# taz.de -- 14 Jahre nach dem Mord an Hrant Dink: Lebenslange Haft für Auftrag… | |
> In der Türkei werden drei Hintermänner für den Mord am armenischen | |
> Journalisten Hrant Dink im Jahr 2007 verurteilt. Waren sie die einzigen? | |
Bild: Drei ehemalige Polizeibeamte wurden nun verurteilt: Gedenken an Hrant Din… | |
ISTANBUL taz | Mehr als 14 Jahre nach der Ermordung des armenischen | |
Journalisten und Menschenrechtlers [1][Hrant Dink] im Januar 2007 sind am | |
Freitag vor einem Istanbuler Gericht die Urteile über einige der | |
Hintermänner ergangen. | |
Drei Männer, alles ehemals hohe Polizeibeamte, wurde zu lebenslangen oder | |
erschwert lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Die anderen der insgesamt 74 | |
Angeklagten erhielten geringere Haftstrafen oder wurden freigesprochen, | |
weil ihre Taten als verjährt gelten oder die Beweise nicht ausreichten. Die | |
Verfahren gegen 13 weitere Angeklagte wurden abgetrennt. | |
Dass dieser Prozess überhaupt zustande kam, hat einerseits mit dem großen | |
Kreis der sogenannten Freunde von Hrant Dink zu tun, die immer darauf | |
drängten, die Hintermänner anzuklagen. Andererseits wurden die jetzigen | |
Angeklagten vom Staat nicht mehr gedeckt, weil sie allesamt zur | |
[2][Fethullah-Gülen-Sekte] gehören, mit der sich Staatschef Erdoğan 2014 | |
überworfen hatte. | |
Der Hauptangeklagte, Ramazan Akyürek, war zum Zeitpunkt der Tat Chef des | |
Nachrichtendienstes der Polizei. Zuvor war er Polizeichef von Trabzon, der | |
Stadt, aus der der jugendliche Mörder von Hrant Dink stammte, der gemeinsam | |
mit drei Freunden von Gendarmerieoffizieren in Trabzon zu der Tat | |
angestiftet worden war. Auch die beiden anderen Angeklagten, die nun eine | |
lebenslange Freiheitsstrafe erhielten, waren im Nachrichtendienst der | |
Polizei oder Offiziere der Gendarmerie in Trabzon. | |
## Hrant Dinks Ziel: Aufklärung über den Völkermord | |
Der eigentliche Mörder, der damals nicht einmal 18 Jahre alt war, war | |
unmittelbar nach dem Mord festgenommen und später [3][zu 23 Jahren Haft | |
verurteilt] worden. Es war allerdings von Anfang an klar, dass er nicht aus | |
eigenem Antrieb gehandelt hatte. | |
Der wesentliche Grund für den Mord an Hrant Dink war, dass dieser darauf | |
gedrängt hatte, den [4][Genozid an den Armeniern] während des Ersten | |
Weltkrieges endlich auch in der Türkei öffentlich zu verhandeln. Mehrfach | |
wurde er deshalb wegen Verächtlichmachung der Türkei angeklagt, die Rechten | |
organisierten eine Hetzkampagne. Die Anhänger der Gülen-Sekte gehörten zu | |
der Zeit zu den wichtigsten Unterstützern Erdoğans. Es ist möglich, dass | |
sie im Hintergrund an dem Attentat mitwirkten, aber es ist | |
unwahrscheinlich, dass sie die Hauptantreiber waren. | |
Der Anwalt der Familie von Hrant Dink, Hakan Bakircioğlu, kritisierte nach | |
dem Urteil denn auch, dass die wirklichen Drahtzieher noch immer nicht zur | |
Rechenschaft gezogen worden seien, man habe die ganze Geschichte nun der | |
[5][Gülen-Sekte in die Schuhe geschoben]. Auch Mitglieder der „Freunde von | |
Hrant Dink“ sagten anschließend, „wir warten immer noch auf Gerechtigkeit�… | |
Der zum Zeitpunkt seiner Ermordung 52-jährige armenische Journalist war | |
Chefredakteur der armenisch-türkischen Wochenzeitung Agos und eine der | |
wichtigsten Stimmen der armenischen Minderheit in der Türkei. Ihm ging es | |
vor allem um Aufklärung über den Völkermord, er wollte Leute zum Reden | |
bringen. | |
Deshalb kritisierte er gelegentlich auch die armenische Diaspora, der es | |
hauptsächlich darum gehe, dass möglichst viele Länder die Türkei für den | |
Genozid öffentlich verurteilen. Das erschwere aber die Aufarbeitung in der | |
Türkei, sagte Hrant Dink mehrfach. | |
Ihr eigentliches Ziel, die Diskussion über den Völkermord in der Türkei zu | |
stoppen, haben die Attentäter und ihre Hintermänner damals nicht erreicht. | |
26 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Tuerkei-und-Voelkermord-an-den-Armeniern/!5680917 | |
[2] /Wie-Guelen-zum-Staatsfeind-Nr-1-wurde/!5323191 | |
[3] /Journalistenmord-in-der-Tuerkei/!5115594 | |
[4] /Voelkermord-an-den-Armenierinnen/!5590498 | |
[5] /Zehn-Jahre-nach-dem-Mord-an-Hrant-Dink/!5374360 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
## TAGS | |
Türkei | |
Türkei | |
Völkermord Armenien | |
Mord | |
Justiz | |
Gülen-Bewegung | |
Fethullah Gülen | |
Recep Tayyip Erdoğan | |
Armenien | |
Türkei | |
Völkermord Armenien | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Türkei und Armenien: Hrant Dink lebt | |
In Istanbul haben tausende Menschen des ermordeten Menschenrechtlers | |
gedacht. Derweil nähern sich die Türkei und Armenien immer weiter an. | |
Türkei und Völkermord an den Armeniern: Erster Ort des Gedenkens | |
Vor 105 Jahren begann der Völkermord an den Armeniern. Der Journalist Hrant | |
Dink wollte Dialog – und wurde ermordet. Auch seiner wird gedacht. | |
Völkermord an den Armenier*innen: Eine Familie, die ihre Identität verlor | |
Lamia Zengin ist eine von 200.000 Armenier*innen, die in der Türkei | |
zwangsislamisiert wurden. Ihre Großmutter verlor beim Genozid Familie und | |
Religion. | |
Gedenkstätte für Hrant Dink in Istanbul: Erinnerung trifft Hoffnung | |
Die Gedenkstätte für den ermordeten armenischen Journalisten ist der erste | |
permanente Erinnerungsort an den armenischen Genozid in der Türkei. |