com/music/mexican-institute-of-sound
[2] https://mexicaninstituteofsound1.bandcamp.com/album/distrito-federal
[3] /Neues-Album-von-Mexican-Institute-of-Sound/!5082669
## AUTOREN
Ole Schulz
## TAGS
Cumbia
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