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# taz.de -- Fotograf über sein Projekt „Vaterland“: „Mir gefiel es hier …
> Jörg Colberg fotografierte für „Vaterland“ in Deutschland und Polen. Ein
> Gespräch über unangenehme Gefühle, Bildunterschriften und Geschichte.
Bild: Obwohl laut Colberg Bildunterschriften den Weg versperren: Hier musste ei…
taz: Herr Colberg, Ihr erstes Fotobuch trägt den Titel „[1][Vaterland“].
Warum dieses Wort, das früher mal identitätsstiftend war, heute ein rechter
Kampfbegriff ist?
Jörg Colberg: Ich lebe seit über zwanzig Jahren in den USA, war aber jedes
Jahr vier Wochen in Deutschland und in Polen, auch zum Fotografieren.
Ursprünglich hatte ich den Titel dafür nie in Betracht gezogen, aber dann
passte das so zu dem Buch. Es ist ein Begriff, mit dem ich viele Probleme
habe. Weil er so altertümlich ist, weil er von der neuen Rechten benutzt
wird. Das gibt mir ein unangenehmes Gefühl. Und das ist es, was ich erlebe,
wenn ich in Deutschland bin. Deswegen ist es eine Provokation. Zuerst an
mich selbst, aber dann auch an Deutschland.
Welche Rolle spielt die Distanz in „Vaterland“? Zeigt sich da eine Art
Hilflosigkeit des Beobachters?
Das ist mein fotografisches Auge. Ich hab versucht, ein bisschen Nähe zu
finden. Aber das ist dann wieder distanziert geworden. Ich bin in die USA
gegangen, weil es mir hier nicht mehr gefiel. Weil ich das Gefühl hatte:
Das ist zu einschränkend. Die Distanz hat sich ergeben, weil man Tausende
Kilometer weit weg wohnt. Aber auch eine mentale Distanz, die ich schon
immer hatte. Gerade auch wegen der Art und Weise, wie die Vergangenheit
aufgearbeitet oder eben nicht aufgearbeitet wurde. Die deutsche
Vergangenheit, das hat mich einfach nie losgelassen.
Sie schreiben, dass das Buch Ihre Wut und Ihre Scham, also starke
Emotionen, thematisiert. Das findet Ausdruck in auffallend nüchternen
Fotografien …
Anders könnte ich nicht fotografieren. Ich glaube, ich bin eher ein
Analytiker. Aber Analytiker können ja auch Leidenschaft haben.
Wie können wir uns den Entstehungsprozess vorstellen? Haben Sie gezielt
Orte und Personen besucht oder war das eine Art rumstromern?
Ich hatte mir ein paar Themen ausgedacht. Dieses und jenes, aber relativ
schnell wurde dann Deutschland das Thema. Deutsche Vergangenheit. Manche
Orte habe ich dann gezielt aufgesucht. Zum Beispiel die vielen zerstörten
Gebäude, die nach dem Krieg geflickt wurden. Die deutsche Geschichte ist
aber überall, auch an Orten, an denen man das nicht erwarten würde. Dort,
wo jeden Tag Geschichte ist.
Bei Ihren Fotos erkennt man manche Orte direkt, manche bleiben unbekannt.
Wieso haben Sie auf Bildunterschriften verzichtet?
Bildunterschriften versperren den Weg und nehmen die Offenheit, die wichtig
ist für Fotos. Viele der Bilder sehe ich als Symbole. Die Reklamefläche
steht zum Beispiel in Warschau. Ich war fasziniert davon. Eine Mitteilung,
die ich nicht verstanden habe. Genauso habe ich das Bild gefunden. Da habe
ich nichts dran manipuliert. Und deswegen hat das Bild keine
Bildunterschrift: Weil es darum nicht geht. Es geht nicht darum, dass das
in Warschau ist, sondern darum, dass das eine Botschaft ist.
Und die Porträts?
Das sind die, die Deutschland aushalten müssen. Das ist das Gefühl, dass
ich seit zwanzig Jahren habe.
Sie schreiben dass Sie keine Illusionen haben, dass Fotos irgendetwas
ändern könnten.
Gerade im Fotojournalismus gibt es diese Idee: Mit diesem Bild ändert sich
alles. Und diese Hoffnung wird dann meistens enttäuscht. Bilder, die
kurzfristig etwas verändern, so wie Alan Kurdi tot am Strand, sind selten.
Dafür gibt es zu viele Bilder in der Welt. Und auch da kann man
diskutieren: Was hat das verändert?
21 Mar 2021
## LINKS
[1] http://jmcolberg.com/vaterland.html
## AUTOREN
Lena Walbrunn
## TAGS
Fotografie
Deutschland
USA
IG
Mode
Abschied
Berlin
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