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# taz.de -- Arbeitsbedingungen bei Amazon: Hygiene „to go“
> Amazon-Zusteller erzählten, wegen Zeitdruck in Flaschen urinieren zu
> müssen. Zuerst dementierte der Konzern, jetzt gab er es offiziell zu.
Bild: Eine Mitarbeiterin in einem Amazon Logistikzentrum
Stress ist die Lingua franca des Alltags. Alle kennen ihn, alle hassen ihn,
manche lieben ihn. Doch Stress ist nicht gleich Stress. Schlecht für die
Gesundheit ist er immer: Während er in Prestigeberufen ein Statussymbol
ist, kann er in prekären Jobs existenzbedrohend sein – aber auch
entwürdigend.
Dass Menschen in der Lieferbranche unter besonderem Druck stehen, ihre
Arbeit schnell zu erledigen, ist auch hierzulande bekannt. Dass sie dabei,
wenn sie [1][etwa für Amazon in den USA] arbeiten, in Flaschen pinkeln
müssen, um ihre eng getaktete, von digitalen Geräten getrackte
„Performance“ einzuhalten, ist aber eine weitere Stufe der fortschreitenden
Entmenschlichung in Arbeitsprozessen.
Öffentlich breiter diskutiert wurde [2][das nach einem Tweet] des
demokratischen US-Abgeordneten Mark Pocan. Pocan schrieb nach Berichten von
Amazon-Mitarbeiter*innen am 25. März: „Arbeitern 15 US-Dollar pro Stunde zu
zahlen, ist kein ‚fortschrittlicher Betrieb‘, wenn man zugleich
Gewerkschaften zerschlägt und Arbeiter in Wasserflaschen urinieren lässt“.
Amazon reagiert prompt: „Wenn das wahr wäre, würde niemand für uns
arbeiten. Die Wahrheit ist, dass wir über eine Million unglaubliche
Mitarbeiter weltweit haben, die stolz auf das sind, was sie tun, und vom
ersten Tag an großartige Löhne und eine gute Gesundheitsvorsorge haben.“
Ironisch, dass diese trotzige Beschwörung von Wahrheit nun von der echten
Wahrheit eingeholt wurde.
## Peinliches Eingeständnis
So erschienen kurz darauf in Vice und The Intercept Artikel, die
nachweisen, dass [3][die Sache mit dem Pinkeln] nicht mal eine Ausnahme,
sondern die Regel ist. Eine ehemalige Mitarbeiterin [4][berichtet auf
Twitter], gefeuert worden zu sein, weil sie zu oft auf Toilette ging.
Der öffentliche Druck auf den Konzern stieg daraufhin so, dass er jetzt
zugibt, doch davon gewusst zu haben. [5][In der entsprechenden
Stellungnahme] verweist Amazon jedoch auf die Covid-Situation, wegen der
gerade auf dem Land öffentliche Toiletten geschlossen seien. Dass sich die
als Entschuldigung camouflagierte Selbstentblößung zudem an den
Abgeordneten Pocan persönlich richtet, zeigt, wie viel Amazon von seinen
„stolzen Mitarbeiter*innen“ hält.
Es ist zu hoffen, dass von Amazons Eingeständnis ein weltweites Signal
ausgeht. Ein Signal für [6][bessere Arbeitsbedingungen] in der
Pakektzustellungs- und anderen systemrelevanten Branchen, in denen [7][der
Arbeitsschutz auch in Deutschland] immer öfter missachtet wird. Aber vor
allem auch gegen die um sich greifende Normalisierung von Stress im
Allgemeinen.
8 Apr 2021
## LINKS
[1] /Amazon-Beschaeftige-in-den-USA/!5757222
[2] https://twitter.com/repmarkpocan/status/1374890264658120709
[3] /Ken-Loachs-Film-Sorry-We-Missed-You/!5657039
[4] https://twitter.com/AlyssaS68948918/status/1376021752258686984
[5] https://slate.com/news-and-politics/2021/04/amazon-admits-drivers-pee-bottl…
[6] /Subunternehmen-One-Motion-Logistic/!5752381
[7] /Intensivmediziner-zur-Coronalage/!5756629
## AUTOREN
Philipp Rhensius
## TAGS
Amazon
Arbeitsbedingungen
Stress
Prekariat
Arbeitsschutz
Atemschutzmasken
USA
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