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# taz.de -- Kontrollen in Belarus: Gefahr aus dem Ausland
> Die Staatsanwaltschaft geht gegen NGOs vor, die aus dem Ausland
> finanziert werden. Olga Deksnis erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk.
> Folge 76.
Bild: Geht gegen NGOs vor – „In unserer Nachbarschaft arbeiten destruktive …
Bei einer Besprechung außenpolitischer Themen forderte Alexander
Lukaschenko neulich, sich mit der Tätigkeit von NGOs auseinanderzusetzen,
die von privaten Einrichtungen aus dem Ausland finanziert werden, darunter
auch Sprachschulen. Denn „in unserer Nachbarschaft arbeiten destruktive
Strukturen“. Und schon lange wisse er, „wer da wer“ sei.
„Schon längst hätte man Sprachkurse, Pfadfinderorganisationen und andere
Strukturen dieser Art kontrollieren sollen, [1][die aus dem Ausland
organisiert und finanziert werden.] Nehmen Sie das selber in die Hand und
zerschlagen Sie sie!“, wies er den Bevollmächtigten für Religion und
Nationalitäten, Alexander Rumak, an.
Olga und Alexander Budai sind mit ihren zwei Kindern nach Polen gegangen,
aus der Provinzstadt Smorgon, nur 76 km vom litauischen Vilnius entfernt.
Alexander verließ das Land im September, nach zwei Inhaftierungen wegen der
Teilnahme an Demonstrationen und wegen „Verleumdung“ von Milizionären.
Seine Frau Olga kam mit den Kindern zu Beginn diesen Jahres nach. Vor ihrer
Abreise war sie zunächst noch wegen der Teilnahme an einer Demonstration
verurteilt worden, aber später wurde diese Entscheidung geändert. Sie hatte
dagegen Klage eingereicht, unter Einhaltung der dafür vorgesehenen Fristen.
Menschenrechtsaktivisten hatten in dem Gerichtsbeschluss eine Vielzahl von
Ungenauigkeiten und Fehlern (falsche Daten, Ausweisdaten und Teilnahme an
Demonstrationen) gefunden. Olga und Alexander sollen zusammen 300 Euro
Strafe zahlen.
Aber damit sind die Repressionen der Machthaber gegen die beiden noch lange
nicht beendet. Der Mann zum Beispiel war Chefingenieur in einer Brotfabrik
und Ideologe (das heißt, er hielt vor den Arbeitern Vorträge, um die
Position der derzeitigen Machthaber zu stärken).
Und Olga hatte ein eigenes Fremdspracheninstitut. Dort wurde Englisch,
Polnisch und Deutsch unterrichtet. Jetzt wird die Schule, wie viele andere
in Belarus, von der Staatsanwaltschaft für das Vorhandensein destruktiver
Stimmungen im Land angeklagt.
„Bis zum August 2020 war ich apolitisch“, erzählt Olga. „[2][Dann kam
Swetlana Tichanowskaja] zu uns in die Stadt und wir fanden es inspirierend,
dass es alternative Kandidaten für das Präsidentenamt gab. Als sie im
Fernsehen sagten, dass Lukaschenko ‚gewonnen‘ habe – mit mehr als 80% der
Stimmen -, konnten wir nicht länger schweigen und sind zu einer Demo
gegangen. Das war wie ein Fest: mit den Kindern, mit Kinderwagen, Leute
klatschten in die Hände und sangen.
Am nächsten Morgen kamen sie zu uns mit einem Durchsuchungsbefehl. Mein
Mann kam gleich für 24 Stunden in Haft. [3][Dann beschuldigten sie ihn,
Flugblätter mit persönlichen Daten von Milizionären und Politiker
hergestellt und verbreitet zu haben] (solche Flugblätter klebten die
Menschen im ganzen Land an Litfaßsäulen, damit die Leute „ihre Helden“
erkennen, Anm. d. Autorin). Sie nahmen Computer, Telefone und Tablets mit.
An dieser Aktion waren mehrere Leute beteiligt. Zwei davon wurden dann zu
Haftstrafen verurteilt. Einer zu zwei Jahren Arrest in einer Strafkolonie
offenen Typs, der andere zu zwei Jahren häuslichem Arrest. Und Alexander
wird international zur Fahndung ausgeschrieben, sein Verfahren ist bis
heute anhängig.“
„Und was ist jetzt mit Ihrem Sprachinstitut?“
„Im Land wird gerade die polnische Sprache massiv zurückgedrängt. Das steht
auch im Zusammenhang mit der Unterdrückung der Vereinigung der Polen in
Belarus. Außer nach dem Lehrplan hat man uns auch nach den persönlichen
Daten unserer Schüler gefragt, aber die rücken wir nicht raus. Wir arbeiten
gerade an einer Antwort an den Staatsanwalt. Denkende Menschen mit eigener
Meinung sind für den Staat unvorteilhaft.
Die belarussische Führung tut alles, damit Polnisch nicht weiter gelernt
wird und bricht alle Beziehungen zu Polen ab, das die Belarussen offen bei
ihrem Kampf gegen das Regime unterstützt und keine belarussischen
Staatsbürger ausliefert.
Ich sehne mich sehr nach Belarus, aber noch können wir nicht zurück, das
ist zu unsicher. Wann wir überhaupt zurück können, kann ich mir momentan
nicht mal vorstellen. Aber einfach herum sitzen und abwarten kann ich auch
nicht. Wir leben im Heute, versuchen, nach vorne zu schauen, und beginnen
unser Leben bei Null in einem neuen Land.“
Aus dem Russischen [4][Gaby Coldewey]
16 Apr 2021
## LINKS
[1] /Sicherheit-in-Belarus/!5748127
[2] /Belarussisches-Auslieferungsgesuch/!5742679
[3] /Repressionen-in-Belarus/!5714986
[4] /Gaby-Coldewey/!a23976/
## AUTOREN
Olga Deksnis
## TAGS
Belarus
Protest
Kolumne Notizen aus Belarus
Minsk
Alexander Lukaschenko
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Schwerpunkt Krisenherd Belarus
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