# taz.de -- Ausschreitungen in Belfast und Derry: Neue Unruhen in Nordirland | |
> Protestantisch-loyalistische Banden stecken hinter Krawallen, die Belfast | |
> und Derry seit Tagen erschüttern. Am Mittwoch ging ein Bus in Flammen | |
> auf. | |
Bild: Am Mittwoch auf The Shankill Road in Belfast: Ein gekaperter Linienbus st… | |
Dublin taz | Nach den Ausschreitungen in Nordirland haben Politiker | |
parteienübergreifend am Donnerstag die Krawalle scharf verurteilt. | |
„Zerstörung, Gewalt und die Androhung von Gewalt sind vollkommen | |
inakzeptabel und nicht zu rechtfertigen“, erklärte die Regierung der | |
Provinz nach einer Dringlichkeitssitzung. Das nordirische Regionalparlament | |
war zuvor vorzeitig aus den Osterferien zurückgerufen worden. Es will nun | |
beraten, wie man mit den Straßenschlachten umgehen soll, die sich | |
protestantisch-loyalistische Banden in Belfast und in Derry, der | |
zweitgrößten nordirischen Stadt, seit mehr als einer Woche mit der Polizei | |
liefern. | |
Die Polizei wird jeden Abend mit Benzinbomben und Steinen attackiert, | |
manche der Angreifer sind nicht älter als zwölf Jahre. Am Mittwochabend | |
wurde der Pressefotograf Kevin Scott verprügelt. Patrick Corrigan von | |
Amnesty International bezeichnete das als erneuten Versuch, Journalisten | |
einzuschüchtern. „Das war ein Angriff auf die Pressefreiheit“, sagte er. | |
Der Busverkehr in Teilen Belfasts ist eingestellt worden, nachdem ein | |
Linienbus am Mittwoch gekapert und abgebrannt worden ist. Die Bilanz der | |
vergangenen acht Tage: 41 verletzte Polizisten, 10 Menschen wurden | |
verhaftet. Einer war erst 13 Jahre alt. Der Vorsitzende des Verbands der | |
Polizei, Mark Lindsay, sagte, die Ausschreitungen würden von loyalistischen | |
paramilitärischen Organisationen orchestriert. Es sei typisch, dass | |
„ältere, finstere Gestalten“ junge Menschen dazu anstachelten. | |
Die Gründe für die Randale sind mehrschichtig. Die Loyalisten ärgern sich | |
zum einen darüber, dass die Polizei vorige Woche beschlossen hat, kein | |
Verfahren gegen die 24 Sinn-Féin-Mitglieder zu beantragen, die im | |
vergangenen Jahr die Pandemie-Restriktionen bei der Beerdigung von Bobby | |
Storey, einem prominenten Mitglied der Irisch-Republikanischen Armee (IRA), | |
missachtet haben. Zum anderen hat die Polizei mehrfach Drogen bei der | |
Südost-Antrim-Brigade der militanten Ulster Defence Association (UDA) | |
beschlagnahmt, die deshalb Krawalle in Teilen Belfasts ausgelöst hat. | |
## Brexit als Hauptgrund | |
Hauptgrund aber ist das [1][Nordirlandprotokoll des Brexit-Vertrag]s. Es | |
regelt, dass Nordirland weiterhin Teil des EU-Binnenmarkts bleibt und sich | |
deshalb an die Zollregeln der EU halten muss. Dadurch soll eine harte | |
Grenze in Irland vermieden werden, aber dafür wurde eine Grenze zwischen | |
Nordirland und Großbritannien errichtet. Der [2][Warenverkehr zwischen | |
beiden Teilen des Vereinigten Königreichs] muss kontrolliert werden. Für | |
die Unionisten und Loyalisten, die für den Verbleib Nordirlands im | |
Vereinigten Königreich eintreten, ist das ein rotes Tuch. | |
Sie sehen das Nordirlandprotokoll als Schritt in Richtung eines vereinigten | |
Irlands und werfen dem britischen Premierminister Boris Johnson Verrat vor. | |
Der sagte: „Die Meinungsverschiedenheiten müssen durch einen Dialog gelöst | |
werden, nicht durch Gewalt oder kriminelles Verhalten.“ | |
Der Rückruf der nordirischen Abgeordneten aus den Osterferien ist auf | |
Initiative der Alliance Party zustande gekommen. Abgeordnete aller fünf | |
Regierungsparteien unterzeichneten den Antrag. Die Alliance Party sieht | |
sich weder dem protestantisch-unionistischen, noch dem | |
katholisch-republikanischen Lager zugehörig. Ihre Parteichefin Naomi Long | |
ist Justizministerin in der Regionalregierung. „Die Gewalt muss enden“, | |
sagte sie. „Aber ebenso muss die politische Deckung der Gewalt durch vage | |
Äußerungen und leere Drohungen enden. Es darf keinen Platz für | |
Zweideutigkeit geben, die Gewalt muss vom Regionalparlament einmütig | |
verurteilt werden.“ | |
Nordirlands Premierministerin Arlene Foster von der Democratic Unionist | |
Party (DUP) sagte, die Krawalle seien kein legitimer Protest: „Das ist | |
Vandalismus und versuchter Mord. Diese Aktionen repräsentieren nicht den | |
Unionismus und Loyalismus. Sie lenken lediglich von den wirklichen | |
Gesetzesbrechern in Sinn Féin ab.“ Wegen der Weigerung, Maßnahmen gegen die | |
Sinn-Féin-Mitglieder zu ergreifen, die bei Storeys Beerdigung die | |
Coronarestriktionen verletzt haben, lehnt Foster Gespräche mit dem | |
nordirischen Polizeichef Simon Byrne ab. | |
Der irische Außenminister Simon Coveney sagte, Fosters Äußerungen seien | |
nicht sehr hilfreich. „Es ist immer einfach, zu kritisieren und Zwietracht | |
zu säen“, sagte er. „Die Herausforderung besteht aber darin, Wege für eine | |
einvernehmliche Lösung zu finden.“ Davon ist man jedoch weit entfernt. | |
8 Apr 2021 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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