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# taz.de -- Migrationskrise in Belarus: Ein Anruf von Angela
> Die EU verurteilt Merkels Telefonat mit Lukaschenko. Dieser fühlt sich
> legitimiert. Olga Deksnis erzählt vom Leben in Minsk in stürmischen
> Zeiten. Folge 109.
Bild: Migrant:innen erhalten Essen in einem Logistik-Zentrum nahe der belarussi…
Seit dem 1. September 2021 sind etwa 8.000 Ausländer nach Belarus gekommen.
Der belarussische Innenminister Iwan Kubrakow sagt: „Die Situation ist
unter Kontrolle. Gegen 1.500 Menschen wurden Protokolle wegen Verstoßes
gegen das Migrationsrecht erstellt, sie erwartet eine Abschiebung.“
Warschau erklärt, die Flüchtlingskrise sei der schwerste Angriff auf die
Grenzen und die Stabilität des polnischen Staates in den letzten 30 Jahren.
[1][Mit den Migranten möchte Lukaschenko sich für die Sanktionen rächen.]
Die Europäische Union hat die Kriterien für die Verhängung von Sanktionen
gegen die belarussischen Machthaber erweitert und ist sich dabei auch über
das fünfte Sanktionspaket einig geworden. In den nächsten Tagen tritt es in
Kraft. Auch die Organisatoren des Migrantenverkehrs in die EU sind davon
betroffen.
In den sozialen Netzwerken von Belarus hat die Diskussion über all das
begonnen. Die einen verurteilen die Anwesenheit der „Gäste“ in unserem
Land. Daraufhin werfen andere ihnen vor, xenophob, rassistisch und
intolerant zu sein. Und wieder andere arbeiten als Freiwillige und helfen
den Kurden.
„Es geht jetzt nicht um Prinzipien“, sagt Veronika, die nach einem Besuch
in einem Minsker Hostel, wo man Migranten gratis wohnen lässt, begonnen
hat, um Geldspenden für die medizinische Versorgung von dreißig Menschen zu
bitten.
Und die Fotografin Xenia hat für kurdische Kinder warme Kleidung, Spielzeug
und Medikamente gegen Erkältung gesammelt und es den Bedürftigen gebracht.
In ihrem Facebook-Post heißt es: „Moralisten bitte ich, hier
vorbeizukommen.“
Die Journalistin Inna, die für Reportagen an die Grenze fährt, nimmt
Reiseproviant nicht nur für sich, sondern auch für die hungrigen Migranten
mit. Gleichzeitig wird sie darum gebeten, Schlafsäcke und Schokoriegel zu
kaufen. Und Zigaretten. Letztere sind mehr wert als Gold. Für eine
Schachtel zahlen die Kurden in den Flüchtlingslagern zwischen 50 und 200
Dollar.
## Sieg per Telefon
Die staatlichen belarussischen Medien zeigen die Polen von ihrer
aggressiven Seite. Es gibt zum Beispiel nirgends Videos, die zeigen, wie
Migranten die polnischen Sicherheitskräfte mit Steinen bewerfen, aber
überall wird gezeigt, wie die Polen Wasserwerfer gegen die Migranten
einsetzen. Schaut mal, was das für Aggressoren sind!
Merkels Anruf bei Lukaschenko haben sie übrigens auch als Sieg gewertet.
Schaut mal, mit diesen Gesprächen wurde doch gezeigt, dass ‚er wirklich der
wichtigste in Europa ist, der noch irgendwie diese Probleme lösen kann‘.
[2][Dabei erkennt die EU Lukaschenkos Legitimität gar nicht an.]
Die Migrationskrise wurde nicht dadurch ausgelöst, dass es jemandem an
Kommunikation gefehlt hat. Warum wird dieses Telefonat jetzt als Sieg
gewertet? Nach den Wahlen vom August 2020 hat Lukaschenko nicht zum
Telefonhörer gegriffen. [3][Sein Ziel ist jetzt, die Sanktionen zu
verringern.] Aber das Gegenteil passiert.
Der belarussische Politologe Artjom Schrajbmann kommentiert: „Die Anrufe
von Borrell (Josep Borrell, Hoher Vertreter der Europäischen Union für
Außen- und Sicherheitspolitik seit 2019; Anm. d. Redaktion) und Merkel
wirken wie eine Möglichkeit für Lukaschenko, selbständig den Konflikt zu
deeskalieren, ohne vollständig das Gesicht zu verlieren.“
Wenn die Europäische Union Lukaschenko überhaupt anerkennt, dann am ehesten
als Person, der die Probleme, die er in der Region selber schafft, auch
selber wieder lösen kann.
Aus dem Russischen [4][Gaby Coldewey]
25 Nov 2021
## LINKS
[1] /Fluechtlinge-in-Belarus/!5803445
[2] /Parafaschismus-in-Belarus/!5776134
[3] /Sanktionen-gegen-Lukaschenkos-Regime/!5776138
[4] /Gaby-Coldewey/!a23976/
## AUTOREN
Olga Deksnis
## TAGS
Kolumne Notizen aus Belarus
Belarus
Alexander Lukaschenko
Schwerpunkt Krisenherd Belarus
Schwerpunkt Flucht
Alexander Lukaschenko
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Krisenherd Belarus
Belarus
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