# taz.de -- Abschiebe-Delegation in Berlin: Wolkige Kriterien | |
> Darüber, wie eine guineische Delegation in Berlin abgelehnte Asylbewerber | |
> begutachtet, weiß der Senat nicht viel. Das zeigt eine Anfrage der | |
> Linken. | |
Bild: Proteste gegen Abschiebeflug am BER am Mittwochabend | |
Berlin taz | „Eine statistische Erfassung erfolgt nicht“: Ganze zehn Mal | |
findet sich diese oder eine ähnliche Formulierung in einer der taz exklusiv | |
vorliegenden Antwort der Senatsverwaltung für Inneres auf eine Schriftliche | |
Anfrage der Linken-Abgeordneten Niklas Schrader und Katina Schubert. | |
Sie hatten die Innenverwaltung dazu befragt, dass eine Delegation aus | |
Guinea in Berlin abgelehnte und mutmaßlich aus diesem Land stammende | |
Asylsuchende begutachte, um ihnen gegebenenfalls Passersatzpapiere | |
auszustellen und damit ihre Abschiebung zu ermöglichen. Solche Delegationen | |
werden in der Bundesrepublik seit Jahren genutzt, um abgelehnte | |
Asylsuchende ohne Papiere abschieben zu können. | |
Bemerkenswert ist, wie viel der Senat demnach nicht weiß: etwa, für wie | |
viele Personen aus welchen vermuteten Herkunftsstaaten Berlin in den | |
letzten Jahren Passersatzpapiere zu beschaffen versucht hat. Auch über | |
Sammelanhörungen aus den Jahren 2019 und 2020 lägen „keine Informationen | |
vor“. Laut Senat gibt es nicht einmal Daten darüber, wie viele der in den | |
letzten Jahren durch derartige Delegationen identifizierten Menschen | |
letztendlich abgeschoben wurden. | |
Schon die Vorbemerkung der Antwort liest sich pampig. Die „grundsätzliche | |
Berechtigung“ der Delegationsanhörung sei „nicht in Zweifel zu ziehen“. | |
Darüber hinaus „verwehrt“ sich die Senatsverwaltung gegen die | |
„Diskreditierung der entsandten Mitglieder der guineischen | |
Expertenkommission“. Es stehe „deutschen Behörden nicht zu, die Auswahl und | |
die Qualifikation der vom Herkunftsstaat ermächtigten Bediensteten in Frage | |
zu stellen.“ | |
## Kritik von Flüchtlingsräten | |
Damit bezieht sich der Senat wohl auf die etwa von den Flüchtlingsräten | |
geäußerte Kritik, es sei völlig unklar, was die von der guineischen | |
Regierung gestellten Beamten überhaupt qualifiziere oder nach welchen | |
Kriterien sie die Nationalität eines Geflüchteten feststellten. | |
Bezüglich der Qualifikationen verweist der Senat auf eine Kleine Anfrage | |
der Linken im Bundestag aus dem Jahr 2020. Dort aber schrieb die | |
Bundesregierung lediglich: „Die Experten werden aufgrund ihrer | |
Qualifikation und ihrer dienstlichen Stellung ausgewählt.“ Darüber hinaus | |
gibt der Senat nur bekannt, dass die Delegation aus zwei nicht zur | |
guineischen Botschaft gehörigen Männern bestand. Weitere Informationen | |
könne man nicht herausgeben, es habe „Bedrohungen in den sozialen | |
Netzwerken“ gegeben. | |
Bezüglich der Kriterien, nach denen die Nationalität eines Geflüchteten | |
bestimmt wird, gibt der Senat nun zu, diese seien ihm „im Einzelnen nicht | |
bekannt“. Das verwundert auch deshalb, weil bei den Befragungen laut Senat | |
stets deutsche Beamte anwesend waren. Der Berliner Flüchtlingsrat | |
kritisiert seit langem, dass das wohl häufigste Feststellungssmerkmal, die | |
Sprache, in Anbetracht der in Afrika willkürlich gezogenen Staatsgrenzen | |
keine eindeutige Identifizierung ermögliche. Weigerten sich die | |
Geflüchteten, zu sprechen, liefe das Prozedere letztlich auf Begutachtungen | |
von Körper- und Kopfformen hinaus. | |
## Immerhin ein paar Zahlen | |
Einige Informationen liefert die Antwort dann aber doch. So ist nun klar, | |
dass insgesamt 85 Personen und in Berlin 37 Menschen vor der guineischen | |
Delegation vorsprechen mussten. Diese habe sich von Oktober bis März in | |
Deutschland und vom 22. Februar bis zum 5. März in Berlin aufgehalten. | |
Scheinbar waren für lediglich sechs der Geflüchteten Berliner Behörden | |
zuständig. Darüber hinaus bestätigt der Senat, dass die Geflüchteten vor | |
der Anhörung durchsucht werden und eine Abschiebung unmittelbar danach | |
prinzipiell möglich ist. | |
Auf weitere Antworten drängen sich Folgefragen auf. So schreibt der Senat | |
etwa, die Befragungen der Geflüchteten habe nach „guineischen Recht“ | |
stattgefunden. Doch die Vorführungen fanden nicht wie sonst üblich in | |
Botschaften, sondern in Gebäuden deutscher Behörden statt. Wie aber in | |
Deutschland guineisches Recht gelten kann, erklärt die | |
Senatsinnenverwaltung nicht. Auch ist noch unklar, inwiefern die | |
Mitglieder der Delegation vergütet wurden. | |
## Kritik von der Linksfraktion | |
Niklas Schrader, einer der Fragesteller der Linken, kritisierte gegenüber | |
der taz, die Behörden würde „weder die Qualifikation der | |
Delegationsmitglieder noch die Kriterien, nach denen die | |
Staatsangehörigkeit festgelegt wird“, interessieren. Er hält es für einen | |
„Skandal“, dass „die Bundesrepublik mit undemokratischen Regimen | |
kooperiert“, um „die Abschiebung von Geflüchteten zu erreichen“. Er ford… | |
Innensenator Andreas Geisel (SPD) auf, „die Beteiligung Berlins an diesen | |
unwürdigen Vorführungen beenden und Abschiebungen nach Guinea aussetzen“. | |
Schrader und Schubert vermuten in ihren Fragen, dass der nächste | |
Abschiebeflug nach Guinea schon für den 20. April geplant sein könnte. Die | |
Innenverwaltung will keine „Auskünfte zu geplanten Chartermaßnahmen“ | |
erteilen. Von der Delegation begutachtete Menschen dürften dem Datum | |
dennoch voller Angst entgegenblicken. | |
9 Apr 2021 | |
## AUTOREN | |
Timm Kühn | |
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