# taz.de -- Der Lockdown als Lyrik: Was reimt sich auf Corona? | |
> Der Dichter Fabian Leonhard hat unter dem Hashtag „lockdownlyrik“ Texte | |
> gesammelt. Aus 100 von ihnen hat der Trabantenverlag nun ein Buch | |
> gemacht. | |
Bild: Ein Lockdown-Blöckchen zum Beispiel zum Gedichte schreiben | |
Ach, Gedichte. Die einen denken an krampfhafte Text-Exegese im | |
Deutschunterricht, die anderen schwelgen von der Schönheit und inneren | |
Wahrheit poetischer Texte. Erst kürzlich war alle Welt berührt vom Auftritt | |
der Lyrikerin Amanda Gorman bei der Inaugurationsfeier von Joe Biden: Die | |
Hoffnungen Schwarzer US-Amerikaner hätten kaum treffender ausdrückt werden | |
können, als sie es tat. | |
Auch hierzulande machen Gedichte manchmal Politik, man denke an die | |
Böhmermann-Erdoğan-Affäre. Dass sie schon aufgrund ihrer (meist kurzen) | |
Form gut in unsere Zeit passen, hat auch der Berliner Jung-Dichter Fabian | |
Leonhard erkannt und bei Instagram einen Aufruf gestartet, ihm unter dem | |
Hashtag „lockdownlyrik“ ebensolche zukommen zu lassen. Gute 1.400 Texte | |
seien dabei zusammengekommen, erklärte er kürzlich im Bayerischen Rundfunk. | |
Aus 100 von ihnen hat der [1][Trabantenverlag] nun ein Buch gemacht. Der | |
Gewinn geht vollständig an die Berliner Stadtmission. | |
Dass so viele Menschen dem [2][Aufruf zur #Lockdownlyrik] gefolgt sind, | |
überrascht kaum. Zeit zum Nachdenken und Dichten haben viele gerade im | |
Überfluss. Und so beschäftigen sich auch viele der Lockdown-Gedichte mit | |
Alltagsproblemen von zur Zwangsruhe verdammten Mittelstandsmenschen: | |
Langeweile, Freundschaft, Einsamkeit, Fernweh, Erinnerungen, Sehnsucht. | |
Manche Gedichte sind witzig, manche depressiv, manche hintergründig, manche | |
platt – und erstaunlich viele sind tatsächlich gereimt. | |
kerstin.schreibt.2020 etwa dichtete: | |
„Laufspuren auf dem Parkett | |
Abdrücke an Fensterscheiben | |
Staub auf dem Fensterbrett | |
Kratzer neben dem Briefkastenschloss | |
Leere Tassen auf dem Tisch | |
Eine verwelkte Blume in der Vase | |
Nix erinnert an Wohlfühloase. | |
Tage kommen und verschwinden | |
Wohin auch immer, irgendwo hier in diesem Zimmer | |
Kühlschrank leer und Wasser kalt, | |
Hoffentlich endet dieser Lockdown bald.“ | |
Leonhard selbst mag es gerne kurz und politisch, wie er im Radiointerview | |
sagte. Als Beispiel hierfür mag sein 4-Zeiler „Für Jana aus Kassel“ gelte… | |
die sich auf der berüchtigten Coronaleugner-Demo vorigen Herbst als Sophie | |
Scholl gerierte. | |
„Zu wissen was war | |
Ist zu wissen weswegen | |
Zu wissen wofür | |
Ist zu wissen wogegen“ | |
So ist es. | |
25 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.trabantenverlag.de/ | |
[2] https://www.instagram.com/explore/tags/lockdownlyrik/ | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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