# taz.de -- Impfungen von Häftlingen: Nicht gefährdet genug | |
> In Gefängnissen gelten strenge Coronaregeln. Bei den Impfungen müssen | |
> Häftlinge aber noch warten, obwohl viele schwere gesundheitliche Probleme | |
> haben. | |
Bild: Warten, bis sie beim Impfen an der Reihe sind: Häftlinge in Hamburg | |
GÖTTINGEN taz | Weil sie in Gemeinschaftseinrichtungen leben müssen, | |
gehören Gefangene in den Justizvollzugsanstalten zweifellos zu den von der | |
Coronapandemie besonders Betroffenen. Zumindest in Niedersachsen und | |
Hamburg werden sie jedoch nicht vorrangig geimpft. | |
Die Behörden verweisen auf die von der Bundesregierung vorgegebene | |
Reihenfolge. „Auch Gefangene können geimpft werden, wenn sie dies | |
wünschen“, teilt das niedersächsische Justizministerium mit. Die | |
Reihenfolge richte sich dabei nach der Priorisierung der | |
Coronavirus-Impfverordnung des Bundes. Aktuell erfolge demzufolge die | |
Impfung der Gefangenen über 80 Jahre und mit Anspruch auf Schutzimpfung mit | |
höchster Priorität. „Eine vorrangige Behandlung gegen geltendes Recht ist | |
nicht beabsichtigt“, betont Ministeriumssprecher Christian Lauenstein. | |
Die derzeit gültige Corona-Impfverordnung sieht vor, dass Gefangene und | |
Beschäftigte in den Justizvollzugsanstalten – sofern sie nicht zu einer | |
besonderen Risikogruppe gehören oder über 80 Jahre sind – zur Gruppe mit | |
einer hohen Priorität zählen. Das ist in der Verordnung die sogenannte | |
Priorisierungsgruppe 2: „Schutzimpfungen mit hoher Priorität“. | |
Auch in Hamburg verweist der Senat darauf, dass der Bund die Reihenfolge | |
für die Impfungen festgelegt habe. Aktuell werde immerhin das medizinische | |
Personal der Justizvollzugsanstalten geimpft, heißt es in einer | |
Senatsantwort auf eine Anfrage der Linken. Die Planungen zur Umsetzung der | |
Impfungen bei den Gefangenen seien hingegen noch nicht abgeschlossen. | |
Das weitere Vorgehen hänge unter anderem von Zeitpunkt und Menge der | |
Impfstoff-Lieferungen ab: „Bis zur Durchführung einer flächendeckenden | |
Impfung in den Justizvollzugsanstalten können einzelne berechtigte | |
Gefangene ins Impfzentrum ausgeführt werden.“ Erst im weiteren Verlauf der | |
Impfkampagne komme die Verabreichung des Impfstoffes durch mobile Impfteams | |
oder das in den Justizvollzugsanstalten zur Verfügung stehende medizinische | |
Personal in Betracht. | |
Die Linke wirft dem Senat nun vor, die Corona-Impfung von Gefangenen zu | |
verschlafen. „Es ist beschämend, dass es offenbar gar keine Vorbereitungen | |
für die Durchführung der Impfungen in den Gefängnissen gibt“, so die | |
justizpolitische Sprecherin der Fraktion, Cansu Özdemir. | |
Der Senat riskiere durch die verschleppte Planung eine gefährliche | |
Verzögerung. Bisher sei noch nicht einmal ermittelt worden, wie viele und | |
welche Gefangene zu einer Risikogruppe gehörten, obwohl der | |
Gesundheitszustand von Gefangenen häufig sehr schlecht sei, beklagt | |
Özdemir: „Die Behörde nimmt ihre Verantwortung für die Gefangenen in | |
staatlicher Obhut nicht ernst genug.“ Die Linksfraktion fordert, die | |
Planungen für die Corona-Impfungen in den Gefängnissen „mit Hochdruck“ | |
aufzunehmen und zügig einen Impfplan vorzulegen. | |
Eine höhere Priorisierung für Gefangene und Gefängnisbeschäftigte fordern | |
ebenfalls die Gefangenen-Gewerkschaft (GG-BO), das Komitee für Grundrechte | |
und Demokratie und das Strafvollzugsarchiv. Und auch der Senat selbst | |
stellt fest, dass Gefangene von der Coronapandemie „besonders betroffen“ | |
sind. | |
Ein hoher Infektionsschutz sei schon aufgrund der gesundheitlichen | |
Situation von Gefangenen notwendig. Sie litten häufig an Suchterkrankungen | |
und deren Folgen, Infektionskrankheiten, psychischen Erkrankungen oder den | |
gesundheitlichen Folgen von Haft. „Es besteht bei ihnen daher häufig die | |
Gefahr eines besonders schweren Verlaufs einer Corona-Infektion“, erklärt | |
der Senat. In Hamburgs Knästen wurden deshalb Besuchs- und | |
Kontaktmöglichkeiten ebenso reduziert wie Freizeitangebote und | |
Lockerungsgewährungen. | |
In den niedersächsischen Gefängnissen ist nach Auskunft des | |
Justizministeriums ein „Aktionsplan zur Pandemievorsorge“ in Kraft. Neue | |
Gefangene würden zwar weiterhin aufgenommen, während der ersten 14 Hafttage | |
aber in einem abgetrennten Bereich untergebracht und erst dann sowie nach | |
einem Test in anderen Bereich verlegt. | |
Der Empfang von einzelnen Besuchern ist Häftlingen in dem Bundesland nach | |
längerer Unterbrechung unter Beachtung strenger Hygieneauflagen inzwischen | |
wieder erlaubt, Besuchergruppen dürfen aber nicht in die Knäste. Auch die | |
Arbeitsbetriebe in den Gefängnissen sind wieder geöffnet. | |
Gruppensportangebote wie Handball oder Fußball werden aktuell nicht | |
angeboten. Überwiegend können die Gefangenen aber an kontaktlosen | |
Sportangeboten wie Ausdauer- oder Kraftsport teilnehmen. Dasselbe gilt für | |
Gottesdienste und religiöse Veranstaltungen anderer Glaubensgemeinschaften. | |
Auch Vollzugslockerungen seien im Einzelfall unter Einhaltung der | |
Hygieneregeln möglich, so Ministeriumssprecher Lauenstein. Frühere | |
Entlassungen wegen einer Covid-19-Erkrankung sind aber nicht vorgesehen. | |
4.565 Personen waren am Dienstag in Niedersachsen inhaftiert. Bis Ende | |
Februar gab es insgesamt 39 bestätige Corona-Infektionen bei Gefangenen. | |
15 Mar 2021 | |
## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
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